Am 7. Juni ist Tag der Organspende. Wir haben mit dem Internisten und Nephrologen Michael Heckel über das Thema gesprochen.
Nach repräsentativen Erhebungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus dem letzten Jahr stehen 78 Prozent der Befragten einer Organspende positiv gegenüber. Zur Organspende nach dem eigenen Tod wären generell 68 Prozent der Menschen bereit. Doch die Realität ist anders: Denn nur 28 Prozent der Deutschen haben ihre Entscheidung für oder gegen eine Organspende auch tatsächlich in einem Organspendeausweis dokumentiert.
Wie viel Organe würden jährlich gebraucht - und wie viele werden transplantiert? Michael Heckel: Die meisten Patienten warten derzeit auf eine Niere. Um diese alle transplantieren zu können, würden zunächst einmal 8000 Nieren gebraucht. Hinzu kämen mindestens 3000 Nieren pro Jahr für diejenigen, die neu zur Transplantation angemeldet werden.
Tatsächlich wurden im letzten Jahr in Deutschland 2272 Nieren transplantiert, davon 1547 von verstorbenen Organspendern. Für die anderen Organe sind die Zahlen zwar geringer, das Missverhältnis besteht aber auch dort.
Welche Organe können denn gespendet werden?Das sind eben die Nieren, die Leber, das Herz, die Lunge, die Bauchspeicheldrüse und in seltenen Fällen Teile des Dünndarmes."
Kann eigentlich jeder Mensch Organe spenden - und was sind die Voraussetzungen? Müssen sich Menschen zu Lebzeiten untersuchen lassen?Voraussetzung für eine sogenannte postmortale Organspende ist, dass man aufgrund eines Unfalls oder einer Erkrankung eine schwere Gehirnschädigung erlitten hat und auf einer Intensivstation behandelt und künstlich beatmet wird.
Sollte dort im Verlauf trotz aller medizinischer Behandlungen die Gesamtfunktion des Gehirns unwiederbringlich erlöschen, wird der sogenannte Hirntod diagnostiziert. Dieser ist unabdingbare Voraussetzung für eine Organspende.
Eine weitere Voraussetzung ist eine gültige Einwilligung zur Organentnahme, entweder durch einen Organspendeausweis oder, falls es keinen gibt, durch die Angehörigen. Ob Hinderungsgründe wie beispielsweise Tumorleiden oder übertragbare Erkrankungen vorliegen, wird erst dann geklärt. Zu Lebzeiten muss man sich deshalb nicht extra untersuchen lassen.
Ab wie viel Jahren können Organe gespendet werden?Für Organspender gibt es prinzipiell keine Altersgrenzen, weder nach unten noch nach oben. Das heißt, es kommen auch Kinder und Senioren in Frage.
Schritt eins, ist immer ein Organspendeausweis.
Wie beantrage ich den - und wie geht es dann weiter?Organspendeausweise liegen. in Arztpraxen und Kliniken sowie den Geschäftsstellen der Krankenkassen aus. Man kann ihn sich aber auch aus dem Internet herunterladen (www.dso.de), oder Sie besuchen am 7. Juni, dem Tag der Organspende den Infostand der Selbsthilfegruppe Dialyseverein Kronach e.V. am Marienplatz in Kronach.
Den Organspendeausweis sollten Sie am besten im Geldbeutel oder bei Ihren persönlichen Papieren mit sich führen. Darüber hinaus ist es sinnvoll, mit Angehörigen und gegebenenfalls Freunden über die Existenz des Ausweises zu sprechen, denn nicht immer hat man ja Geldbeutel und Papiere bei sich.
Was tue ich, wenn ich mir die Entscheidung anders überlege?"Dann zerreißen Sie Ihren Organspendeausweis und legen sich einen neuen zu, in dem Sie Ihre Entscheidungen entsprechend ankreuzen.
Was viele nicht wissen: Man kann im Organspendeausweis auch ankreuzen, dass man keine Organe spenden will!
Können auch die Angehörigen gegen eine Organspende einschreiten?Wenn von einem Verstorbenen, der als Organspender in Betracht kommt, keine eigene Willensäußerung beispielsweise in Form eines Organspendeausweises vorliegt, werden die Angehörigen nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen befragt. Wenn auch der mutmaßliche Wille nicht zu ermitteln ist, zählt die Entscheidung der Angehörigen für oder gegen eine Organspende.
Es gibt auch die Möglichkeit von Lebendspenden. Wann kommt die zum Tragen und welche Organe können gespendet werden?Zu Lebzeiten kann man eine Niere, von denen man ja normalerweise zwei hat, oder Teile der Leber spenden.
Die Lebendspende ist in Deutschland gesetzlich nur unter nahen Verwandten oder sich eng nahestehenden Personen erlaubt. Sie kommt dann in Betracht, wenn für einen Kranken kein Organ eines Verstorbenen zur Verfügung steht oder aufgrund der langen Warteliste nicht in absehbarer Zeit zu erwarten ist.
Das Kreislaufsystem von Spendern wird künstlich am Leben gehalten. Das ist immer noch umstritten, denn eigentlich "lebt" der Mensch dann doch noch, oder?"Man muss hier klar unterscheiden zwischen dem menschlichen Leben und dem biologischen Funktionieren von Organsystemen. Die Voraussetzung für eine Organspende ist der zweifelsfrei festgestellte Hirntod. Dies bedeutet, dass die Gesamtfunktion des Gehirns und damit die Fähigkeit zum Wahrnehmen, Fühlen, Denken und Bewusstsein unwiederbringlich erloschen ist, also das, was das Leben als Mensch im ganzheitlichen Sinn ausmacht.
