Tonnenweise Samen aus Waldbuch

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Die Samen müssen absolute sortenrein sein, die Vermehrung ist aufwändig, erklärt Landwirt Reinhard Heil. Heil ist auch ein Kämpfer gegen die Gentechnik. Sein Saatgut hat Ökoqualität. Foto: Sonja Adam
Die Samen müssen absolute sortenrein sein, die Vermehrung ist aufwändig, erklärt Landwirt Reinhard Heil. Heil ist auch ein Kämpfer gegen die Gentechnik. Sein Saatgut hat Ökoqualität.  Foto: Sonja Adam
Reinhard Heil aus Waldbuch hat sich auf Saatgut-Vermehrung spezialisiert - eine immer seltener werdende Sparte der Landwirtschaft, sogar Grassamen vermehrt er. Foto: Sonja Adam
Reinhard Heil aus Waldbuch hat sich auf Saatgut-Vermehrung spezialisiert - eine immer seltener werdende Sparte der Landwirtschaft, sogar Grassamen vermehrt er. Foto: Sonja Adam
 
Foto: Sonja Adam
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Reinhard Heil vertreibt sein Saatgut über die Vermarktungsgesellschaft Bio-Bauern mbH, aber auch einige Direktkunden kommen zum Biohof Heil,
Reinhard Heil vertreibt sein Saatgut über die Vermarktungsgesellschaft Bio-Bauern mbH, aber auch einige Direktkunden kommen zum Biohof Heil,
 
4 Das Saatgut wird über den Siebboden gesäubert. Foto: Sonja Adam
4 Das Saatgut wird über den Siebboden gesäubert. Foto: Sonja Adam
 

Wenn Reinhard Heil auf seinem Hof die Felder bestellt, tut er dies nicht, um Tiere zu ernähren oder um Getreide zu verkaufen. Er hat sich auf Saatgutvermehrung spezialisiert. Eine Sparte, die fast verschwunden ist.

Der 67-jährige Reinhard Heil ist nicht einfach nur Landwirt, in ihm steckt ein Kämpfer. Ein Rebell gegen die großen Agro-Chemiekonzerne, die Saatgut entwickeln, auch mit Hilfe von Gentechnik. "Diese Konzerne wollen die Bauern abhängig machen. Die entwickeln das sogenannte Terminator-Saatgut, das nur ein einziges Mal wachsen kann", sagt Heil "Es darf nicht sein, dass die Nahrungsmittelproduktion in den Händen einiger Konzerne ist. Ich sehe da eine riesige Gefahr", sagt der Landwirt.

Heil ist nicht nur aus Überzeugung gegen die Gentechnik, sondern er weiß genau, wovon er spricht. Denn noch in den 50er- Jahren gab es viele Landwirte in der Region, die Saatgut vermehrten. "In Stammbach gab es den Endres, der war ein erfolgreicher Haferzüchter.


"Saatgut zu vermehren ist eine Herausforderung"

In Marktrodach hat die Nordostbayerische Saatgutgesellschaft Roggen vermehrt, das war der legendäre Fichtelgebirgsroggen. Aber auch Weizen und Hafer hatte sie. Es gab viele kleinere Landwirte, die vermehrten. Und in Bamberg gab es sogar einen, der hat Mais gezüchtet", erzählt Heil. Heute ist Reinhard Heil der einzige Landwirt, der noch übrig ist - im gesamten Landkreis Kronach und in Kulmbach.

"Saatgut zu vermehren ist eine Herausforderung. Das hat mir gefallen. Man muss sehr sauber arbeiten, es darf keine Vermischung geben", erklärt Reinhard Heil sein ganz besonderes Geschäftsfeld.

Mit Lohndreschern kann er überhaupt nicht kooperieren. Denn wenn das Saatgut, das er vermehren möchte, soweit ist, dass es gedroschen werden kann, dann muss ein blitz-blank geputzter Mähdrescher ans Werk gehen. Und nach jeder Sorte muss der Mähdrescher wieder gesäubert werden.

"Das ist sehr aufwändig, es dauert mindestens einen Tag, denn alles muss mit Wind ausgeblasen werden", erklärt Heil. Und trotzdem würde Heil niemals eine andere Sparte der Landwirtschaft beackern wollen.

Der Anbau beginnt im Herbst oder im Frühling. Das Saatgut - allerdings nur das qualitativ besonders hochwertige und natürlich auch etwas teuerere Basissaatgut - wird ausgesät. Und dann muss es wachsen. "Bei der Vermehrung ist es wichtig, dass man immer wieder dafür sorgt, dass die positiven angezüchteten Eigenschaften sich nicht verlieren", erklärt Heil das Prinzip.

Doch was so einfach klingt, ist kompliziert. Wenn das Saatgut reif ist, wird es noch auf dem Feld von einer Kommission kontrolliert. Dann erfolgt die Ernte. Das Saatgut wird gedroschen gereinigt. "Es ist wichtig, dass das Saatgut von Beikräutern befreit wird. Man reinigt es mit Wind und mit einem Sieb", erklärt Heil.

