Bio boomt - was steckt dahinter?

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Unter ökologischen Gesichtspunkten erzeugte Lebensmittel werden immer beliebter. Längst haben auch die Supermärkte die Bio-Produkte für sich entdeckt. Fotos: Katharina Müller-Sanke
Unter ökologischen Gesichtspunkten erzeugte Lebensmittel werden immer beliebter. Längst haben auch die Supermärkte die Bio-Produkte für sich entdeckt. Fotos: Katharina Müller-Sanke
Hühnerzüchter Fritz Rösch aus dem Rugendorfer Ortsteil Poppenholz lässt sich vom Großhandel nicht mehr die Preise diktieren.
Hühnerzüchter Fritz Rösch aus dem Rugendorfer Ortsteil Poppenholz lässt sich vom Großhandel nicht mehr die Preise diktieren.
 
 
Gisela (rechts) und Renate Unger vom Naturkost-Laden in Veitlahm
Gisela (rechts) und Renate Unger vom Naturkost-Laden in Veitlahm
 
"Hühner lieben die Freiheit", sagt Züchter Fritz Rösch.
"Hühner lieben die Freiheit", sagt Züchter Fritz Rösch.
 

Bio boomt: Die Zahl der Höfe, die ökologisch arbeiten, steigt bundesweit an. Die BR hat bei regionalen Anbietern hinter die Kulissen geblickt.

Friedlich grasende Kühe und glücklich im Hof scharrende Hühner - Verbrauchern wird eine heile Welt auf dem Bauernhof vorgegaukelt. Spätestens seit zahlreichen Lebensmittelskandalen sind viele Bürger wachsamer geworden.

Von Bio-Produkten verspricht man sich Sicherheit. Der Sektor wächst. Es steigt nicht nur die Importrate, sondern erfreulicherweise auch die Zahl der Bio-Höfe in Deutschland. Davon gab es 2015 bundesweit 24 343 - knapp neun Prozent aller Landwirtschaftsbetriebe.


Staat gewährt Prämie

Der Kreis Kulmbach hinkt leicht hinterher. Nach Angaben des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Kulmbach werden 7,9 Prozent der Höfe im Landkreis ökologisch bewirtschaftet, Tendenz aber steigend. Wie Klaus Schiffer-Weigand bestätigt, haben erneut deutlich mehr Höfe auf biologische Bewirtschaftung umgestellt.
Weitere Höfe haben ihr Interesse an einer Umstellung bekundet. Darunter sind kleine Betriebe, die vor allem wegen der staatlichen Prämie im Rahmen KULAP (Bayerisches Kulturlandschaftsprogramm) umsteigen. Große Betriebe profitierten vor allem von besseren Vermarktungsmöglichkeiten.

Am Beispiel Milch rechnet Schiffer-Weigand vor, dass der Erzeuger derzeit maximal 30 Cent für den konventionell hergestellten Liter bekommt. Für Biomilch könne der Landwirt mit rund 50 Cent kalkulieren.

Dagegen stehen natürlich höhere Produktionskosten. Doch für die Umsteller geht die Rechnung trotzdem auf. Schließlich steigt auch die Nachfrage. 2015 lag der Bio-Umsatz in Deutschland bei 8,62 Milliarden Euro - das ist eine Steigerung um rund elf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dennoch ist noch Luft nach oben: Bio-Produkte machten 2014 lediglich 4,4 Prozent des gesamten Lebensmittelumsatzes in Deutschland aus. Bei Fleisch ist der Bio-Anteil noch geringer und liegt etwa bei Geflügel bei 0,7 Prozent, bei Schwein bei 1,2 Prozent und bei Rind bei 2,4 Prozent. Niedrige Werte, die nicht nur die Biobauern betreffen, sondern auch die konventionelle Landwirtschaft. Denn viele Bauern beklagen, dass die Menschen zu wenig bereit sind, Geld für Lebensmittel zu bezahlen. In anderen Ländern sind Nahrungsmittel - das ist bekannt - um ein vielfaches teurer.