Die Funktion verschiedener Organe wie Herz, Nieren oder Leber kann beim Hirntoten nur durch maschinelle Beatmung und Infusionen, also die künstliche Zufuhr von Sauerstoff, Flüssigkeit und Nährstoffen, eine Zeit lang aufrechterhalten werden. Das bedeutet aber nicht, dass der Mensch noch am Leben ist.
Welche Patienten sind denn eigentlich auf Organe angewiesen. Und welche Organe werden am häufigsten gespendet? Das sind Menschen, deren Organe aufgrund verschiedenster Erkrankungen nicht mehr oder nur noch mit geringer Funktion arbeiten. Bei einem Nierenversagen wird der Körper nicht mehr ausreichend entgiftet und entwässert, zum Weiterleben sind diese Patienten auf die Dialyse oder eben eine Nierentransplantation angewiesen.
Bei einer ausgeprägten Herzschwäche ist die körperliche Leistungsfähigkeit so eingeschränkt, dass die meisten Dinge des Alltags nicht mehr
möglich sind und der Patient überwiegend ruhen muss. Da es nach wie vor kein ,Kunstherz' gibt, welches die Funktion des eigenen Herzens vollständig übernehmen kann, sterben viele dieser Patienten auf der Warteliste, wenn sie nicht rechtzeitig ein Spenderherz bekommen.
Wie hoch ist die Heilungsquote nach einer Transplantation?Das hängt von verschiedenen Faktoren, vor allem von den Begleiterkrankungen des Empfängers, der Qualität des Spenderorgans und auch der Sorgfalt und Mitarbeit des Patienten nach der Transplantation ab. Denn nach einer Transplantation ist man dauerhaft auf Medikamente angewiesen, die verhindern, dass der Körper das fremde Organ abstößt.
Wenn alles gut geht, kann eine transplantierte Niere dreißig und mehr Jahre funktionieren.
Wie funktioniert eigentlich die Warteliste?"Da erheblich mehr Menschen einer Transplantation bedürfen als es Spenderorgane gibt, mussten Regelungen zur Organverteilung gefunden werden. Hier spielen insbesondere die Kriterien Dringlichkeit, Erfolgsaussicht und Wartezeit eine Rolle, je nach Organ aber mit unterschiedlicher Gewichtung. Denn eine Nierentransplantation ist meist nicht dringlich, da der Patient durch die Dialyse ja zumindest weiterleben kann, hier kommt es daher vor allem auf die Wartezeit an.
Bei einem Leberversagen hingegen spielt die Schwere der Erkrankung und damit die Dringlichkeit eine größere Rolle, da es kein technisches Leberersatzverfahren gibt, und die Schwerstkranken ohne Transplantation am ehesten sterben würden.
Und grundsätzlich gilt, dass eine Transplantation umso höhere Erfolgsaussichten hat, je besser die sogenannten Gewebemerkmale zwischen Spender und Empfänger übereinstimmen. Für jedes Organ gibt es spezielle Punktesysteme, mit denen versucht wird, die gespendeten Organe möglichst gerecht zu verteilen. Die Wartelisten für Deutschland und eine Reihe anderer europäischer Länder werden von der Stiftung Eurotransplant im holländischen Leiden geführt.
Wie erklären sie sich die mangelnde Bereitschaft, Organe zu spenden? Allein in Deutschland warten fast 8000 Menschen auf eine Niere, fast 2000 auf eine Leber, rund 1000 auf ein neues Herz...Ich glaube, wir setzen uns einfach ungern mit Themen auseinander, die uns nicht unmittelbar betreffen. Und über unseren eigenen Tod denken wir besonders ungern nach.
Und sicherlich haben die Skandale im vorletzten Jahr zur allgemeinen Verunsicherung beigetragen. Die großen christlichen Kirchen, ebenso wie führende muslimische und jüdische Geistliche, befürworten übrigens ausdrücklich die Organspende als Ausdruck der Nächstenliebe beziehungsweise der Mitmenschlichkeit.
Sind Sie selbst Organspender? "Noch nicht, weil ich ja zum Glück noch am Leben bin. Aber für den Fall, dass ich eines Tages hirntot sein sollte, habe ich einen Organspendeausweis."
Würden Sie eine andere gesetzliche Regelung zur Organspende favorisieren? "Ich halte die im letzten Jahr vom Bundestag beschlossene ,Entscheidungslösung' prinzipiell für gut. Die bisherige Umsetzung der ebenfalls beschlossenen Aufklärung ist aber für halbherzig und ungenügend.
Wenn ich in meinem Bekanntenkreis frage, kann sich nur ein kleiner Teil erinnern, letztes Jahr von seiner Krankenkasse zur Entscheidung für oder gegen eine Organspende und zum Ausfüllen eines Spenderausweises aufgefordert worden zu sein."
Es gibt schon so viele Werbungsaktionen und dennoch fruchten die nichts, woran liegt das - Ihrer Meinung nach?Ich bin eine optimistischer Mensch: ,Steter Tropfen höhlt den Stein!'
Der Dialyseverein Kronach ist am "Tag der Organspende", am 7. Juni, von 10 Uhr bis 15 Uhr mit einem Infostand auf dem Marienplatz in Kronach vertreten.Nähere Informationen unter
www.dialyseverein-kronach.de