Umfrage im Landkreis Kronach: Helfen will jeder, aber...

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Im Kronacher Spital könnte schon bald eine dritte Wohngruppe für minderjährige Flüchtlinge untergebracht werden. Für den Bürgermeister ist dies kein Problem. Vor den Auswirkungen der Flüchtlingskrise warnt er allerdings. Foto: Archiv
Im Kronacher Spital könnte schon bald eine dritte Wohngruppe für minderjährige Flüchtlinge untergebracht werden. Für den Bürgermeister ist dies kein Problem. Vor den Auswirkungen der Flüchtlingskrise warnt er allerdings.  Foto: Archiv

Dass Flüchtlingen aus unsicheren Ländern geholfen werden muss, daran gibt es keine Zweifel. Angesichts des Ausmaßes der gesamten Krise gibt es allerdings auch Befürchtungen in Bezug auf mögliche Folgen.

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel vor einigen Wochen die unkontrollierte Einreise von Flüchtlingen ermöglichte, erhielt die CDU-Politikerin viel Lob. Mittlerweile werden auch Stimmen laut, die diese Entscheidung infrage stellen. Wir haben uns im Landkreis Kronach bei Bürgermeistern und beim Landrat umgehört, wie sie die Situation bewerten.

Der Steinwiesener Bürgermeister Gerhard Wunder (CSU) übt Kritik an der gesamten Flüchtlingspolitik. Seiner Ansicht nach muss Politik generell durchdacht sein. In der Flüchtlingsdiskussion sei dies nicht der Fall. Es stehe völlig außer Frage, dass den Menschen geholfen werden muss. Dies sei nicht zuletzt im Grundrecht auf Asyl geregelt. Allerdings müsse dies mit Maß und Ziel erfolgen. Und genau dies komme aus Wunders Sicht nicht zur Geltung.

Viele Diskussionen in der Öffentlichkeit seien von ideologischer Verblendung geprägt. "Wer dafür ist, ist ein guter Mensch. Und wer dagegen ist, ist gleich rechtsradikal", kritisiert Wunder, der vielen Politikern, aber auch Journalisten einen Realitätsverlust bescheinigt. "Viele führen sich als Gutmenschen auf, ohne zu wissen, was an der Basis geschieht."


Angst wahrnehmen

Eben dort verspürt Wunder eine gewisse Angst. "Und die muss man doch mal wahrnehmen und darf sie nicht einfach abbügeln." Natürlich würden sich die Menschen wundern, wie jetzt Milliarden von Euro ins System geblasen werden. Es müsse erlaubt sein, auf mögliche Gefahren hinzuweisen. Wunder ist überzeugt, die Auswirkungen der Flüchtlingspolitik würden erst in fünf bis zehn Jahren deutlich. Er sieht den sozialen Frieden in Gefahr - dann nämlich, wenn es im Sozialsystem zu Engpässen komme. Dann seien gesellschaftliche, aber auch religiöse Auseinandersetzungen denkbar, die nicht zuletzt radikalen Kräften in die Karten spielen könnten. "Davor habe ich Angst", gibt der Steinwiesener Bürgermeister ein gewisses Unbehagen unumwunden zu. Und genau dieses spiegele sich auch in zahlreichen Gesprächen mit Bürgern wider. Die Grenzen unkontrolliert zu öffnen, sei von Angela Merkel ein großer Fehler gewesen. "Das Schlimme daran ist ja, die Politik hatte keinen Plan", bringt Wunder sein Unverständnis zum Ausdruck. Aus seiner Sicht ist die Situation nun fast nicht mehr zu beherrschen. Wichtig sei es, den Flüchtlingsstrom zu begrenzen, weil nur dann ein dauerhafter und vor allem auch menschenwürdiger Umgang mit den Flüchtlingen möglich sei.

Grundsätzlich müsse auch eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge auf ganz Europa erfolgen. Dass dies bislang nicht der Fall war, ist für Wunder ein Beleg dafür sei, dass Europa aktuell nicht richtig funktioniere: "Das stimmt mich nachdenklich." Aus seiner Sicht stehen auch die Amerikaner in der Verantwortung, seien sie doch mitverantwortlich für die Lage in Krisenländern wie Syrien. Eines ist für Wunder jedenfalls klar: "Wir brauchen Unterstützung. Alleine schaffen wir das nicht. Ich befürchte, wir gehen schweren Zeiten entgegen."

