Auch am zweiten Prozesstag vor dem Landgericht bleibt vieles von dem Geschehen in der Januar-Nacht mysteriös. Ungeklärt ist die Frage, warum der Angeklagte aus Bad Kissingen davon abgekommen ist, seine Selbstmordabsicht in die Tat umzusetzen.
Es hätte ein tödliches Inferno werden können - doch die vierköpfige Familie in Oberzettlitz hatte Glück, dass sie bei dem Brandanschlag am 21. Januar rechtzeitig aus dem brennenden Haus gekommen ist. Innen war bereits alles verqualmt. Es drohte höchste Gefahr, wie ein Kriminalkommissar am Dienstag vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Bayreuth erklärte: "Wenn man im Schlaf den Rauch einatmet, hat man keine Chance mehr, das Haus zu verlassen. Das war hochgradig gefährlich."
Zum Glück wurde der 56-jährige Familienvater von dem Krach der durch das Feuer berstenden Türen sowie durch den Brandgeruch wach und konnte seine Frau und die beiden Töchter in Sicherheit bringen. Während er und seine Nachbarn, die zu Hilfe geeilt waren, versuchten, die Flammen zu ersticken, sah der Mann den mutmaßlichen Täter: einen früheren Geschäftspartner der Fleisch- und Wurstfabrik in Hammelburg.
Flucht endet am Skilift Neubau
Der Brandstifter aus Bad Kissingen, der den Oberzettlitzer für den Ruin und die Zerstörung seiner Existenz verantwortliche macht, ergriff die Flucht. Er fuhr offenbar ziemlich planlos durch die Gegend, bis er gegen vier Uhr in der Früh beim Skilift in Neubau landete. Dort sprach er vier Stunden später den Wirt der "Bleaml-Alm" an und bat ihn, die Polizei zu rufen. Er wolle sich stellen, er habe eine Straftat begangen.
Durch die Ermittlungen der Polizei ist die Täterschaft des 65-jährigen Mannes klar, der unter anderem wegen versuchten Mords in vier Fällen und schwerer Brandstiftung angeklagt ist. Dadurch, dass er aber große Erinnerungslücken - sein Rechtsanwalt Johannes Driendl sprach von "Amnesie" - geltend macht, bleibt vieles von dem Geschehen in der Januar-Nacht mysteriös.
"Immer ein Gentleman"
Nähere Information erhoffte sich die Kammer am Dienstag von der Freundin des Angeklagten. Doch die Frau, die den 18 Jahre älteren Mann 2012 näher kennengelernt und vor 15 Jahren kurze Zeit in seiner Leiharbeitsfirma ("Er war ein guter Chef") gearbeitet hatte, wusste von nichts. Er hat vor ihr offenbar alle seine Probleme wie finanzielle Sorgen, Alkohol, Scheidung, Krankheit oder Selbstmordgedanken ferngehalten. "Er war immer ein Gentleman, bei ihm war immer alles gut", sagte die Zeugin.
Kurz vor der Tat hatten beide gemeinsam Silvester gefeiert. "Er war wie immer", betonte die Frau - auch in den Tagen danach. Am 20. Januar habe er sie abends noch angerufen und ihr alles Gute für die Operation am nächsten Tag gewünscht und angekündigt, dass er sie gleich besuchen werde. Ins Krankenhaus ist er nicht gekommen. "Das habe ich nicht verstanden", so die 47-Jährige. Noch weniger könne sie sich erklären, wie er zu so einer Tat fähig gewesen sei. "Ich bin mir vorgekommen wie im falschen Film. So habe ich ihn nicht gekannt. Das habe ich ihm nicht zugetraut."
Gutachter sagt aus
Am Nachmittag wird der Prozess fortgesetzt. Der stellvertretende Direktor der Klinik für Forensische Psychiatrie Erlangen, Thomas Wenske, wird sein Gutachten vortragen und zur Steuerungs- und Schuldfähigkeit des Angeklagten Stellung nehmen.