Wiegand-Glas hat in den vergangenen Jahrzehnten große Mengen an Glasflaschen-Transporten über die Schiene abgewickelt. Das könnte sich wegen der Streckensperrung bei Bamberg im kommenden Jahr ändern. Wir zeigen die Probleme auf und haben eine Fotostrecke der Bahnverladung.
Und wieder rollen die großen Gabelstapler mit jeweils zwei Paletten Glasflaschen aus der Halle zum Beladegleis, verstauen die Fracht in Eisenbahnwaggons. In wenigen Minuten ist ein Waggon voll, 26 Paletten sind drin, so viel, wie ein Lastzug transportieren könnte. Der nächste von insgesamt 41 Waggons wird befüllt.
Mehrere Güterzüge pro Woche wurden von Wiegand-Glas in den vergangenen Jahren vom Steinbacher Bahnhof aus auf eine zwischen 468 und 591 Kilometer lange Reise geschickt. Am Beladegleis neben den Firmengebäuden könnte es in den ersten drei Quartalen dieses Jahres ruhig werden, denn die Bahnlinie zwischen Lichtenfels und Bamberg ist 34 Wochen lang nicht befahrbar. Die Bahn sperrt die Strecke wegen der Bauarbeiten für die ICE-Neubautrasse Nürnberg-Erfurt. Da können auch die Güterzüge aus
Steinbach am Wald nicht Richtung Süden rollen, müssten über Saalfeld, Naumburg und Fulda fahren.
Und für diesen Umweg von einfach 165 Kilometern, für den Wiegand-Glas nichts kann, soll das Unternehmen zur Kasse gebeten werden. Denn abgerechnet wird nach Trassenkilometern, sowohl bei DB Schenker Rail, als auch bei den privaten Eisebahnverkehrsunternehmen, wenn sie Transportleistung auf der Schiene erbringen.
Der Umweg ist deshalb so groß, weil es zwischen Saalfeld und Weimar keine Elektrifizierung gibt. "Deshalb müssen wir ein logistisches Dreieck bis in die Gegend von Naumburg fahren", blickt Geschäftsführer Andreas Roseneck von Wiegand-Logistik voraus. Er muss davon ausgehen, dass Transporte im Jahr 2016 von der Schiene auf die Straße verlagert werden müssen, denn ein Schienentransport wäre viel zu teuer. Schon jetzt ist der Versand per Eisenbahn nicht günstiger als auf der Straße, Wiegand-Glas setzt aus ökologischen Gründen auf die Schiene und auch, um die viel befahrenen Straßen zu entlasten.
Eine ganze Menge zusätzlicher Laster, pro Zug 41 Stück, würde im Jahr 2016 in Steinbach am Wald starten, wenn der Schienentransport nicht mehr möglich wäre. Zum Vergleich: Im Jahr 2014 fuhren 30 Züge von Steinbach aus ins 591 Kilometer entfernte Champigneulles in der Nähe von Metz, direkt zu einer Brauerei mit Gleisanschluss. 18 Züge rollten jeweils 507 Kilometer nach Eh rang bei Trier, 37 Züge ins 468 Kilometer entfernte Kehl bei Straßburg. Von Ehrang und Kehl aus wurden die Glasflaschen die letzten Kilometer zu den Kunden in der Saar-Mosel-Region und im südlichen Frankreich per Lkw gebracht. "Das heißt, wir haben lange Hauptläufe auf der Schiene, kurze Nachläufe auf der Straße", informiert Andreas Roseneck.
"Abwehrangebote"
2015 gab es wegen des Lokführerstreiks weniger Schienentransporte, für das Jahr 2016 war von Wiegand-Glas wieder eine Zahl von Zügen ähnlich der in den Jahren 2014 und vorher vorgesehen. Wenn das nicht zu Stande kommt, dann hat Markus Schulz eine Menge mehr Arbeit. Der ist Leiter Spedition und muss nicht nur die 48 firmeneigenen Lastzüge auf die Reise schicken, sondern bucht auch von Partnerfirmen aus der Region eine ganze Menge an Transportkapazität zu.