Ob es von der Bundeskanzlerin ein Fehler war, die Grenzen zu öffnen, will der Ludwigsstadter Bürgermeister Timo Ehrhardt (SPD) nicht bewerten. Seiner Ansicht nach stünden die Chancen im Vordergrund. Ziel müsse es sein, die Flüchtlinge schnellstmöglich zu integrieren. Dafür schaffe die Bundesregierung gerade die Voraussetzungen. Vor Ort in Ludwigsstadt begegne man der Thematik mit großem ehrenamtlichen Engagement. Dafür ist er dankbar: "Wir haben bei uns keine Gesellschaft, die dagegen ist. Das macht es leichter, Leute aufzunehmen."


Zuversicht vermitteln

Grundsätzlich müssten den Flüchtlingen eine gewisse Zuversicht vermittelt und zugleich Möglichkeiten aufgezeigt werden, um schnell ihr eigenes Geld verdienen zu können. Ob er diesbezüglich eine Bereitschaft verspürt, beantwortet Ehrhardt mit "überwiegend ja". Der Ludwigsstadter sieht viele positive Ansätze in der Politik, betont aber auch, dass am Ende die Gesamtbilanz stimmen müsse und niemand benachteiligt werden dürfe. Welche Auswirkungen die aktuelle Flüchtlingssituation insgesamt haben werde, vermag Ehrhardt aus heutiger Sicht nicht zu sagen.

Kronachs Bürgermeister Wolfgang Beiergrößlein (FW) hilft, wo er nur helfen kann, wie er selbst sagt. Der Flüchtlingsstrom biete Chancen, berge aber mindestens genau so viele Risiken. Aus seiner Sicht müssen die Asylverfahren dringend beschleunigt werden. Als Beispiel für bisherige Missstände bei der Abschiebung nennt Beiergrößlein eine Familie aus Armenien, die in Kronach lebt und jetzt nach viereinhalb Jahren abgeschoben werden soll - obwohl ein Integrationsprozess bereits eingesetzt hat. "Das ist unmenschlich", gibt Beiergrößlein zu bedenken.


"Nicht jeder will arbeiten"

Besonders am Herzen liegen ihm Flüchtlinge unter 18 Jahren. Deshalb setzt er sich auch dafür ein, im ehemaligen Spital neben den bestehenden zwei Wohngruppen eine dritte mit unterzubekommen. Darüber hinaus versuche er, Arbeitsplätze zu vermitteln. Dabei sei er von Asylbewerbern aber auch schon enttäuscht worden: "Nicht jeder will arbeiten."

Kronachs Bürgermeister sieht in der bevorstehenden Integration eine Mammutaufgabe. Um diese nicht zu gefährden, sei eine Begrenzung des Flüchtlingsstroms unabdingbar. "Wir können nicht alle aufnehmen", erklärt Beiergrößlein, der glaubt, Merkel sei ihrem Herzen gefolgt, als sie Grenzen geöffnet habe. Ob sie sich in diesem Moment tatsächlich der Folgen bewusst gewesen sei, bezweifelt er. Auch Beiergrößlein wundert sich über die Milliarden von Euro, die plötzlich zur Verfügung stehen. "Das wird Auswirkungen haben", ist er überzeugt und warnt vor bevorstehenden Kürzungen im System, die letztlich der Bürger zu tragen hat: "Das ist ein gefährliches Spiel. Ich vermute, das wird die Gesellschaft nicht mitmachen." Deshalb rechnet er fast zwangsläufig damit, dass die Bürger bei der nächsten Wahl eine Antwort auf die Flüchtlingspolitik geben könnten.

Dass der soziale Friede in Gefahr ist, glaubt Landrat Oswald Marr (SPD) nicht. Allerdings seien eine gute und umfassende Kommunikation enorm wichtig. Der Landkreis setzt bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise auch auf das "herausragende ehrenamtliche Engagement und die starke Wirtschaft". Dadurch sei eine gute Integrationsarbeit machbar. Außerdem habe der Ministerrat am 9. Oktober ein Sonderprogramm und ein Maßnahmenpaket zur Bewältigung der Flüchtlingskrise beschlossen. "Dieses Paket enthält unter anderem einen deutlichen Stellenzuwachs für den Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums des Innern. Rund 1500 neue Stellen vor allem bei Polizei und zentralen Ausländerbehörden sind geplant. Inwieweit hierbei auch wir in Kronach entlastet werden, ist noch nicht bekannt", erklärt Marr.

Auf die Frage, ob Angela Merkel falsch gehandelt hat, antwortet der Landrat mit einem klaren Nein. "Bei einer so großen Not konnte man situationsbedingt nicht anders reagieren. Man muss bedenken, im Mittelpunkt steht immer der Mensch mit seinem begründeten Wunsch und seinem Recht auf Unversehrtheit seiner Person."