Die Stadt Bursa hat die Partnerschaft mit Kulmbach auf Eis gelegt. Die Entscheidung wird mit der Krise zwischen der Türkei und Deutschland begründet.
Im Rathaus von Bursa wurde am 28. Oktober 1998 der Partnerschaftsvertrag zwischen der türkischen Stadt und Kulmbach unterzeichnet. Doch jetzt, nach knapp 20 Jahren, hat die Provinzhauptstadt am Marmarameer ein Störfeuer entfacht: Als Konsequenz aus dem anhaltenden Konflikt zwischen der Türkei und Deutschland wurde die Städtepartnerschaft sowohl mit Kulmbach als auch mit dem hessischen Darmstadt ausgesetzt.
Lesen Sie dazu auch unser "Burggeflüster".Die Verantwortlichen in Kulmbach wurden offiziell nicht informiert. Die Stadt Bursa, die von Oberbürgermeister Recep Altepe (AKP) geführt wird, hatte am 21. März lediglich eine entsprechende Mitteilung auf ihrer Homepage veröffentlicht. Das blieb freilich nicht unbemerkt, als Erster hatte am vergangenen Wochenende der Darmstadter Oberbürgermeister Jochen Partsch (Grüne) davon erfahren.
Henry Schramm: "Bedauerlich"
Sein Kulmbacher Amtskollege Henry Schramm (CSU) wurde am Sonntag via Facebook informiert. "Die Große Politik ist das eine, die Begegnung zwischen Menschen das andere", sagte Schramm gestern im Gespräch mit der BR und äußerte sein Bedauern darüber, dass der Konflikt mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan um Wahlkampfauftritte türkischer Spitzenpolitiker in Deutschland jetzt auch auf die lokale Ebene heruntergebrochen wird. Der OB verwies auch auf die Partnerschaft zwischen dem Beruflichen Schulzentrum Kulmbach und dem Tophane Teknik Lise in Bursa sowie den "sehr guten Kontakt" zur türkischen Gemeinde in Kulmbach: "Das sollte auch so weitergeführt werden."
Die Frage, ob er jetzt umgehend persönlich seinen Amtskollegen in Bursa kontaktieren werde, verneinte Schramm. "Wir werden natürlich grundsätzlich alles tun, um die Beziehungen zwischen unseren Städten aufrechtzuerhalten; ich glaube aber, dass es besser ist, einige Tage ins Land ziehen lassen und zunächst das Referendum abzuwarten, um dann wieder eine bessere Gesprächsbasis zu haben."
"Zur Normalität zurückkehren"
Ähnlich wie Schramm äußerte sich auch dessen Vorgängerin Inge Aures (SPD), die den Partnerschaftsvertrag zusammen mit dem damaligen Bürgermeister von Bursa, Erdem Saker, unterzeichnet hatte. "Es ist bitter, dass sich die Große Politik nun auf die kleinen Partnerschaften auswirkt, zumal wir in Kulmbach auch ein gutes Miteinander mit der türkischen Gemeinde haben." Auch die jetzige Landtagsvizepräsidentin hofft, dass die Abstimmung über die Verfassungsreform in der Türkei schnell vorübergeht, "damit man dann wieder zur Normalität zurückkehren kann".
"Das ist ja furchtbar." So fiel die erste Reaktion von Hartmut Schuberth aus. Der Vorsitzende des Unesco-Clubs Kulmbach, der im Mai 20-jähriges Bestehen feiert und dazu auch eine sechsköpfige Delegation des Partnerclubs Bursa erwartet, wusste gestern noch nichts von dem Riss in der Städtepartnerschaft, er erhielt die Nachricht von der BR-Redaktion. Und dies, obwohl er erst vor zwei Tagen mit einem türkischen Freund telefoniert hatte.
Der pensionierte Berufsschullehrer, der schon seit den siebziger Jahren vielfältige Beziehungen in die Türkei pflegt und maßgeblicher Initiator der Schulpartnerschaft ist, steckt in den Vorbereitungen für die 45. Begegnung, die vom 1. bis 9. Juli in Kulmbach stattfindet. Zwölf Praktikanten, zwei Lehrer, Vertreter des Unesco-Clubs Bursa und Kindergärtnerinnen werden dazu erwartet.
