Am Balkan als Beifahrer: Wie Jörg de Ridder trotz Achsbruchs die "Rally Albania" beendete

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Wenn die Teilnehmer der "Rally Albania" mal nicht Staub schluckten, dann war es Wasser: Hier quert der SxS von Jörg de Ridder und Fahrerin Lenka Kalasova ein Bachbett.Alessio Corradini
Wenn die Teilnehmer der "Rally Albania" mal nicht Staub schluckten, dann war es Wasser: Hier quert der SxS von Jörg de Ridder und Fahrerin Lenka Kalasova ein Bachbett.Alessio Corradini
Geschafft: Jörg de Ridder und seine tschechische Fahrerin Lenka Kalasova nach der Zielankunft in der albanischen Hauptstadt Tirana.privat
Geschafft: Jörg de Ridder und seine tschechische Fahrerin Lenka Kalasova nach der Zielankunft in der albanischen Hauptstadt Tirana.privat
 
Stein des Anstoßes: An diesem Brocken ging die Vorderachse flöten.
Stein des Anstoßes: An diesem Brocken ging die Vorderachse flöten.
 

Auch für einen alten Rennhasen wie Jörg de Ridder gibt es noch Herausforderungen. Der 53-jährige Frankenberger startete bei der Albanien-Rallye.

Die Startnummer 412 ist kaum zu lesen, derart verschmiert ist die Flanke des Side-by-Side-Vehikels der Marke Polaris - von außen ein Quad mit Überrollbügel, dafür fette 170 PS unter der Haube. Das Gefährt ruht irgendwo im Nirgendwo bei Kilometer 73 zwischen Orgocha und Frasher, die Vorderachse merkwürdig verdreht wie die Extremitäten einer weggeworfenen Puppe. Ein Rad hat es weggerissen. Der Verursacher liegt nur einen Schraubenschlüsselwurf entfernt: ein Fels, groß wie ein Tornister.

Unwegsames Gelände hier, bisweilen mondkraterartig. Schotter und Geröll, so weit das Beifahrerauge reicht. Nicht weniger gewaltig zeigt sich die Natur den Teilnehmern der "Rally Albania", die die erhabene Ruhe mit dem Röhren ihrer Motoren kurz durchschneiden. Bäume auf einem Höhenkamm flanieren die Zwei- und Vierrädrigen, die wie Pfeile über die Hügel flitzen, durch kleine Flüsse preschen und Gischt aufwirbeln oder aber staubige Pisten durchpflügen. Das tun auch die Tschechin Lenka Kalasova am Steuer und ihr Beifahrer Jörg de Ridder - bis besagter Steinbrocken dem Treiben ein zwischenzeitliches Ende bereitet und dafür ein mehrstündiges Warten auf den Abschleppdienst in der albanischen Walachei beschert.

Für den Frankenberger ist es eine neue Erfahrung - auch wenn der 53-Jährige schon viele Stunden als Co-Pilot in mehr oder weniger schnellen Autos verbracht hat. Der Name de Ridder lässt bei Motorsportfans die Erinnerungen purzeln wie die Kugeln in der Lostrommel. Zwischen 1986 und 1996 lotst er Reinhard Honke über die Rennstrecken in der Region und darüber hinaus. "Danach ist es mir ein bisschen langweilig geworden, es waren immer wieder dieselben Veranstaltungen mit den immer gleichen Wertungsprüfungen wie etwa bei der Rallye ,Fränkische Schweiz", sagt Jörg de Ridder.

1900 Kilometer in einer Woche

Als aber der Quad-Händler, mit dem der 53-Jährige beruflich verbandelt ist, ihn zur Albanien-Rundfahrt einlädt, sagt Jörg de Ridder zu. Das Abenteuer klingt spannend: In einer Woche sollen knapp 1900 Kilometer zurückgelegt werden. Für die längste Etappe, rund 475 Kilometer, sind nahezu zwölf Stunden Fahrzeit angesetzt. Bei dem Geläuf wird schnell klar, dass es im Schnitt nicht mehr als 40 Stundenkilometer werden. Neben elf Buggys beteiligen sich 90 Motorräder, 5 Quads und 31 Off-Road-Wagen - sie alle bewältigen dieselbe Strecke.

