Das Corona-Virus fordert auch den Chefarzt der Klinik für Pneumologie, Josepha Alhanna. Er spricht über schwere Verläufe und schwere Entscheidungen.
38 Tote allein seit Jahresbeginn, viele Menschen, die intubiert und künstlich beatmet werden müssen - Corona prägt den Betrieb am Klinikum seit einem Jahr maßgeblich mit, fordert Ärzte wie auch das Pflegepersonal.
"Enorme Belastung"
"Wir sind an manchen Tagen definitiv an unsere Grenzen gestoßen. Wir hatten Tage, an denen wir mit den Nerven am Ende waren, an denen wir uns schon gefragt haben, wie wir das schaffen sollen", sagt der Chefarzt der Klinik für Pneumologie und Beatmungsmedizin, Joseph Alhanna, der im Corona-Jahr viel menschliches Leid gesehen hat. Ob es besonders einschneidende Erlebnisse gegeben hat? "Jeder Todesfall, der sich ereignet, war und ist für uns eine enorme Belastung", sagt der Mediziner, der darüber berichtet, dass sich die Situation zugespitzt habe, als vor wenigen Wochen das Virus in den Altenheimen grassierte und viele Senioren eingeliefert worden sind. Dass Corona, wie so mancher behauptet, nur eine Grippe sei, sorgt bei Alhanna für Kopfschütteln. "Es gibt viele schwere Verläufe, die es bei einer normalen Grippe nicht gibt."
Wenn es keine Heilungschancen gibt
Während schwer Erkrankte auf der Intensivstation beatmet werden, liegen Patienten mit milderen Verläufen auf der "normalen" Covid-Station. Aber auch Patienten mit meist schweren Vorerkrankungen, bei denen auch eine intensivmedizinischen Behandlung keine Heilungschancen bringen würde.
In enger Absprache mit Angehörigen
Alhanna spricht von einer großen Herausforderung, berichtet, dass die Entscheidungen in enger Absprache mit den Angehörigen getroffen werden, die Erkrankten oft schriftlich oder mündlich versichert hätten, dass sie keine Beatmung, keine lebensverlängernden Maßnahmen wünschen. "Die Patienten können dann auf der Normalstation verbleiben, wo man die Möglichkeit hat, friedlich voneinander Abschied zu nehmen." Es sei eine Station, auf der mehr und mehr Palliativmedizin betrieben werden müsse, auf der Ärzte, Pfleger und Angehörige den Sterbeprozess begleiten würden, bei dem alles gegeben werde, um Schmerzen und Beschwerden zu lindern.
Vollständige Genesung?
Normalerweise gilt auf beiden Covid-Stationen ein Besuchsverbot. Liege ein Patient im Sterben, sei aber - anders als in vielen anderen Kliniken - der Besuch von Angehörigen möglich.
Ganz besondere Hygienevorschriften gelten laut Alhanna gerade auch auf der Intensivstation, wo Patienten teils über Wochen intubiert und beatmet werden. Auf die Frage, wie die Chancen der Intensivpatienten stehen, nach der maschinellen Beatmung wieder ein normales Leben zu führen, antwortet er: "Wir haben Kontakt zu Patienten aus der ersten Welle, die wieder ihre Lebensaktivität wie vor Corona haben." Von einer vollständigen Genesung will er aber nicht sprechen.
Psychologische Betreuung ist wichtig
Sowohl bei schweren wie auch milden Verläufen würden Patienten häufig unter Post-Covid-Symptomen wie Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Leistungsminderung, Kopfschmerzen oder Atemsymptomen leiden. "Die Leute haben oft massive Probleme, auch wenn der Pneumologe und der Kardiologe keine organischen Schäden feststellen kann." In vielen Fällen wäre aus seiner Sicht eine psychologische Betreuung ratsam. "Die fehlt aber leider oft."
Es dauert viele Monate
Bis Patienten, die die Intensivstation verlassen, wieder auf die Beine kommen, vergingen viele Monate. Wachen diese aus dem künstlichen Koma auf, beginne die sogenannte Entwöhnungsphase, bei der sie mehr und mehr wieder selbst das Atmen übernehmen. Nach der Beatmungsphase folge eine mehrwöchige Reha in einer Spezialklinik, bei der die Covid-Patienten einer intensiven Betreuung zur Wiederherstellung ihrer Leistungsfähigkeit bedürften.
Die Mutante
Mehr und mehr hat sich auch im Landkreis in den vergangenen Wochen das mutierte Virus durchgesetzt, das sich bekanntlich leichter übertragen lässt. Ob es auch zu schwerwiegenderen Verläufen führt? "Ich habe festgestellt, dass bei mutierten Viren mehr und mehr Menschen mit schweren Verläufen durch Lungenentzündungen zu kämpfen haben", so der Pneumologe.
Ob Alhanna angesichts der Mutante und des hohen Inzidenzwertes eine Lockerung der Corona-Regeln für vertretbar hält? Schulen sollten unter besonderen Hygieneregeln geöffnet werden, sagt der Familienvater, der befürchtet, dass der Nachwuchs sonst langfristig unter den Beeinträchtigungen durch die Pandemie leiden würde. Vor einer zu großen, generellen Lockerung warnt er allerdings: "Weil wir uns in einer gefährlichen Phase befinden, in der wir nicht wissen, wohin die Reise mit dem mutierten Virus geht."
"Schützt vor schwerem Verlauf"
Für Josepha Alhanna, der wie viele Klinikum-Mitarbeiter selbst schon ein Vakzin erhalten hat, war es nie eine Frage, ob er sich impfen lässt. "Ich halte es für sehr wichtig, weil der Impfstoff vor allem eines macht: Er schützt vor schweren Verläufen." Schwere Verläufe, von denen er in den vergangenen zwölf Monaten am Klinikum viele erlebt hat. Schwere Verläufe, die zu vielen Todesfällen geführt haben.