Eine Woche nach dem Gastspiel Joachim Gaucks steht für die heimischen Kommunalpolitiker fest, dass der Landkreis Kronach davon langfristig profitieren kann.
Eine Woche ist vergangen, seitdem Bundespräsident Joachim Gauck in
Kronach und Neufang zu Gast war. Der Glanz des prominenten Besuches ist längst wieder dem Alltag gewichen. Die vielen Worte, die am vergangenen Freitag gewechselt wurden, sind vergessen. Wirklich?
Bürgermeister Jens Korn (CSU) aus Wallenfels ist überzeugt, dass Gauck seine Erkenntnisse aus Kronach nicht einfach an der Hubschraubertür zurückgelassen hat. "Er hat keine exekutiven Möglichkeiten, etwas umzusetzen", räumt Korn rückblickend auf sein Gespräch mit Gauck ein. "Aber er kann dafür sorgen, dass unsere Themen eine Öffentlichkeit bekommen." Damit widerspricht er kritischen Stimmen aus Teilen der Bevölkerung, dass der Besuch keinen Langzeiteffekt für den Landkreis haben werde.
Den Vorwurf, dass Gauck die Herausforderungen des Landkreises nur durch den Weichzeichner präsentiert bekommen habe, lässt Korn ebenfalls nicht gelten: "Die Probleme unserer Region kennt er - er hat aber versucht, hier Lösungen aufzuspüren." Von solchen positiven Beispielen sollen dann andere Regionen profitieren.
Gauck soll Eindrücke weitergeben
Auch der Kronacher Bürgermeister Wolfgang Beiergrößlein (FW) ist fest überzeugt, dass Gauck viele Eindrücke mit nach Berlin genommen hat und diese dort an die entsprechenden Stellen weitergeben wird. "Er hat sich angeschaut, dass wir nicht vor unserem Schicksal verharren, sondern die Dinge selbst in die Hand nehmen." Eine solche Erkenntnis lässt Beiergrößlein auch auf weitere Unterstützung für den ländlichen Raum hoffen, zumal die Gesprächspartner Gauck auf die Notwendigkeit von Zuschüssen
für die Region durch Bund und Land hätten hinweisen können.
Stefan Schneider, Sprecher des Landratsamtes, teilt diese Eindrücke. Dass Gauck die Themen aus dem Frankenwald nicht im Handumdrehen zu den Akten legen wird, zeigt sich seiner Ansicht nach an einem ganz konkreten Beispiel: Das Mobilitätskonzept soll im großen Kreis in Berlin vorgestellt werden. Regionalmanager Willi Fehn soll dort referieren. Und auch die besuchten Bürgermeister sowie vermutlich einige der "Retter des Neufanger Musikheims" werden zu einem Empfang des Bundespräsidenten in die Hauptstadt eingeladen.
Nicht nur Worthülsen
Die heimischen Politiker fühlen sich also vom Bundespräsidenten ernst genommen. Und sie haben ihn schätzen gelernt. "Der Landrat ist voll des Lobes", stellt Schneider fest.
Er selbst ist ebenfalls schwer beeindruckt vom Auftreten des Gastes: "Trotz des straffen Zeitplans hat er oft das Protokoll gesprengt. Dadurch wurde der Besuch für uns und auch für die Bürger zu einem Gewinn." Das sehen auch Korn ("Gauck begegnet Menschen auf eine erfrischende Weise") und Beiergrößlein ("Sein Besuch war eine Wertschätzung für uns") so.
Doch was denkt der Bürger abseits der Amtsstuben und der Kommunalpolitik? Als ein Vertreter des Ehrenamtes traf der langjährige Kreisheimatpfleger Roland Graf in Neufang auf den Bundespräsidenten. Und Graf, ein Mann, der kein Blatt vor den Mund nimmt, beginnt bei der Frage nach Gauck regelrecht zu schwärmen: "Wenn man sich bei den Gästen umgehört hat, hörte man, dass er kein Mensch ist, der Worthülsen verbreitet und einem nur Honig ums Maul schmiert."
Ein unkomplizierter Mensch
Genauso sei
auch sein Eindruck gewesen. Der rhetorisch versierte Bundespräsident sei unkompliziert und zwanglos aufgetreten. Er habe sich trotz 200 geladenen Gästen im Feststoudl mehrere Minuten Zeit genommen, um mit Graf über die Heimatpflege zu sprechen.
Beeindruckend sei dabei gewesen, dass sich Gauck trotz der vielen Eindrücke und Gespräche über den Tag hinweg ganz auf seinen Gesprächspartner eingelassen, den Trubel um sich herum völlig ausgeblendet habe. "Er ist ein Mensch, der einem zuhört - und auch auf das Gehörte eingeht." Er habe sich sogar Gedanken über die Leute gemacht, die er vor Ort getroffen habe, und versucht, ihre Mentalität mit in die "sehr sachliche" Diskussion einfließen zu lassen.
Für Graf steht jedenfalls fest, dass Gauck seine Gesprächspartner nicht nur schnell abspeisen will, denn "in dem Moment, in dem er mit dir redet, hast du seine volle Aufmerksamkeit".
Kommentar
Kein Königsweg für den Bundespräsidenten
Aus den Augen, aus dem Sinn - das ist die Vermutung vieler unserer Facebook-User zu dem, was vom Besuch des Bundespräsidenten Joachim Gauck auf längere Sicht für den Landkreis Kronach bleiben wird.
"Was will der bei uns?", hieß es da schon vorab. Oder auch: "Weder einen Gauck, noch eine Kanzlerin oder einen sonstigen Politiker interessiert doch am Ende, wie es dem verarmten Rentnervolk geht." Keine Einzelstimmen, die sich da im Netz lautstark zu Wort meldeten.
Bestimmt haben die Schreiber damit Recht, dass man in Berlin nach dem Bundespräsidenten-Besuch keine Bäume ausreißen und eine Menge
Sonderprogramme für den Frankenwald initiieren wird. Doch das war nicht der Anlass des Besuchs. Gauck kann in seiner Rolle auch gar keine solchen Weichenstellungen vornehmen. Er kann nur als Multiplikator in der Hauptstadt für unsere Anliegen werben.
Weiter wurde kritisiert, dass sich Gauck bei seiner Tour durch den Landkreis nur die Rosinen herausgepickt, die Problembereiche gemieden habe. Auch richtig! Doch das war bewusst so geplant. Der Besuch diente nicht dazu, die Schwächen des Landkreises aufzudecken und zu beheben, sondern Bereiche zu finden, in denen die Region gut dasteht, wo andere ländliche Räume von den Kronacher Erfahrungen profitieren können. Und dieses Ziel wurde sicher erreicht.
Die Online-Diskussion - teilweise auf tiefstem Stammtischniveau geführt - wirkt wie so oft bei Politikerbesuchen: Kommen die Gäste, heißt es, Geld wird sinnlos verpulvert. Kommen sie nicht, heißt es, die sitzen in ihrem Elfenbeinturm und haben vom Leben keine Ahnung. Wie man's macht, macht man's offenbar verkehrt - sogar als Bundespräsident.