Erst getrunken, dann entblößt

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Der kleine Mann mit dem schütteren Haar hat ein großes Problem: Immer wieder, wenn er getrunken hat - und er trinkt, so sagt er, regelmäßig - überkommt ihn die Neigung, sich vor jungen Frauen zu entblößen. Schon einmal hat er deshalb Ärger mit der Justiz bekommen.

Nun steht er erneut vor Gericht. Angezeigt hat ihn eine junge Frau, der er sich mehrfach so gezeigt hat. "Peinlich" und "ekelhaft" habe sie dies gefunden, sagt sie. Für einen solchen Vorfall gibt es Beweise: Handy-Fotos, aufgenommen in einer Wohnung. Die übrigen Vorfälle sollen sich in einer Gaststätte zugetragen haben.
Der Angeklagte selbst sagt zu den Vorwürfen wenig. Was Richterin Sieglinde Tettmann ihm vorhält, versteht er zur Not. Um sich selbst zu äußern, braucht er einen Dolmetscher.
Der meistert eine für ihn wohl überaus skurrile Situation souverän: Weil die vom Gericht geladene Übersetzerin nicht gekommen ist, droht die Verhandlung zu platzen. Ein Polizist, Zeuge in der Angelegenheit, kann helfen. Er kennt da jemanden... Aus einem Lokal in der Innenstadt holt er einen Landsmann des Angeklagten. Der wird kurz belehrt, spricht den Eid - und muss in der Folge etliche unappetitliche Details übersetzen.
Er könne sich nicht erinnern, sagt der Angeklagte, weil er wohl betrunken gewesen sei. Wenn es aber stimme, was ihm vorgeworfen werde, so tue ihm das leid.
Zweifel daran, dass die junge Frau die Wahrheit sagt, gibt es nicht, auch wenn die übrigen Zeugen sich nur vage erinnern können und vor allem vom Hörensagen wissen, dass der Mann zu solchen Handlungen neigt. Immerhin ist der Angeklagte einschlägig vorbestraft: Im Jahr 2008 hat er wegen exhibitionistischer Handlungen einen Strafbefehl bekommen.
Staatsanwalt Ludwig Peer wertet die Aussage des Mannes, "dass so etwas schon habe sein können", als Geständnis, hält ihm zugute, dass er sich doch mehr oder weniger entschuldigt habe. Was das Strafmaß angeht, sind sich Staatsanwalt und Richterin einig: Eine Gesamtstrafe von sechs Monaten erscheint ihnen für die drei zur Debatte stehenden Taten angemessen, ausgesetzt für drei Jahre zur Bewährung. Richterin Tettmann gibt dem Mann mit auf den Weg, sich ärztlichen Rat zu holen. Wenn er sein Problem nicht in den Griff bekommt, drohen der nächste Vorfall - und das Gefängnis.