Der Frankenwald ist akut bedroht. Der Feind ist klein, bringt aber große Zerstörung. Was hilft gegen den Borkenkäfer?
Wenn sich der Borkenkäfer weiter im Frankenwald ausbreitet, bleibt wohl nicht mehr viel übrig von der Charakteristik des Landstrichs mit seinen bewaldeten Steilhängen und seinem archaischen Charme.
"Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit", sagt Fabian Tegge, Servicestellenleiter der Bayerischen Staatsforsten im Bereich Coburg-Rothenkirchen. Im Vorjahr mussten allein in diesem Gebiet mehr als 500.000 Festmeter Käferholz geschlagen werden, das ist mehr als dreimal so viel wie der übliche Einschlag. Die Trockenheit hat das Käferproblem noch verstärkt.
Taskforce will gegen Borkenkäfer im Frankenwald vorgehen
Um effektiv gegen den Borkenkäfer vorgehen zu können, haben die Bayerischen Staatsforsten eine Art Taskforcegegründet: Seit April ist ein Team mit Spezialistinnen und Spezialisten aus ganz Bayern im Einsatz, um besonders schnell reagieren zu können, wenn der Käfer einfällt oder es Sturmschäden gibt. Die Einsatzleiter seien dabei länger vor Ort, sagt Jochen Köppl. Er ist einer der Einsatzleiter, die derzeit im Frankenwald stationiert sind. Normalerweise arbeitet er im Oberpfälzer Wald.
Los geht die Jagd auf den Borkenkäfer mit der Suche nach dem Tier: Feinste Spuren von Bohrmehl sind ein Indiz, dass ein noch gesund aussehender Baum befallen ist. Dann geht es erst einmal digital weiter: Die Suchtrupps tragen die GPS-Position der Bäume in einer App ein. So könnten die Einsätze des Harvesters geplant werden, sagt Georg Häfner, ein weiterer Einsatzleiter der Taskforce. Viel Zeit bleibt nicht, befallene Bäume zu identifizieren, zu fällen, das Holz zu erfassen und aus dem Wald zu schaffen: Hat sich ein Borkenkäfer-Weibchen eingenistet, so dauert es sechs bis acht Wochen, bis zahlreiche Jungtiere den Baum verlassen - und anderswo Schäden anrichten. "Das Zeitfenster ist sehr eng", sagt Tegge. Köppl ergänzt: "Wir versuchen immer, das schnellstmögliche Tempo zu gehen." Oft bremse die Witterung aus. Bei starkem Regen beispielsweise könne man nur schwer im Steilhang arbeiten.
Borkenkäfer fressen unter der Rinde ein Gangsystem für ihre Brut. Dadurch werde der Saftstrom im Bast unterbrochen und es gelange kein Zucker mehr von der Krone zu den Wurzeln, heißt es bei der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF). Die Folge: Der Baum stirbt ab.Beschleunigt wird dies vor allem bei starker Trockenheit. "Das spielt dem Borkenkäfer voll in die Karten", sagt Köppl.
Wenig Hoffnung, "dass es auf null zurückgeht"
Und im Frankenwald waren die vergangenen Sommer extrem trocken. Langfristig soll ein kompletter Umbau den Wald resistenter gegen den Borkenkäferbefall machen. Vier verschiedene Baumarten werden nachgepflanzt, damit stabile Mischwälder entstehen. Denn derzeit klaffen die wegen Käferbefalls abgeholzten Flächen wie offene Wunden in der Landschaft. Die Borkenkäfer-Population im Frankenwald sei inzwischen so groß, dass man wenig Hoffnung habe, "dass es auf null zurückgeht", sagt Köppl.
Der Harvester ist gerade an der Ködeltalsperre im Landkreis Kronach im Einsatz. Oben am Steilhang werden die Bäume gefällt und mit einer Seilwinde nach unten geschafft. Dort entastet sie der Harvester und schneidet sie zu. Das Gebiet ist besonders sensibel, denn die Talsperre ist mit riesigen Mengen Trinkwasser befüllt, das im Bedarfsfall bis nach Bamberg geleitet wird. Fehlen am Steilhang die Bäume, kann Boden ins Wasser geschwemmt werden - und die Wasserqualität könnte leiden. "Der Wald muss den Boden schützen", erklärt Tegge.
Ohne den Einsatz der großen Forstmaschinen hätte man sowieso keine Chance gegen den Käferbefall, "das wäre gar nicht vorstellbar". Das vorsortierte Holz wird dann wieder digital erfasst - sodass Lastwagen es abholen können und es entsprechend vermarktet wird. Gelangen allerdings in kurzer Zeit große Mengen Holz auf den Markt, lässt das die Preise erst einmal in den Keller rauschen. Im Geschäftsjahr 2023 zählten die Staatsforsten 1,8 Millionen Kubikmeter Schadholz, knapp 80 Prozent durch Borkenkäfer verursacht. Der Schwerpunkt lag im Nordosten Bayerns, vor allem im Frankenwald. Im Jahr zuvor gab es 1,26 Millionen Festmeter Schadholz, die Hälfte davon stammte aus Insektenschäden.
Luftbilder zeigen Schäden und Befallsherde
Doch auch anderswo in Bayern gibt es Schäden - und auch private Waldbesitzer sind betroffen. Dazu sagt Bayerns Forstministerin Michaela Kaniber (CSU): "Bestmögliche finanzielle Unterstützung, mehr Forstpersonal und eine intensive Überwachung der Käferpopulation: Nicht nur im Frankenwald setzen wir im Kampf gegen den Borkenkäfer alle verfügbaren Hebel in Bewegung. Im engen Schulterschluss mit den Waldbesitzern handeln wir rasch und entschlossen, um unsere Wälder zu erhalten."
Den Kampf gegen den Borkenkäfer führt man nach Ministeriumsangaben auf vielfältige Weise. Unter anderem organisiert die LWF einen Überflug über den Frankenwald: Die Luftbilder würden dabei helfen, Befallsherde früher zu finden, heißt es aus dem Ministerium.
Nahe der Ködeltalsperre vermessen Köppl und Häfner einen Holzpolter, das sind die aufgeschichteten Stämme. Die Daten werden in der App für den Abtransport gespeichert. Fertig ist die Arbeit damit noch längst nicht. In zwei, drei Wochen beginnt in dem gerade durchforsteten Gebiet die Suche nach dem Borkenkäfer erneut. Womöglich werden dann wieder Harvester, Seilwinde und Rückezug gebraucht.