Das Kribbeln im Bauch: Wie gehen Künstler mit Lampenfieber um?

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Metal-Sängerin Liza Minet Foto: privat
Metal-Sängerin Liza Minet Foto: privat
Profi-Musiker Rainer Streit Foto: Fotostudio Schwarzenbach
Profi-Musiker Rainer Streit Foto: Fotostudio Schwarzenbach
 
Naturbühnen-Schauspielerin Annika Ködel Foto: Jürgen Gärtner
Naturbühnen-Schauspielerin Annika Ködel Foto: Jürgen Gärtner
 
 

Sängerin, Schauspielerin, Dirigent und Kirchenmusiker: Sie alle sind es gewohnt, vor Publikum aufzutreten. Und bei (fast) allen ist das Kribbeln im Bauch trotz teils langer Erfahrung noch da. Wie gehen sie damit um?

Was haben ein Hofer Symphoniker, eine Rocksängerin, ein Kirchenmusikdirektor und eine Schauspielerin an der Naturbühne Trebgast gemeinsam? Ganz einfach: Sie stehen bei ihren Auftritten im Fokus des Interesses. Aber die Blicke der Menschen auf sich zu ziehen, ist für viele eine unangenehme Vorstellung. Andere genießen das Scheinwerferlicht. Wir haben zwei Profis und zwei Laien gefragt, wie es bei ihnen aussieht. Wie viel Mut kostet es sie, sich ins Rampenlicht zu stellen?

"Das Lampenfieber wird man nie ganz los", sagt Rainer Streit, der seit 1997 Solo-Tubist bei den Hofer Symphonikern ist. Doch für ihn ist dieser Nervenkitzel vor einem Auftritt unentbehrlich: "Wenn der nicht mehr ist, passt was nicht." Allerdings sei diese Grundanspannung unterschiedlich ausgeprägt: "Wenn ich ein Stück schon öfter gespielt habe, ist es nicht mehr so schlimm."

Häufiger als im Hofer Profi-Ensemble steht Rainer Streit bei einer anderen Formation im Mittelpunkt: beim Bläser-Quintett Rekkenze Brass. Alle Stimmen seien gleichberechtigt. "Hier kann man sich nicht in einem großen Orchester verstecken."

Und auch als Sänger sucht Rainer Streit immer wieder die Herausforderung - so wie jüngst beim Osterkonzert des Musikvereins Ludwigschorgast, den er auch dirigiert. "Das ist wieder ein Nervenkitzel." Für Frank Sinatras "My Way" musste er nicht nur einen englischen Text auswendig lernen, sondern auch mit einem schwierigen Song ohne richtigen Refrain klarkommen.

Doch wie schafft es der Ludwigschorgaster, die Nerven in den Griff zu bekommen? Sein Rezept: eine gute Vorbereitung. ",My Way' habe ich seit Weihnachten geübt", sagt er. Wenn er sich nicht entsprechend vorbereite, sei er vor Auftritten deutlich nervöser. "Das ist dann aber kein Lampenfieber, sondern Unsicherheit." Aber, so sagt der studierte Musiker, so richtig schief sei noch nie ein Auftritt gegangen.

Einem ganz anderen Musik-Genre hat sich Liza Minet verschrieben: Sie ist die Sängerin der Kulmbacher Heavy-Metal-Band "Dying Gorgeous Lies". Als Frontfrau weiß sie, dass auf ihren Schultern eine riesengroße Verantwortung lastet: "Ich muss schauen, dass ich das Publikum erreiche und gleichzeitig die Band im Auge haben, wenn einmal etwas Ungeplantes passiert." Die Fans bei Konzerten zu begeistern, ist für sie eine Art Spiel. "Wenn es klappt, gibt mir das einen Adrenalinschub. Dieses Feedback ist das Schönste, was es gibt und der Grund, warum ich auf der Bühne stehe."

"Dying Gorgeous Lies" waren schon mit einigen Szene-Größen wie Testament und Sepultura auf Tournee durch die USA, traten vor Tausenden auf. "Wenn du zum Beispiel in Las Vegas vor so einem großen Publikum auf die Bühne musst, ist die Aufregung natürlich riesig, und es erfordert eine extra Portion Mut, da rauszugehen", sagt die Sängerin.