Schuberth verhehlt allerdings nicht, dass die Beziehungen in der Vergangenheit merklich schwieriger geworden sind: "Dieses Jahr haben sie Bedingungen gestellt. Sie wollen nur eine Woche bleiben und auch nicht bei Gastfamilien, sondern in Hotels untergebracht werden. Es wird schwieriger, und das habe ich in der Türkei auch schon selbst gespürt."
Hartmut Schuberth ("Ich stelle das schon seit ungefähr zwei Jahren fest") führt diese Entwicklung auf den Wechsel in der Schulleitung zurück, denn der neue Rektor in Bursa sei "streng auf Parteilinie". Auch er bedauert, dass sich die Türkei-Krise auf die örtliche Ebene auswirkt. Sein Freund, mit dem er telefonischen Kontakt hat, ist nicht optimistisch: "Das wird alles noch schlimmer", habe er vorausgesagt.
Serkan Uzun hofft das nicht. Der Vorsitzende der türkischen Gemeinde Kulmbach wurde wie OB Schramm per Facebook informiert und wusste zunächst gar nicht, was er sagen soll. "Ich war total negativ überrascht", so Uzun gegenüber der BR. Er will auf jeden Fall heute aktiv werden und sich mit dem Rektor der Tophane-Schule in Verbindung setzen. "Ich habe ein gutes Verhältnis zu ihm und hätte eigentlich schon erwartet, dass er mich anruft. Wir freuen uns, wenn die Schule im Juli nach Kulmbach kommt, zumal wir ja auch bei den Vorbereitungen mitgewirkt und Übersetzungen geschrieben haben."
"Wir sind die Leidtragenden"
Die jüngste Entwicklung hat für Serkan Uzun und seine Landsleute noch einen anderen Aspekt: "Wir sind die Leidtragenden, denn wir müssen uns dafür noch rechtfertigen."
Die Beziehungen zu Bursa reichen weit zurück
Der Vorsitzende des Unsesco-Clubs, Hartmut Schuberth, hat die Beziehungen Kulmbachs zu Bursa akribisch dokumentiert, insbesondere im Zusammenhang mit den Unesco-Projekten und den schulischen Aktivitäten. Sie reichen weit zurück, wie aus seinen Aufzeichnungen ersichtlich ist. Eine wesentliche Rolle spielte dabei auch Albert Gareis, der mit seiner Firma, der ehemaligen Wabag, in der Türkei wassertechnische Anlagen baute und erste Kontakte geknüpft hatte.
Die Meilensteine der Partnerschaften:
Sommer 1984: Deutsch-türkisches Schulfest, veranstaltet in Zusammenarbeit mit dem deutsch-türkischen Organisationskomitee in Kulmbach.
Juli 1988: Beginn des Praktikantenaustausches. Kulmbach: Fünf Schüler und eine Schülerin der Tophane-Schule praktizierten vom 10. bis 31. Juli in Betrieben der Textilindustrie, der Metallverarbeitung und des Schreinerhandwerks; Bursa: zwei Bekleidungsschneiderinnen und zwei Bauzeichner der Berufsschule Kulmbach praktizierten vom 7. bis 28. August in Bursa.
1992: Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages zwischen beiden Schulen in Bursa.
1995: Festveranstaltung in Kulmbach "10 Jahre Partnerschaft mit Tophane-Schule".
1997: Gründung des Unesco-Clubs Kulmbach-Plassenburg.
August 1998: Start des Gemeinschaftsprojekts "Cumalikizik" im Rahmen von Agenda 21.
28. Oktober 1998: Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages zwischen den Städten Bursa und Kulmbach im Rathaus von Bursa.
3. Juli 1999: Feierliche Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages zwischen den Städten Bursa und Kulmbach im Rathaus der Stadt Kulmbach.
2000: Festveranstaltung in Bursa: "15 Jahre Partnerschaft Hans-Wilsdorf-Schule - Tophane-Schule".
2009: Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages zwischen zwei Kindergärten aus Bursa und Kulmbach.
2010: Eröffnung des Projekthauses in Cumalikizik.
2015: Festakt in Kulmbach "30 Jahre Partnerschaft" mit dem Unesco-Club Bursa.