In den letzten Monaten häuften sich die Meldungen von gestohlenen Reifen. Ein 49-jähriger Kronacher stand nun deswegen vorm Amtsgericht Kronach.
Das Klackern der Fußkette ist schon lange zuhören, bevor der 49-jährige Angeklagte überhaupt den Verhandlungssaal im ersten Stock des Kronacher Amtsgerichts erreicht hat. Begleitet wird er von zwei Polizisten und seinem Rechtsanwalt Jan Pinkes. Bereits seit Januar dieses Jahres sitzt der Angeklagte in Untersuchungshaft in der Kronacher Justizvollzugsanstalt (JVA).
Die Anklageschrift, die Staatsanwalt Michael Imhof vorliest, hat es in sich: In drei Fällen soll der Angeklagte Pkw-Reifen aus einem Autohaus im Landkreis Lichtenfels entwendet haben. Erster Vorfall dieser Art in der Nacht vom 6. auf den 7. November 2015: Der Angeklagte schnitt eine Öffnung in den Zaun und gelangte so von einer etwas abgelegeneren Straße von hinten auf das Gelände an der B 173. Danach soll der 49-Jährige laut Imhof zwei Neufahrzeuge mit Betonpflastersteinen aufgebockt haben, die auf dem Gelände lagen, und schraubte alle Räder ab.
Von einem der Autos soll er sogar die Bremsanlage entfernt haben.
Er bockte zwei weitere Autos auf und klaute deren Hinterräder. Insgesamt soll der Angeklagte in dieser Nacht zwölf Räder und zwei Bremseinheiten geklaut haben. Der Entwendungsschaden belaufe sich auf knapp 6000 Euro und der Sachschaden auf knapp 8600 Euro.
In der Nacht vom 30. November auf den 1. Dezember ein ähnlicher Vorfall. Wieder die gleiche Vorgehensweise, wieder das gleiche Autohaus. Die Bilanz am nächsten Morgen: Acht Räder waren weg. Es entstand ein Entwendungsschaden um die 2800 Euro und ein Sachschaden um die 3400 Euro.
Und die Anklage geht weiter: In der Nacht vom 5. Januar auf den 6. Januar soll der Angeklagte nochmals in das Autohaus eingedrungen sein. Wieder auf die selbe Art und Weise. Dieses Mal ließ er 16 Leichtmetallkompletträder im Gesamtwert von 9000 Euro mitgehen.
Zudem entstand an den vier Autos durch das Aufbocken ein Sachschaden von insgesamt 12 000 Euro. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten daher Diebstahl in sechs Fällen jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung vor.
Der Angeklagte will zu den Anklagepunkten keine Angaben machen. Er übertrug im Vorfeld seinem Anwalt das Wort. "Die Tat von Anfang dieses Jahres gesteht mein Mandant", sagt Pinkes. Und das aus gutem Grund: Denn in der selben Nacht wurde der 49-Jährige bei einer Routinekontrolle von der Autobahnpolizei bei Zwickau angehalten.
Und siehe da: In seinem Transporter fanden die Beamten die gestohlenen Räder. Diese 16 Kompletträder hat das Autohaus daraufhin zurückbekommen. Von den restlichen Rädern fehlt bislang jede Spur.
Zu allen anderen Vorwürfen wolle sein Mandant keine Angaben machen. "Bei den anderen beiden Malen hat man nichts gefunden.
Man kann jetzt zwar vermuten, dass er es war, aber es muss ja nicht sein", sagt der Rechtsanwalt.
Langes Vorstrafenregister
Nachdem der Angeklagte keine Fragen beantwortet, steigt Richterin Claudia Weilmünster in die Beweisaufnahme ein. Als erstes schildert der Senior-Chef des Autohauses nochmal alle Vorfälle. Noch heute kann er kaum glauben, wie jemand alleine so viele Räder klauen kann. "In der kurzen Zeit 16 Räder abschrauben, das ist unwahrscheinlich schnell", sagt er. Nach der Zeugenaussage liest die Richterin das Bundeszentralregister des Angeklagten vor: Zehn Einträge von der Steuerhinterziehung, dem gewerbsmäßigen Einschleusen von Menschen bis hin zum mehrfachen schweren Diebstahl ist alles dabei. Fakten, die nicht gerade für den Angeklagten sprechen.
Als nächstes will Weilmünster die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten abfragen.
"Dazu mache ich keine Angaben", entgegnet dieser. "Wenn ich das jetzt mal anmerken darf", kontert Staatsanwalt Imhof, "Ich dachte sie zeigen sich heute kooperativ. Ich habe hier nämlich nochmal so einen ähnlichen Fall liegen. Dieses Mal war ein Autohaus in Kronach betroffen. An einem Radbolzen haben wir DNA-Spuren gefunden. Was meinen Sie, wem diese gehören?" Der Angeklagte schweigt weiter.
DNA-Spuren auf Bolzen
Spannend wird es nochmal, als der zuständige Polizeihauptkommissar, der in den Fällen ermittelte, in den Zeugenstand tritt. "Von dem Fall Anfang November habe ich damals einen Bolzen untersuchen lassen und mit der DNA des Verdächtigen, dem jetzigen Angeklagten, vergleichen lassen. Treffer", erklärt der Beamte. Damit ist die Beweisaufnahme geschlossen.
Kurz danach teilte die Richterin mit, dass die Anklage des Vorfalls vom 30. November auf den 1. Dezember eingestellt wird.
"Im Hinblick auf die anderen Taten fällt dieser Fall kaum ins Gewicht", erklärt sie.
Weilmünster erteilt dem Staatsanwalt das Wort: "Was soll man sagen? Er hat wieder zugeschlagen", sagt Imhof. Bereits in Deggendorf wurde der Angeklagte für eine ähnliche Sache verurteilt, erzählt der Staatsanwalt. Die Strafe wurde auf Bewährung ausgesetzt. Man habe ihm eine Chance gegeben, die er nicht genutzt hat. "Das ist kein Ladendieb. Das ist wirklich ein Krimineller", sagt Imhof. Er fordert eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten.
Rechtsanwalt Jan Pinkes hingegen sieht für seinen Mandanten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. "Über Bewährung brauchen wir nicht sprechen, das wäre albern", gesteht er. Zudem solle der aktuelle Haftbefehl aufgehoben werden.
Nach zehn Minuten Besprechung waren sich Richterin Claudia Weilmünster und die beiden Schöffen einig: Der Angeklagte ist schuldig in zwei Fällen von Diebstahl in Tateinheit mit Sachbeschädigung. Am Ende läuft es auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten hinaus. Der Haftbefehl bleibe bestehen. Der Angeklagte kann Revision einlegen.