Mit einem bestimmten Ritual bereitet sie sich auf ihre Auftritte vor, bringt sie die Stimme auf Betriebstemperatur. "Wenn ich das gemacht habe, beruhigt mich das unheimlich." Komplett verschwinde das Lampenfieber aber nie. "Das will ich auch nicht", sagt sie.

Dass Pannen vorkommen, ein Show-Effekt nicht klappt, das hat sie schon erlebt, aber die Erfahrung gemacht: "Das ist für dich auf der Bühne schlimm, das Publikum bemerkt es meist nicht einmal."

Sie habe noch nie ein Problem gehabt, vor Leuten zu singen, erklärt Liza weiter. "Aber ich finde es schwer, Ansagen zu machen, um damit Zeit zwischen Liedern zu überbrücken. Das haben wir sogar in den Proben geübt." Ihr Tipp gegen die Aufregung: "Das Lampenfieber als Teil der Show zu akzeptieren und auf eine gewisse Art und Weise auch zu genießen."

Aus einer Künstlerfamilie stammt Ingo Hahn. Der Kirchenmusikdirektor prägte viele Jahre das kulturelle Leben in der Stadt Kulmbach mit, gab Orgelkonzerte, dirigierte Chöre. "Jedes Konzert ist eine neue Herausforderung", sagt er. Nicht nur, weil es sich immer um unterschiedliche Programme handle, sondern weil auch die körperliche und mentale Verfassung immer anders sei. "Es kommt viel darauf an, ob man entspannt ist oder aus einer strapaziösen Situation heraus auf die Bühne kommt." Oder ob ein Konzert am Nachmittag stattfindet oder spät in einer Silvesternacht.

Wie schafft es der 64-Jährige, mit dem Druck umzugehen? Hier handhabt er es wie Rainer Streit: "Ein Musiker muss wie ein Sportler trainieren, um auf den Punkt die Leistung zu bringen. Wenn ich weiß, dass ich super vorbereitet bin, dann habe ich nur noch ein geringes Lampenfieber."

Einmal, so erinnert er sich, sei die Erholungszeit zwischen der Generalprobe und dem Auftritt mit einer Stunde zu knapp gewesen. "Ich war zum Konzertbeginn noch zu ausgepowert. Das habe ich schon gemerkt, als ich den Taktstock gehoben habe. Ich fühlte mich wie im Film." Eine Erfahrung, auf die er verzichten kann.

Ein wichtiger Tipp von ihm an andere Musiker ist folgender: "Nicht über Fehler ärgern. Abhaken und weitermachen." Das werde sogar in den Proben trainiert. Nachdem Hahn Musiker und Dirigent ist, kennt er beide Seiten und weiß: "Als Dirigent kannst du dich noch so gut vorbereiten, aber wenn einer der Musiker nicht bei der Sache ist, hat man keinen Einfluss drauf."

Trotz ihres jungen Alters von 22 Jahren ist Annika Ködel schon ganz abgebrüht, wenn sie auf die Bühne geht. Die Darstellerin an der Naturbühne Trebgast hat in der 4. Klasse im Kinderstück "Max und Moritz" als Maikäfer angefangen und in diesem Jahr erstmals die tragende Rolle in einer Abendvorstellung gespielt: In "Pygmalion" brillierte sie als Eliza Doolittle.

Schon als Kind wollte sie auf der Bühne stehen, erzählt sie. Vielleicht liegt es auch daran, dass sie inzwischen kein Lampenfieber mehr hat. "Ich bin auf der Bühne immer die Ruhigste, weil ich voll in der Rolle bin. Und man muss ja nur das abrufen, was man in den Proben gelernt hat."

Rolle an einem Tag gelernt

Einmal, so räumt sie dann doch ein, sei sie schon nervös gewesen. Da musste sie wegen eines Krankheitsfalls einspringen und innerhalb eines Tages eine relativ große Rolle lernen. "Von Samstagmorgen bis zur Vorstellung am Abend habe ich mir den Text reingeprügelt und nachmittags ein bisschen geprobt. Abends bei der Vorstellung hatte ich Herzflattern - wegen der Textsicherheit."

Was rät Annika Leuten mit Lampenfieber? "Einfach ins kalte Wasser springen und das Ding durchziehen. Sich einfach die Sache zutrauen und nicht von vorneherein sagen, ,das schaff ich nicht'."