Bei der Baur-Group sind Nachnamen zweitrangig: Mit dem "Kulturwandel" der Firma wurde 2016 das Duzen eingeführt. Die Teilnehmer des Kronacher IZK-Unternehmerfrühstücks waren bei so viel sprachlicher Kollegialität skeptisch.
Als Herr Doktor Hillebrand plötzlich zu Rainer wurde, war der Schock groß. Am 18. Juni 2016 verschickte der Vorstand der Baur-Group eine interne Rundmail: Ab sofort sollten sich seine rund 4000 Mitarbeiter duzen, vom Praktikanten bis zum Geschäftsführer und auf freiwilliger Basis.
Mancher Kollege bringe die zwei Buchstaben bis heute nicht über die Lippen, sagte Markenmanager Florian Hafermann-Josephus. Gemeinsam mit PR-Referent Stefan Gagel erklärte er den Teilnehmern des jährlichen Unternehmerfrühstücks des Innovations-Zentrums Kronach (IZK), wie die kumpelhafte Anrede ihres Chefs das Unternehmen dennoch verändert habe.
IZK-Vortrag: Duzen erleichtert die Arbeit
Fast zwei Jahre dauerte es, bis sich das Baur-Team ans Duzen gewöhnt hatte. Die Kollegen beim Vornamen zu nennen, habe allerdings Vorteile: "Wir tun uns leichter, uns bei Kleinigkeiten abzusprechen", erzählte Florian Hafermann-Josephus. "Jetzt können wir bei anderen Abteilungen ganz unverblümt etwas nachfragen." Der formelle Weg über höfliche "Sies" habe zu viel Zeit in Anspruch genommen. Ein persönliches "Du" verringere die Hemmschwelle, auf Vorgesetzte zuzugehen, bei denen man vorher mit eingezogenem Kopf herumgedruckst hätte. Bei der Baur-Group werde sogar im Bewerbungsgespräch geduzt. Das nehme den Druck aus der stressigen Situation.
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Matthias Rebhan vom Kronacher Werkzeugbau schien noch nicht überzeugt: "Stellt ihr euch den Kollegen nur mit Vornamen vor? Ein Nachname dient doch zur Differenzierung!" Bei mehreren Stefanies oder Christians im Unternehmen habe das Duzen tatsächlich schon zu Problemen geführt. Die Lösung sei ein gut gepflegter Mailverteiler mit ausführlichen Namen und Abteilungszuständigkeiten.
Du oder Sie: Mit dem Chef auf Kuschelkurs
Kristina Hofmann ist Geschäftsführerin der Marktrodacher Textilienfirma "Delfingen" - und hat bei Kollegen schon Du-Sie-Verwirrung ausgelöst. An einem der Unternehmensstandorte duze sie ihre Kollegen, am anderen nutze sie das formale Sie - Verwechslungen nicht ausgeschlossen. Das Thema des Vortrags habe sie zunächst skeptisch gesehen: "Eine Mail des Chefs soll genügen und schon sind alle im Unternehmen auf Kuschelkurs?", sagte Hofmann. "Ich habe jetzt aber verstanden, dass es ein langwieriger Prozess ist." Ob Mitarbeiter in Führungspositionen, die bereits jahrelang an ihrer Karriere gefeilt haben, plötzlich geduzt werden möchten, bezweifle sie aber.