Im Kulmbacher Stadtteil Blaich fällt in wenigen Wochen der Startschuss für ein Millionen-Projekt: Die Flutmulde wird so umgebaut, dass künftig die Häuser der Anlieger wieder vor Hochwasser sicher sind.
Um seine Thuja-Hecke ist Peter Voß ein wenig bang. "Mühsam hochgezogen" hat er die, sagt er in der Veranstaltung in der Stadthalle. Was, wenn nun am Damm neben dem Garten Spundwände eingezogen werden? Fehlt den Thujen und den übrigen Pflanzen dann das Wasser?
Andrea Künzl, Abteilungsleiterin beim Wasserwirtschaftsamt Hof, kann den Blaicher beruhigen: Man werde den Pflanzen nicht das Wasser abgraben. "Aber es kann natürlich schon sein, dass Ihre Hecke durch die Bauarbeiten leidet."
Keine Frage: Auf die Anwohner im Ängerlein und der angrenzenden Straßen werden in den nächsten beiden Jahren einige Unannehmlichkeiten zukommen. Wenn in wenigen Wochen der Startschuss fällt für eine Baumaßnahme von nicht alltäglicher Größenordnung, wird das für die Blaicher Baustellenverkehr, Lärm und Behinderungen bedeuten. Aber nach dem Ausbau der Flutmulde werden sie auch die Gewissheit haben: Wenn das nächste Hochwasser kommt, sind ihre Häuser endlich wieder sicher.
Um im Detail zu erläutern, was beim Ausbau der Flutmulde alles passiert, haben die Stadt Kulmbach und das Wasserwirtschaftsamt Hof gestern Abend zu einer Informationsveranstaltung in die Dr.-Stammberger-Halle eingeladen. Von einer der größten öffentlichen Baumaßnahmen der Stadt spricht Oberbürgermeister Henry Schramm. Rund zwölf Millionen Euro soll sie kosten. Dank vieler Zuschüsse beläuft sich der Eigenanteil der Stadt auf nur noch 365.000 Euro.
Profitieren sollen von der Baumaßnahme nicht nur die Anwohner. Profitieren wird auch die heimische Wirtschaft. Gestern ist der erste Auftrag vergeben worden: an die Firma Stratebau in Krumme Fohre. Froh und dankbar sei er, dass es nun losgeht, sagt OB Schramm. Und auch wenn es für die Anwohner in nächster Zeit "nicht immer ganz gemütlich" werden wird: "Es wird gut werden."
Der südliche Damm kommt weg Von Januar 2014 bis Dezember wird zwischen der Berliner Brücke und der Priemershofer Brücke in verschiedenen Abschnitten gearbeitet werden, die zum Teil ineinander greifen. Was genau passiert, erläutern vor rund 70 interessierten Bürgern Benno Strehler, der Leiter des Wasserwirtschaftsamtes, Andrea Künzl und Matthias Krug als Vertreter des Ingenieurbüros Spiekermann.
Noch im Januar wird am südlichen Damm zwischen der Berliner Brücke und der Pörbitscher Brücke ("Holzbruck") abgeholzt. Im Februar wird der südliche Damm entfernt. Seine Funktion übernimmt der Damm, auf dem die Nordumgehung verläuft. Für Hochwasser ist damit künftig mehr Platz: Der Wasserstand wird nicht mehr so dramatisch steigen wie etwa im Frühsommer 2006.
Zeitgleich entsteht westlich der Pörbitscher Brücke ein Schöpfwerk. Wenn künftig die überall in der Blaich installierten Grundwasserpegel einen Anstieg melden, geht das Pumpwerk in Betrieb: Es soll kein Grundwasser von unten in die Keller drücken.
Eine der beiden Stromleitungen wird in die Erde verlegt. Die zweite große Stromleitung entlang der Flutmulde bleibt erhalten. Für die Masten gibt es eine Hochwassersicherung.
Wenn alles richtig gut läuft, kann noch Ende 2014 mit der Ertüchtigung des Dammes auf der nördlichen Seite der Flutmulde begonnen werden. Dann beginnt auch die heiße Phase für die Anwohner. Mehrere Meter hohe Spundwände werden in den Damm eingebaut. Der soll dadurch dicht werden - und stabil.
2015 erfolgt außerdem die Umgestaltung der Pörbitscher Au. Die Flutmulde soll dort heraus aus ihrem Betonbett. Für Hochwasser gibt es dann viel mehr Raum als bisher - und für die Menschen dann, wenn kein Hochwasser ist, ein neues, attraktives Erholungsgebiet.
Um die Baustellen erreichen zu können, werden Behelfszufahrten angelegt. Eine führt vom Pörbitscher Weg hinein, eine andere beginnt bei der Priemershofer Brücke. Der Radweg wird als Provisorium vom Pörbitscher Platz aus über die Andreas-Ströber-Straße und den Priemershofer Weg geführt. In der Au wird es Lagerplätze für den Erdaushub geben.
Viele Fragen Die Blaicher und die Pörbitscher wollen einiges wissen: Tangieren die Behelfszufahrten ihre Grundstücke? Müssen sie sich Sorgen um alte Versorgungsleitungen machen, wenn Baustellenfahrzeuge durch ihre Straße fahren? Ist die Sache mit dem Grundwasser wirklich in den Griff zu kriegen oder müssen die Anwohner Angst um ihre alten Häuser mit den Sandsteinfundamenten haben?
Andrea Künzl und Matthias Krug erklären und beruhigen. Es wird, so sagt die Abteilungsleiterin, ein Gutachter noch vor den ersten Bauarbeiten die so genannte Beweissicherung vornehmen. "So können wir, wenn durch die Bauarbeiten Schäden entstehen sollten, garantieren, dass die Anwohner angemessen entschädigt werden."
Die meisten Fragen können gestern Abend gleich beantwortet werden. Stadt und Wasserwirtschaftsamt versichern, dass sie weitere Fragen jederzeit beantworten wollen.
Auch wenn der eine oder andere noch nicht so ganz genau weiß, was da nun auf ihn zukommt: Froh darüber, dass sich endlich überhaupt was tut, sind sie alle. "Wir haben in den letzten Jahren bei allen Unwettern viel Glück gehabt", fasst es Ludwig Schmidt vom "Hotel an der Eiche" zusammen. "Es ist schön, dass es jetzt losgeht. Wir hoffen, dass es zügig fertig wird."