Reinheit und Keimfähigkeit

Und dann kommt die Wahrheit ans Licht. Denn auch nach der Ernte werden wieder Proben genommen. Diese Proben müssen dann in Weihenstephan analysiert werden. Es kommt auf Reinheit und Keimfähigkeit an. Und nur wenn alle Faktoren stimmen, darf das Saatgut als zertifiziertes Saatgut in Verkehr gebracht werden.

"Beim Öko-Saatgut ist zusätzlich ein Kalt-Test nötig", erklärt Heil das komplizierte Business. Das bedeutet: Das Saatgut muss auch unter erschwerten Bedingungen keimen. Außerdem wird Ökosaatgut besonders intensiv auf Pilzkrankheiten untersucht. Reinhard Heil hat sich auf die Vermehrung von Sommergerste, Wintergetreide und Wicken spezialisiert. "Eine Spezialität von mir ist außerdem Grassamen", erzählt er.

Aber besonders stolz ist Reinhard Heil auf eine andere Art: auf seine Ackerbohne Herz Freya. "Das ist eine Grobleguminose und ich habe mich dran erinnert, dass die besonders gut gewachsen ist", erzählt Heil. So machte er sich auf die Suche und wurde fündig. Der einstige Züchter war hochbetagt, hatte kein Schutzrecht beantragt. "Dann konnte ich die Herz-Freya-Ackerbohne als Erhaltungszucht wieder anmelden, besitzt jetzt das Sortenrecht.

Seitdem hat Heil die Lizenz zur Erhaltungszucht und Vemehrung. Und er vermehrt die alte Ackerbohnensorte tonnenweise. Leguminosen sind vor allem im Ökolandbau wichtig, aber auch in der herkömmlichen Landwirtschaft. Denn Leguminosen gehen Symbiosen mit stickstoffoxidierenden Bakterien ein und binden den Luftstickstoff. Der Boden wird fruchtbarer, auch für die Nachfrucht.

Auch in den anderen Sparten geht es nicht um kleine Chargen, sondern um tonnenweise Samen. Heil produziert acht Tonnen Grassamen im Jahr, 20 Tonnen Ackerbohnen, 15 bis 210 Tonnen Sommergerste, zwei Tonnen Wicken und 20 Tonnen Wintergetreide. Einige Landwirte holen natürlich die Samen direkt vom Biohof Heil in Waldbuch ab, aber das Gros wird über eine Vermarktungsgesellschaft vertreiben.

Doch kann es eigentlich bei der Samenvermehrung auch Missernten geben? "Ja natürlich", sagt Heil. Wenn die Keimfähigkeit nicht erreicht wird oder wenn Krankheiten das Feld befallen haben, darf der Samen nicht in Verkehr gebracht werden. Der Samen muss rein sein, vor allem darf es keine Vermischung verschiedener Sorten geben. "Aber es ist mir in zehn Jahren vielleicht zwei Mal passiert, dass der Samen kein zertifiziertes Saatgut werden konnte", sagt Heil und ist stolz darauf. Dieses Ergebnis ist ein Beweis für akribische Sauberkeit bei der Ernte, beim Lagern.

Große Abstände einhalten

Insgesamt steht Reinhard Heil eine Vermehrungsfläche von rund drei Hektar zur Verfügung. "Man muss große Abstände einhalten", sagt er. Und ein bisschen Angst hat der Vermehrer vor der Zukunft und vor der Offenheit der EU für Gentechnik. "Ich wehre mich gegen gentechnisch veränderte Produkte aller Art. Denn natürlich sagen die großen Konzerne, dass sie das Saatgut toleranter gegen Hitze und lange Trockenzeiten machen, aber dann entwickeln sie das Terminator-Saatgut, das nur ein einziges Mal wächst", warnt Heil vor Naivität.

In Indien ist die Abhängigkeit schon gegeben. Aber auch in Deutschland wäre es für die Landwirte fatal, sich in solche Abhängigkeiten zu begeben. "Die Nahrungsmittelproduktion darf nicht noch weiter in die Hände einiger weniger großer Agro-Chemie-Konzerne kommen", warnt er.

Zweites Standbein Tourismus

Persönlich ist Reinhard Heil mit dem Beginn des Jahres nicht unzufrieden. "Gut, das Frühjahr war eigentlich zu trocken, aber der Regen kam noch rechtzeitig. Ich bin eigentlich guter Hoffnung", sagt der Landwirt.
Sehr gut lasse ich die Vermehrung von Saatgut mit dem Tourismus verknüpfen. Denn Tourismus ist das zweite große Standbein des Biohofs Heil.

Angefangen hat den landwirtschaftlichen Betrieb übrigens Reinhard Heils Großvater. Er hatte Hengsthaltung. Sein Vater war ein Universal-Landwirt mit Schwerpunkt Wald. Und Reinhard Heil mit seiner Frau Roswitha (63) konzentrieren sich auf die Vermehrung von Saatgut und Tourismus.

Tochter Evelyn (43) hat sich durch die Landfrauenküche, durch die Inbetriebnahme einer Salzgrotte und den Ausbau des Tourismus auch schon einen Namen gemacht.