Mehr Konkurrenz? Aber gerne!

3 Min
Seit 1968 verkauft Ingrid Nadler zusammen mit ihrem Mann Dieter vor allem Kerzen. Gegründet wurde ihr Geschäft "Kerzenhaus Nadler" jedoch Ende des 19. Jahrhunderts als Kolonialwarenladen. Foto: Marian Hamacher
Seit 1968 verkauft Ingrid Nadler zusammen mit ihrem Mann Dieter vor allem Kerzen. Gegründet wurde ihr Geschäft "Kerzenhaus Nadler" jedoch Ende des 19. Jahrhunderts als Kolonialwarenladen. Foto: Marian Hamacher

In zwei Jahren feiert das Kronacher "Kerzenhaus Nadler" sein 150-jähriges Bestehen. Doch gegründet wurde es 1868 mit einem gänzlich anderen Konzept.

Der Name trügt. "Drogerie Nadler" leuchtet es in großen Buchstaben über dem traditionsreichen Geschäft in der Kronacher Klosterstraße. Doch Kosmetik, Tinkturen, Gewürze oder Öle gehen schon lange nicht mehr über die Ladentheke. "Das Schild ist so schön, das haben wir einfach drangelassen. Das beleuchtet abends auch so nett die Straße", erzählt Ingrid Nadler und lacht.

Doch selbst wenn kein zweites Logo an der Schaufensterscheibe kleben würde, wüssten Kunden wohl auch so, was auf den rund 120 Quadratmetern zu finden ist: Rosenkränze, Gebetsbücher, Trauerkarten - und Kerzen. Natürlich. Schließlich ist seit Mitte der 70er Jahre der Name Programm: "Kerzenhaus Nadler".


Eine richtige Entscheidung

Doch zu riechen ist kaum etwas, lediglich zu erahnen, dass sich auch einige Duftkerzen im Sortiment befinden müssen. "Wir legen Wert auf gute Qualität", sagt Ingrid Nadler. "Und gute Kerzen haben keinen Eigengeruch und rußen nicht." Da seien auch große Baumärkte oder schwedische Möbelhausketten keine Bedrohung. "Wenn Kunden einmal mit billiger Ware eingegangen sind, wollen sie Qualität", sagt die 76-Jährige.

Es sei damals die absolut richtige Entscheidung gewesen, sich vom alten Konzept zu verabschieden, sagt Dieter Nadler - dem das Geschäft offiziell gehört. Denn gegründet wurde es 1868 von seinem Ur-Großvater Andreas - einem gelernten Drogisten - als Kolonialwarenladen und befindet sich seitdem in Familienbesitz. "Neben einfachen Lebensmitteln und Gewürzen, die die Leute nach den damals noch üblichen Hausschlachtungen zum Verarbeiten brauchten, haben wir auch sehr viel Petroleum für die Lampen verkauft", erzählt Dieter Nadler. "Das habe ich gegen Ende der 40er Jahre noch selbst erlebt." Zur Zeit der Eröffnung war die erste Glühbirne erst knapp 20 Jahre auf dem Markt und noch nicht weit verbreitet.

Doch mit einem ähnlichen Produktangebot wie zur Zeit seines Großvaters oder als Lebensmittelladen, wie ihn seine Mutter nach dem Tod des im Zweiten Weltkrieg gefallenen Vaters führte, würde das Geschäft in zwei Jahren wohl nicht sein 150-jähriges Bestehen feiern. Da ist sich das Ehepaar sicher. "Schlecker hatte damals alle Preise unterboten, da konnte man einfach nicht mithalten", erinnert sich der 74-Jährige an den Start des einstigen Drogerie-Riesen 1975. Seit der Insolvenz vor vier Jahren ist Schlecker von der Einzelhandels-Landkarte verschwunden - ebenso wie einige Läden in der Klosterstraße.

Inzwischen ist das Kerzenhaus dort eines der letzten Geschäfte. Jahr für Jahr beobachteten Ingrid und Dieter Nadler, wie eines nach dem anderen aufgab. "Da muss man den jungen Mann bewundern, der jetzt die Bäckerei Oesterlein übernommen hat", sagt Dieter Nadler. "Gerade in der heutigen Zeit." Es sei schön, dass ein anderes traditionsreiches Geschäft mit einem guten Namen auch weiterhin bestehe. Er wünsche sich liebend gerne mehr Konkurrenz - jedenfalls sofern diese aus dem Einzelhandel kommt und sich in unmittelbarer Nähe befindet. "Dann hätten die Leute einen Grund mehr, wieder verstärkt hier in der Gegend einzukaufen", betont er. Als etwa der Orthopäde Dr. Franz-Michael Geißler noch zur Nachbarschaft zählte, seien während der Wartezeit immer wieder Patienten vorbeigekommen, um etwa eine Zeitung zu kaufen. "Das war ein großer Verlust für die Klosterstraße, als er aufgehört hat", sagt Dieter Nadler. Die Laufkundschaft sei seitdem spürbar zurückgegangen.


Kunden im gesamten Landkreis

Existenzangst ist den Nadlers dennoch ein Fremdwort. Kunden gibt es nach wie vor. "Die kommen aus dem gesamten Landkreis sowie aus dem Coburger und Sonneberger Raum", ergänzt seine Frau. Auch, weil es im Umkreis kein Fachgeschäft für Kerzen gebe. "Wo kriegt man die denn sonst noch?", fragt Stammkundin Katharina Nenninger fast bestätigend. "Ich habe eine spezielle Kerze gesucht, hier habe ich sie gefunden."

So sehr sich Dieter Nadler über Konkurrenz in der Nachbarschaft freuen würde, ärgert er sich über die aus dem Internet. An der Sache mit dem Segen und dem Fluch zugleich sei schon etwas dran. Dass das 150. Geschäftsjubiläum keine betriebswirtschaftliche Utopie ist, liegt auch an den jahrelang aufgebauten Kontakten: Von 1965 bis 1997 stand der kontaktfreudige Kronacher täglich hinter der Theke des Krankenhaus-Kiosks. "Gerade dadurch sind wir wohl im ganzen Landkreis bekannt, und wer damals im Kiosk einkaufte, kommt auch heute noch zu uns", vermutet er.


Veränderte Geschäftslandschaft

Mit der Zeit, als er nach seiner Ausbildung zum Drogisten in Coburg wieder in den elterlichen Betrieb zurückkehrte und zusammen mit seiner Mutter führte, sei die Stadt längst nicht mehr zu vergleichen. Gerade bezogen auf den Einzelhandel. Haupteinkaufsgegend war damals noch die Obere Stadt. "Wieviele Schuhgeschäfte gab es da damals allein?", fragt er seine Frau. "Vier", antwortet sie nach kurzem Durchzählen. "Und genausoviele Textilläden."

Wie lange wollen beide denn selbst noch weitermachen? In Rente gehen könnte das Ehepaar schließlich seit rund einem Jahrzehnt. "Ach, solange es uns noch Spaß macht", meint Ingrid Nadler. "Und solange wir gesund bleiben und die Kunden kommen", ergänzt ihr Mann.