Windräder: Eine "Folter" für die Anwohner in Hain?
Autor: Dominic Buckreus
Hain, Montag, 30. Januar 2017
Einige Anwohner klagen über gesundheitliche Probleme. Schuld daran seien die Windräder, die in seit vergangenem Jahr in unmittelbarer Nähe stehen.
Ein stetiges Brummen liegt über dem kleinen Dorf Hain in der Gemeinde Küps. Es klingt wie ein Flugzeug, das in luftiger Höhe in ferne Länder fliegt. Doch keines ist zu sehen. Das Geräusch kommt von den Windrädern im nahe gelegenen Windpark Hain-Ost auf dem Rainberg. Es spaltet das kleine Dörfchen und raubt manchen Bewohnern den Schlaf.
"Unheimlich", findet Monika Teichmann dieses Brummen. Ihrem Mann Manfred wurde es auf Dauer zu unheimlich: "Meinem Mann geht es leider gar nicht gut", sagt sie. Seit mehreren Wochen könne er nun nicht mehr durchschlafen. Die Geräusche der Windräder ließen ihn jede Nacht aufwachen. "Jede Nacht", betont seine Frau nochmals. Ohrenstöpsel halfen auch nicht.
"Am Ende saß er nur noch in der Ecke und hat geheult", sagt Teichmann. Jetzt liege er seit drei Wochen im Bezirksklinikum Obermain in Kutzenberg. Bisher habe sich sein Zustand aber noch nicht gebessert. Nachdem er das Wochenende zu Hause verbracht hatte, habe er sich schon wieder auf Sonntag gefreut - wenn er wieder zurück ins Krankenhaus kommt, berichtet seine Frau.
Die ruhige Idylle ist weg
Dort muss er es nämlich nicht mehr hören, dieses "notorische, widerliche Geräusch". So beschreibt es Sylvia Tauber aus dem Nachbarort Wildenberg. Sie wohnt etwa 700 Meter vom Windpark entfernt.Zwar sei sie für erneuerbare Energien, doch müssten Mensch und Natur geschützt werden. Zurzeit sei sie dauermüde und habe permanent Kopfschmerzen. Nach zwei, drei Stunden wache sie nachts immer auf. Der Lärm sei einfach zu laut. "Wir sind das halt nicht gewohnt", sagt Tauber. "Schlafentzug ist die schlimmste Folter nach Waterboarding." Diesen Satz wiederholt Helmut Schiffner mehrmals. Er stand lange an der Spitze der Bürger, die sich gegen den Windpark - vergeblich - wehrten. Er sei sich ziemlich sicher, dass die Anlage lauter ist, als angegeben.
Da hält der Sprecher der Stadtwerke Ingolstadt, die den Windpark betreiben, dagegen: "Ich bin fest davon überzeugt, dass die Vorgaben eingehalten werden", sagt Andreas Schmidt. Diese wurden vom Landratsamt vorgegeben. Die Betreiber haben daraufhin errechnet, welche Immissionswerte der Anlagentyp haben sollte. Dazu hätten sie deutschlandweit an drei Standorten gemessen. Das Ergebnis: die Werte passen. In Hain selbst haben die Stadtwerke aber noch nicht nachgemessen, sagt Schmidt.
35 bis 40 Dezibel dürfe die Anlage in der Nacht maximal laut sein, tagsüber 60. Je nach Ortschaft sei das Unterschiedlich, erklärt Schmidt. Er macht sogar einen Vergleich: Ein Kühlschrank brumme etwa mit rund 30 Dezibel, ein lautes Gespräch habe um die 60.
Ist Infraschall schuld?
Helmut Schiffner führt die Probleme einiger Anwohner nicht nur auf die Lautstärke zurück. Einen großen Anteil habe daran auch der Infraschall - tieffrequente Schallwellen, die ein Windrad erzeugt und das für Menschen nicht hörbar ist. "Der Schall wird zwar nicht wahrgenommen, führt aber zu Beeinträchtigungen", sagt Schiffner. Bei den genannten Messungen, seien Bereiche zwischen 20 und 10 000 Hertz geprüft worden, erklärt der Stadtwerke-Sprecher. "Das ist schon ziemlich weit unten, aber nicht ganz im Infraschallbereich." Dieser liegt unter 20 Hertz. Die höchste Dezibelzahl sei bei 1600 Hertz gemessen worden, sagt Schmidt. Weiter unten sei diese "deutlich reduziert" gewesen. Es handle sich also um "nicht so starke Imissionen", versichert er.
Das Bayerische Landesamt für Umwelt hat beim Infraschall ebenfalls nachgemessen. Demnach liege die Immission in der Umgebung solcher Anlagen "deutlich unter der Hör- und Wahrnehmungsschwelle". So steht es in einer Publikation zu diesem Thema vom August 2016. Zwar seien Belästigungen durch diesen Schall möglich, doch nach aktuellem Stand der Wissenschaft könnten "Windenergieanlagen beim Menschen keine schädlichen Infraschallwirkungen hervorrufen".
Einen unabhängigen Experten zu diesem Thema zu finden ist schwierig. In der Region sah sich keiner imstande, gesicherte Auskünfte zu erteilen. Tatsächlich beschäftigt sich die Wissenschaft erst seit wenigen Jahren mit diesem Thema. Über die Frage, ob Infraschall gesundheitsschädlich ist, sind sich die Fachleute noch nicht einig.
Drosseln und abschalten
Helmut Schiffner ist indes klar, dass er und die Hainer mit den Windrädern leben müssen. Dennoch will er dieses Leben erträglicher machen. Zunächst sollen die Windräder auf Sparflamme laufen: "Aus technischer Sicht müssen die Anlagen gedrosselt werden", sagt er.Möglich wäre das, im sogenannten lärmreduzierenden Betrieb zu fahren, sagt Andreas Schmidt. Doch würde das nur "in relativ geringem Maße eine Veränderung bringen". Etwa vier bis fünf Dezibel, also "kein übermäßiger Effekt", meint er. Die Anlagen liefen außerdem schon mit schallreduzierenden Rotorblättern. Durch die Blätter entstehe nämlich der größte Teil des Lärms, erklärt der Sprecher.
Helmut Schiffner wäre es aber am Wichtigsten, wenn die Anlagen nachts komplett abgeschaltet werden, damit die Anwohner wieder ruhig schlafen könnten.
Die Stadtwerke zeigen sich in dieser Hinsicht wenig zuversichtlich: "Wir müssen da die wirtschaftliche Betrachtung sehen", sagt Schmidt. Von den Beschwerden habe er aber noch nichts gehört. Seine Kollegen vor Ort versicherten ihm, dass viele Bewohner die Anlage befürworteten und das Interesse daran sehr groß sei.
Nicht jeder hat Probleme
Bei einem Rundgang durch Hain trifft man zumindest einige an, denen das Geräusch nichts ausmacht. So wie Friedlinde Koch: "Ich sag das ganz offen und ehrlich: Mich stört das nicht." Sie höre es zwar, wenn sie ins Bett geht, "aber dann schlaf ich einfach ein und wach Früh wieder auf", sagt sie mit einem Lachen. Einem anderen Anwohner seien die Windräder egal: "Mich hat das von Anfang an nicht gestört. Meine Fenster sind dicht." Eine weitere Bürgerin will sich aus der Debatte lieber raushalten: "Das stört mich nicht. Ich bin ja tagsüber auch auf der Arbeit."