Logistik-Geschäftsführer Roseneck gewinnt immer mehr den Eindruck, dass für den Transport auf der Schiene vom Marktführer so genannte "Abwehrangebote" unterbreitet werden, das heißt, die Offerten sind so gestrickt, dass man sie gar nicht annehmen kann.
Bei langen Strecken ideal
Wiegand-Geschäftsführer Nikolaus Wiegand favorisiert effektive Schienenlösungen. "Auch im Jahr 2016 verfügen wir über Bahn affine Relationen", weiß er, befürchtet aber, dass sein Unternehmen die Eisenbahn wahrscheinlich nicht nutzen kann, weil das ganz einfach viel zu teuer wäre. Gerade bei langen Strecken würde der Bahntransport Sinn machen, meint Wiegand. Er hatte weitere Pläne, die nicht weiterverfolgt werden konnten, weil die Bahn nicht mitmachte. Nikolaus Wiegand wollte in Steinbach am Wald ein Güterverkehrszentrum bauen, das auch andere frühere Bahnverlader hätten nutzen können.
Hier hätte es zahlreiche Optionen gegeben, von der Beiladung über die Rückbefrachtung der im Rundlauf verkehrenden Einheiten bis hin zu eigenen Lösungen, die über dieses Logistikzentrum hätten abgewickelt werden können.
Auch wenn er in den ersten 34 Wochen des Jahres 2016 keine Züge mit Glasflaschen auf die lange Reise schicken kann, für den Gleisanschluss wird er dennoch zahlen müssen. Das tut er auch, denn wenn die Güterzüge aus Steinbach am Wald keine Umwege mehr hinnehmen müssen, dann werden sie von Wiegand-Glas wieder auf die etwa 500 Kilometer lange Reise in Richtung Südwesten und Westen geschickt.
Früher gab es eine Menge Bahnverladung im Kreis Kronach. Viele Firmen nutzten die Möglichkeit, auch einzelne Waggons mit Gütern über die Schiene zu transportieren. Entweder wurden Rohstoffe oder Maschinen angeliefert oder fertige Produkte per Bahn versandt.
Doch im Laufe der Jahrzehnte wurden die Ladegleise - besonders in den Bahnhöfen Kronach und Pressig - zurückgebaut. Jetzt hat nur noch Wiegand-Glas ein eigenes Ladegleis in Steinbach am Wald. Im Kronacher Bahnhof wird ab und zu Holz verladen. Das ist alles.
Gleise abgebaut
Nicht nur entlang der Hauptbahnlinie wurden eifrig Güterwaggons rangiert, auch auf der Nebenbahn nach Nordhalben herrschte auch noch nach der Einstellung des Personenverkehrs reger Güterverkehr. Doch diese Nebenbahn wurde immer weiter verkürzt, zuletzt verlief sie nur noch bis Höfles. Als dann Loewe und die BayWa den Güterverkehr von der Schiene auf die Straße verlagerten, wurde auch dieses Gleis dicht gemacht und abgebaut.
Der Culemeyer-Transport
Die Tettauer Glasindustrie wurde auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg von Pressig aus auf der Schiene mit
Rohstoffen beliefert. Als die DDR die Bahnlinie, die über Heinersdorf nach Schauberg und Tettau verlief, 1952 kappte, übernahm der legendäre Culemeyer-Straßenroller bis 1996 von Steinbach am Wald nach Tettau die Versorgung mit Rohstoffen. Jeder Eisenbahnwaggon wurde einzeln auf einem speziellen Straßen-Tieflader, der nach seinem Erfinder, dem Reichsbahndirektor Johann Culemeyer (1883-1951) benannt wurde, verzurrt. Später wurden diese Rohstoffe auf der Schiene bis zum Bahnhof Pressig transportiert und dort auf die Straße umgeladen.
Wela erhielt die Salzsäure zum Reinigen der Produktionsanlagen früher per Kesselwaggon nach Ludwigsstadt. Das Hartsteinwerk Reichenbecher & Rentsch hatte einen großen Schottersilo im Bahnhof Ludwigsstadt. Von dem aus wurden Waggons befüllt, die direkt zum Abnehmer rollten, weil sehr viel Schotter zum Gleisbau verwendet wurde.