Nach Babyleichen-Fund: Wallenfels unter Schock

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Zeichen der Trauer und Anteilnahme: Anwohner haben das Fensterbrett des Hauses, in dem bislang mindestens acht tote Säuglinge gefunden wurden, mit Engeln geschmückt. Foto: Ferdinand Merzbach
Zeichen der Trauer und Anteilnahme: Anwohner haben das Fensterbrett des Hauses, in dem bislang mindestens acht tote Säuglinge gefunden wurden, mit Engeln geschmückt. Foto: Ferdinand Merzbach
Zeichen der Trauer und Anteilnahme: Auch Kuscheltiere, Blumen und Kerzen wurden von Nachbarn hinterlassen. Foto: Ferdinand Merzbach
Zeichen der Trauer und Anteilnahme: Auch Kuscheltiere, Blumen und Kerzen wurden von Nachbarn hinterlassen. Foto: Ferdinand Merzbach
 
Die Wohnwagen des Paares auf dem Campingplatz wurden ebenfalls durchsucht. Dort wurden jedoch keine Leichen gefunden. Fotos: Peter Groscurth / Marco Meißner
Die Wohnwagen des Paares auf dem Campingplatz wurden ebenfalls durchsucht. Dort wurden jedoch keine Leichen gefunden. Fotos: Peter Groscurth / Marco Meißner
 
Vor dem Tatort informierte Oberstaatsanwalt Martin Dippold. Fotos: Peter Groscurth / Marco Meißner
Vor dem Tatort informierte Oberstaatsanwalt Martin Dippold. Fotos: Peter Groscurth / Marco Meißner
 
Die Beamten gingen in Schutzkleidung an den Tatort. Fotos: Peter Groscurth / Marco Meißner
Die Beamten gingen in Schutzkleidung an den Tatort. Fotos: Peter Groscurth / Marco Meißner
 

Die Anwohner können nicht fassen, was sich in dem 2800-Seelen-Ort Wallenfels (Kreis Kronach) abspielt. Blankes Entsetzen herrscht, nachdem die Polizei Überreste von mindestens acht toten Säuglingen in einem Wohnhaus gefunden hat. Für die verschwundene Mutter gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.

Vor dem Kulturzentrum wimmelt es am Freitagvormittag nur so. Journalisten, Tontechniker, Fotografen, Kameraleute - rund zwei Dutzend Medienvertreter bauen sich vor einem Haus in der Jakob-Degen-Straße auf. Die Wallenfelser selbst sind hingegen so gut wie gar nicht zu finden. Die langgezogene Ortsdurchfahrt mutet an wie der Blick in eine Geisterstadt. Die Bürger sind geschockt von einer Tat, die sich völlig unbemerkt inmitten ihres Städtchens ereignet hat.

Während Oberstaatsanwalt Martin Dippold beginnt, über sieben Kinderleichen in einem Haus auf der anderen Straßenseite zu reden - später wurde die Zahl noch auf acht korrigiert -, beschränken sich die vereinzelten Passanten auf ungläubiges Kopfschütteln. Den meisten fehlen die Worte. Wer sich äußert, ist entsetzt über die Geschehnisse, aber auch darüber, dass sie offenbar völlig unbemerkt blieben. "Es ist ein Schock", stellt ein Wallenfelser fest. "In der Großstadt ja, aber bei uns auf dem Land, damit rechnet doch keiner. Hier kennt man ja die Leute."
 


Wallenfelser sind tief betroffen

Nicht nur auf den Straßen, sondern auch in den Geschäften ist zu spüren, dass die Einwohner tief betroffen sind. Dort bekommt man zu hören, dass schon wenigstens seit einer Stunde vor der Pressekonferenz kein Kunde mehr aufgetaucht sei. "Wir haben ja schon viel erlebt, aber das ... Das ist Wahnsinn", versucht eine Frau diese Situation zu erklären. Und ein Mann daneben ist völlig fassungslos. "Das sind nur 80 Meter von hier. Mitten in der Stadt."



Immer mehr schreckliche Details traten im Laufe des Freitags ans Tageslicht. Mit jeder Einzelheit wurde es nicht besser - im Gegenteil. Bürgermeister Jens Korn erfasste das gleiche blanke Entsetzen wie seine Wallenfelser. "Bei uns im Ort herrschen Trauer und Fassungslosigkeit über das, was ganz offensichtlich geschehen ist. Wallenfels ist eine kleine Gemeinde. Wir sind ein Ort, in dem jeder jeden kennt und in dem jeder jedem auch hilft."

Viele Bürger würden sich nun die Frage stellen, ob man das hätte verhindern können, ob man hätte helfen können. Korn geht auch auf die Situation für Wallenfels und die Bürger vor Ort ein: "Es ist für die Menschen schon schwierig. Wallenfels ist ein kleiner Ort und auch ein Stück heile Welt. In diese heile Welt ist jetzt dieses Ereignis eingebrochen und da sind schon viele Leute da, die betroffen und traurig sind. Wir werden in den nächsten Tagen schauen, wie wir da auch als Stadt Wallenfels helfen können."
 


"Das sind doch keine Unrechten"

Verwundert über die gesamte Situation zeigte sich bereits am späten Donnerstagabend eine Nachbarin. "Ich habe von der ganzen Sache überhaupt nichts mitbekommen. Als ich aus dem Haus ging, war hier plötzlich ein Riesen-Auflauf", spricht sie die vielen Einsatzkräfte an, die sich am und im Haus eingefunden hatten. Dass tote Säuglinge gefunden wurden, will sie erst gar nicht glauben: "Das sind doch keine Unrechten", wirft sie einen Blick auf ihre Nachbarn.
  Deren familiäre Situation ist komplex. Demnach waren der 55-Jährige und seine Frau, beide aus Wallenfels, schon vorher mit anderen Partnern verheiratet. Beide brachten bereits jeweils zwei Kinder in die neue Beziehung mit ein, aus der schließlich drei gemeinsame Kinder hervorgingen - darunter Zwillinge. Vor einigen Wochen soll sich der Mann von seiner Ehefrau getrennt haben. Dass es in der Ehe gekriselt hat, ist ein offenes Geheimnis.

Beide sind in Wallenfels stark verwurzelt. Während der Mann sich unter anderem in der Wasserwacht ehrenamtlich engagierte, half die Frau im Sommer oft im Verkauf des Kiosks im Wallenfelser Schwimmbad. Dementsprechend hatte Bademeister Dieter Gräf häufig mit ihr zu tun: "Sie hat oft bedient, war freundlich und konnte es auch gut mit den Kindern." Anzeichen einer Depression oder Ähnliches habe es nie gegeben. Und so wundert sich Gräf umso mehr: "So etwas hätte ich ihr nie zugetraut."
 


Für die verschwundene Frau die Unschuldsvermutung

Dieter Gräf ist außerdem zuständig für den Zeltplatz, auf dem die Familie zwei inzwischen heruntergekommene Wohnwagen stehen hat. Gestern gab es schließlich Befürchtungen, auch dort könnte ein weiterer Leichenfund gemacht werden. Gräf erinnerte sich nämlich an die Aussage eines Zeltplatzbesuchers vom vergangenen Sommer, die lautete: "Dort kann man ja nicht vorbeilaufen, so wie das stinkt." Doch dieser Verdacht bestätigte sich letztlich nicht.

Natürlich gilt für die verschwundene Frau die Unschuldsvermutung. Doch die Anzeichen scheinen eine deutliche Sprache zu sprechen. Und welche Rolle ihr Mann in diesem Drama gespielt hat, das werden die Polizisten versuchen, in Gesprächen herauszufinden.