Der harte Kampf um jedes Mitglied

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Der Sängerbund Thurnau hat sich vergangenes Jahr aufgelöst. Foto: Archiv
Der Sängerbund Thurnau hat sich vergangenes Jahr aufgelöst. Foto: Archiv

Vielen Vereinen fehlt der Nachwuchs, bei anderen läuft es gut. Blühendes Vereinsleben und Auflösung liegen oft nahe beieinander. Zwei Beispiele.

Der demographische Wandel macht den Vereinen ebenso zu schaffen wie das veränderte Freizeitverhalten von jungen Leuten. Fußball-Vereine gründen Spielgemeinschaften, um überhaupt noch Mannschaften auf den Platz schicken zu können. Andere haben Probleme, die Vorstandsposten zu besetzen. Wieder andere Vereinigungen haben dagegen regen Zulauf. Wir schildern anhand von zwei Beispielen aus dem (fast) gleichen Bereich, wie nah Erfolg und Überlebenskampf beieinander liegen.

Den Kampf verloren hat vergangenes Jahr der Sängerbund Thurnau 1847. Am 30. Juni 2015 wurde die Vereinigung beerdigt - fast 170 Jahre nach ihrer Gründung. Der damalige kommissarische Vorsitzende Ewald Küfner erinnert sich: "Wir waren personell am Ende und hatten ein Durchschnittsalter von fast 73 Jahren."

Warum es die klassischen Gesangverein so schwer haben, Nachwuchs zu finden, hat nach Ansicht des heute 77-Jährigen verschiedene Gründe: "Das beginnt schon in den Schulen, in denen nicht mehr gesungen wird. Dort lernen die Kinder keine Volkslieder mehr."

Hinzu komme ein großes Freizeitangebot. "Wenn die jungen Leute ins Disco-Alter kommen, sind sie für uns verloren." Selbst die Modernisierung des Liedguts habe keinen Erfolg gezeigt. "Man muss englische Sachen singen. Aber wer von den Älteren kann Englisch."

Zum Schluss waren es gerade noch gut 15 Sänger, erinnert sich Küfner. "Ich habe alleine Bass gesungen." Hinzu kam die Tatsache, dass sich niemand mehr fand, die Vorstandsämter zu besetzen.

Für Küfner bedeutete das Aus des Sängerbundes aber nicht das Aus seines musikalischen Hobbys. Inzwischen ist er bei den Hüttensängern des Vereins Natur und Freizeit Thurnau aktiv. Doch auch hier sind die Zukunftsaussichten nicht die besten: Die Aktiven seien ebenfalls schon älter, und es komme kaum Nachwuchs nach.

Ein etwas anderes Bild bietet sich dagegen bei anderen Sängern: den Gospel-Chören. Unser Beispiel: der Gospelchor des Dekanats Thurnau. Bei den "Voices of joy" wird dem englisch-sprachigen Liedgut gefrönt. Nachwuchsprobleme kennt man dort kaum. Rund 50 Sänger sind aktiv, 20 Jahre jung ist das jüngste Mitglied. "Klassisches Liedgut ist für viele zu einseitig. Die beschwingten Sachen machen offensichtlich den jungen Leuten mehr Spaß", glaubt Wolfgang Schuler das Geheimnis des Erfolgs zu kennen.

Der Ansprechpartner und Manager der Truppe sieht die englische Sprache auch nicht als Hindernis. "Man kommt schnell damit zurecht. Auch wenn einer kein Englisch kann und nicht alles versteht, so kann er doch die Aussprache schnell lernen."

Auch wenn es bei den "Voices of joy" (Stimmen der Freude) gut läuft, freut sich Schuler über neue Sänger. Geprobt wird mittwochs um 20 Uhr im "Lichtblick" in der Hutschdorfer Straße 2. Vorbeikommen kann jeder (ohne Anmeldung), ein Vorsingen ist nicht erforderlich.

Grundsätzlich hat sich das Freizeitverhalten der Menschen in den letzten Jahren deutlich geändert, weiß Heike Söllner vom Koordinierungszentrum Bürgerschaftliches Engagement (KoBE) im Landkreis Kulmbach.

Faktoren wie flexible Arbeitszeiten, weite Arbeitswege, Ganztagsschulen spielten für die Vereine inzwischen eine große Rolle. "Fakt ist auch, dass sich immer mehr Menschen bei der Frage der Bindung an einen Verein nicht mehr dauerhaft festlegen möchten."

Darauf gelte es als Verein zu reagieren, die Angebote und Rahmenbedingungen daran auszurichten, durchaus auch neue Angebote für verschiedene Generationen zu schaffen. Oberster Maßstab müsse dabei die Mitgliederzufriedenheit sein.

Heike Söllner rät jedem Vorstand, hin und wieder im Rahmen eines Vereinsabends oder bei der Mitgliederversammlung zu ermitteln, was die Mitglieder erwarten, welche Interessen und Wünsche vorhanden sind. Größere Vereine könnten durchaus an eine schriftliche Mitgliederbefragung denken. Anhand dieser Ergebnisse ließen sich die Angebote sowohl zeitlich als auch inhaltlich gut ausrichten.

Heike Söllner hat folgende Tipps:

• Als Verein immer am Puls der Zeit bleiben (durchaus aktuelle Entwicklungen mitmachen, Neues ausprobieren, auf Trends reagieren)

• Den Mut haben, auch "alte Zöpfe" abzuschneiden

• Dabei immer authentisch bleiben und die Werte des Vereins leben (nach innen und außen)

• Aktive Jugendarbeit ist ein wichtiger Baustein - damit kann einer Überalterung vorgebeugt werde. Den Verein stärken, indem der Jugend Verantwortung übertragen wird

• Einen guten Informationsfluss pflegen - dabei auch neue Medien nicht außer Acht lassen

• Allen Vereinsmitgliedern möglichst viel Mitspracherecht einräumen, Mitglieder einbinden, Kompetenzen gleichmäßig und gerecht verteilen - auch Kritik ernstnehmen

• Auf regelmäßige Fortbildung und Qualifizierung achten - z.B. über die lokale Schulungsreihe "Fit fürs Ehrenamt" oder über Angebote des jeweiligen Dachverbandes

• Immer auch über den Tellerrand schauen - auf örtlicher Ebene Zusammenarbeit mit anderen Vereinen wagen - Synergien nutzen

Im Rahmen der Schulungsreihe "Fit fürs Ehrenamt" des KoBE findet am Montag, 20. März, ab 19 Uhr ein Fortbildungsabend zum Thema "Jugendliche Mitglieder für ehrenamtliche (Mit-)Arbeit begeistern" statt. Die Veranstaltung findet im Schulungsraum der Feuerwehr Marktleugast statt. Anmeldungen sind jetzt schon möglich, online über www.landkreis-kulmbach.de/engagiert oder telefonisch unter 09221/707-150.