Pro-westlich orientiert

"Dazu kommt, dass mich das Land gereizt hat." Vor 40 Jahren war Albanien noch kommunistisch verschlossen. "Mittlerweile ist es durchaus pro-westlich orientiert. Die Hauptstadt Tirana, die als Start- und Zielpunkt der Rallye dient, ist vergleichbar mit einer Großstadt wie bei uns etwa im Ruhrpott." Albanien selber ist nicht mal halb so groß wie Bayern und mit drei Millionen Einwohnern eher dünn besiedelt. "Die Bürger haben wir als sehr freundlich wahrgenommen." Wobei sie auch ihrer Wut Ausdruck verleihen können, wie die Teilnehmer der Motorsportveranstaltung bei einer Protestkundgebung gegen die amtierende Regierung miterleben.

Kartenkunde gefragt

Während der Fahrt auf den Pisten ist die Kartenkunde des Beifahrers gefragt. "Teilweise haben wir durch Staub und Dunst kaum was gesehen", erzählt der Frankenberger. Der SxS ist ein Leichtgewicht, wiegt gerade 700 Kilogramm, die Karosserie gibt grobe Bodenwellen an die Insassen mehr oder minder ungefiltert weiter. Am Meer geht es los und schließlich hinauf bis auf 2000 Höhenmeter. "Wir sind mit zwei Rädern sogar durch Schnee gefahren."

Bis zum unfreiwilligen Zwischenstopp liegt das Duo Kalasova/de Ridder auf Rang 4, Platz 3 und damit das Treppchen sind in Reichweite. "Unser Unfall ist auch etwas dem Ehrgeiz der Fahrerin geschuldet, aber das kann immer passieren. Es ist bisweilen so eng, dass man nicht überholen kann, dazu kommt die teils mäßige Sicht." Das defekte Gefährt hat das Serviceteam, gestellt vom Händler des Fahrzeugs, noch in der Nacht wieder flottgemacht. Doch die zehn Stunden Zeitverlust holen sie nicht mehr ein; am Ende reicht es im Klassement zum siebten Platz.

Abseits normaler Straßen

Eine Wiederholung 2020 bei der 16. Auflage der Rallye ist geplant. "Das Erlebnis war neu für mich. Es hat großen Spaß gemacht", sagt de Ridder. Doch nicht allein das Vergnügen stand im Fokus. "Für mich und meinen Arbeitgeber, die Polaris Germany, war Albanien eine Gelegenheit, unseren Kunden eine Möglichkeit zu eröffnen, diese Fahrzeuge einmal unter Wettbewerbsbedingungen zu testen."

Die Side-by-Side-Vehikel dürfen zwar regulär im Straßenverkehr fahren, "aber diese SxS brauchen Gelände unter den Rädern oder den Sand von Marokko und Dubai." Der nahe Osten wie Bulgarien und Rumänien, vor allem die Region um die Karpaten, wo Dracula sich durchbeißt, reizen den Frankenberger zum Mitmachen. "In Deutschland gibt es für die Autos nur zwei Serien, die finden auf Motocross-Strecken statt."

Polariss ist ein großer Hersteller für Off-Road-Fahrzeuge mit Zentralsitz in Minnesota, USA. Zwei wichtige Kennzahlen: etwa 10000 Mitarbeitende und sechs Milliarden Dollar Umsatz weltweit. Europa ist laut Jörg de Ridder der wichtigste Exportmarkt. Zu seinem Team in Deutschland gehören noch 15 Mitarbeiter. Sie kümmern sich um die Buggys, aber auch die "Indian Motorcycles", eine Motorradmarke, die vor einigen Jahren zum Portfolio dazukam. "Früher war die Firma Taubenreuther der Importeur, mittlerweile mache ich das meiste per Home-Office, besuche aber nebenbei viele Händler." So kommen auch Kilometer zusammen - ganz abseits jeder Rallye bis zu 60000 pro Jahr.