In Deutschland wird beim Essen gespart. Auch bei Bioprodukten. Deswegen haben die Discounter diese Sparte längst für sich entdeckt. Der Preisdruck steigt. Doch billig verkaufte Bio-Lebensmittel erfüllen oft nur die Mindeststandards. Sie kommen häufig aus fernen Ländern, und ihre Qualität ist kaum zu überprüfen, wie mehrere heimische Produzenten anmahnen. Abgrenzen können sich Produzenten hochwertiger Ware, indem sie spezielle Siegel führen.

Im Landkreis Kulmbach tun das einige: Der Patersberghof in Veitlahm arbeitet nach den Vorgaben des Verbandes "Demeter". Der Rangabauer in Tennach nach "gäa", andere nach Bioland oder Naturland. Sie alle haben gemeinsam, dass ihre Standards höher sind als der gesetzliche Rahmen. Der Verbraucher kann sich, wenn er will, von der Qualität direkt vor Ort überzeugen. Zum Beispiel bei Landwirt Fritz Rösch.


Hühner lieben die Freiheit

Dass Rösch seinen Betrieb im Rugendorfer Ortsteil Poppenholz 2011 auf Bio-Eier umgestellt hat, war eher ein Zufall. Früher hatte er eine Schweinemast, vorher schon Rinderhaltung. Dann hatte er "genug von der Mafia", wie er sagt. Er hatte genug von Düngemittel und der Chemieindustrie sowie vom Großhandel, der ihm die Preise diktierte. Deshalb schloss er mit dem Unternehmen Kasendorfer Frischeier der Familie Kolb einen Abnehmervertrag. Seither hat er immer mindestens 3000 Hennen, die im Jahr 800 000 Eier legen.

"Den Hühnern geht es gut", versichert Rösch, der aktuell 5400 Stück hält. Sie bekämen keinerlei Medikamente, hätten Platz und dürften im Gras und im Sand picken und scharren. Das Futter bestehe aus Getreide vom eigenen Hof, zugesetzt seien Luzerne, Sonnenblumenschrot und Erbsen. "Kein Soja, Fischmehl oder etwas in der Art", das ist Rösch wichtig. Er hält die Richtlinien des Bioland-Verbandes genau ein. Zudem legt er Wert darauf, dass Bio nicht vor der Stalltür aufhört: "Wir setzen alles daran, dass unsere Eier in der Region vermarktet werden."
Das klappt auch gut. Lediglich beim Schlachten gibt es Probleme. In der Region gibt es keinen Betrieb, der Bio-Hühner schlachten darf. So werden die Tiere nach Oberschwaben gefahren. Ein kleiner Abstrich, den Rösch machen muss.
Vor 30 Jahren hat Gisela Unger ihren Naturkost-Laden in Veitlahm gegründet. Heuer hat Schwiegertochter Renate das Geschäft übernommen. "Die Menschen hinterfragen mehr, was sie kaufen. Sie wollen wissen, wo die Sachen herkommen", ist sich Renate Unger sicher. Die bundesweit steigende Nachfrage, spürt auch die Familie Unger und setzt auf neue Märkte. Im April schon wird ein zweites Geschäft eröffnet, im ehemaligen Malerbetrieb Näther in Thurnau.
Bio-Lebensmittel ist für die Familie Unger eine Lebenseinstellung. Der gesundheitliche Aspekt steht im Vordergrund, ebenso aber der ökologische Gedanke, dass niemand unter der Produktion gelitten hat. Auch der Patersberghof und die Patersberg-Gärtnerei liefern Produkte an die Ungers. "Unsere Kunden kommen nicht nur aus dem Ort, sondern weit darüber hinaus. Wir sind damit ein Dorfladen, aber gleichzeitig ein Geschäft, das speziell die Bedürfnisse von Menschen bedient, die sich gesund ernähren wollen", so Gisela Unger.
Die billigen Bio-Linien der Supermarktriesen sind kaum eine Konkurrenz: "Wer zu uns kommt, schaut nicht nur darauf, dass Bio draufsteht, sondern setzt auf echte Qualität."