Anette Daum spendete Stammzellen für eine leukämiekranke Amerikanerin aus Wisconsin. Am Donnerstagabend ruft der bekannte Tenor José Carreras im Fernsehen zum Kampf gegen den Blutkrebs auf.
José Carreras, Anette Daum aus Nordhalben und Diana Wisniewski aus Greenville/USA verbindet ein Schicksal - die Blutkrankheit Leukämie. Der davon genesene Startenor lädt am Abend des 13. Dezember in Leipzig zu seiner TV-Gala mit vielen bekannten Gästen ein (zu sehen ab 20.15 Uhr im "Ersten"), um Geldspenden gegen den Blutkrebs zu sammeln und Knochenmarkspender zu finden, die anderen Erkrankten helfen können. Die Nordhalbenerin ist eine solche Stammzellen-Geberin, die der Amerikanerin das Leben rettete.
"Ich konnte helfen und würde es wieder machen!" Die 51-jährige Bankkauffrau Anette Daum hat weder ein besonderes Sendungsbewusstsein, noch ist sie darauf aus, sich im Licht der Öffentlichkeit zu sonnen. Aber wenn sie über "ihre Geschichte" spricht, dann merkt man, dass es ihr ein sehr persönliches Anliegen ist, weitere Spender zu motivieren.
Ihre Blutsschwester 2009 spendete sie Stammzellen einer ihr damals unbekannten leukämiekranken Patientin, die sie mittlerweile kennt und auch schon besucht hat. "Meine Blutsschwester" nennt sie Diana Wisniewski, die Empfängerin, nun. Die Nordhalbenerin hatte sich als junge Frau als potenzielle Knochenmarkspenderin typisieren lassen. Anlass war die publizierte Geschichte eines schwerkranken Jungen aus dem Landkreis Kronach, der dringend einen Spender suchte. Dieser Aktion verdankt die heute 66-jährige Frau aus Wisconsin an der kanadischen Grenze, dass sie überhaupt noch lebt. Rund elf Millionen potenzielle Spender sind weltweit in den Knochenmark-Datenbanken registriert, die miteinander vernetzt sind. Ob sich darin allerdings einer findet, der wirklich geeignet ist, ist nicht gesagt. Es müssen wesentliche Erbgutkriterien deckungsgleich sein und das ist äußerst selten.
So standen die Chancen 1:11 Millionen, wie die Empfängerin heute sagt. Doch sie hatte Glück, großes Glück sogar. Denn im Fall der Spenderin aus dem Frankenwald war es ein hundertprozentiger Treffer, alle entscheidenden Gewebemerkmale stimmten überein, was überaus selten ist - der perfekte "genetische Zwilling".
Kein langes Überlegen Für Anette Daum gab es auch kein langes Überlegen, als überraschend im Februar 2009 die Benachrichtigung vom Spendezentrum "Aktion Knochenmarkspende Bayern" kam, dass sie als Stammzellen-Spenderin gefragt wäre. Dass die Sache für die eigene Gesundheit nicht ungefährlich sein könnte, erfuhr sie im Rahmen der nachfolgenden Untersuchungen. Sie setzte sich mit ihrer Familie zusammen und auch von dort bekam sie sofort Zuspruch und Unterstützung für das Vorhaben. Zur Vorbereitung waren Blutentnahmen, Tests beim Hausarzt sowie umfangreiche Checks beim Spendezentrum erforderlich.
Und auch mit dem Arbeitgeber musste die Sache abgestimmt werden, wobei für sie die variable Arbeitszeit als Teilzeitangestellte von Vorteil war. Die Raiffeisen-Volksbank Kronach-Ludwigsstadt kam ihr sehr entgegen, ebenso unterstützte ihr Hausarzt Ondrej Vorisek das Vorhaben nach besten Kräften. Alle zogen an einem Strang und wollten auch finanziell nicht davon profitieren, wie Anette Daum betont. Denn für alle dafür entstehenden Kosten kommt eigentlich die Spendezentrale, getragen von einer Stiftung, auf. Sie betreut die Spender medizinisch umfassend, hat sogar eine hohe Lebens- und Invaliditätsversicherung für die Klientin aus Nordhalben abgeschlossen.
Eine Woche vor der eigentlichen Stammzellenentnahme musste sie sich zweimal täglich zu Hause selbst ein Medikament spritzen, das die Produktion der Zellen forcieren soll. Das geschieht in der Milz, die daraufhin anschwillt, was durchaus gefährlich werden kann. Die Spende selbst erfolgte dann im Mai 2009 in der Asklepios-Klinik Gauting mittels einer Blutwäschemaschine und erbrachte die erforderliche Anzahl der Zellen. Ansonsten wäre eine Punktion aus dem Beckenkamm erforderlich gewesen, zu der sich die Spenderin verpflichten musste.
Direktflug in die USA Das war erforderlich, weil der Empfängerin parallel dazu die eigenen krankheitsverursachenden Stammzellen zerstört worden waren. Hätte sie die Stammzellen aus Deutschland, die mit einem Direktflug in die USA gebracht wurden, nicht rechtzeitig bekommen, hätte sie sterben müssen. All das war Anette Daum bewusst. Ihr ging es auch nach der mehrstündigen Spendeprozedur gut, bei der sie nur völlig ruhig liegen musste. Sie konnte danach sofort nach Hause.
Es war jedoch nicht das erste Mal, dass die zweifache Mutter mit der lebensbedrohlichen Blutkrebskrankheit konfrontiert wurde. "Mein Vater starb 2004 an genau dem gleichen Leukämietyp wie Diane ihn hatte, nur für ihn gab es keine Hilfe." Trotz weiterer Übereinstimmungen spricht sie nicht von Schicksal, wenn sie in ihren akkurat geführten Unterlagen blättert, mit der sie den ganzen Verlauf der Spendengeschichte dokumentiert hat. Auch ihre ebenfalls blonde "Schwester" in den USA, die jetzt durch die Spende Anette Daums Blutgruppe hat, ist sehr genau und ordnungsliebend, hat sie beim Besuch festgestellt.
Kontaktsperre von zwei Jahren Doch bis zum Kennenlernen verging noch einige Zeit, obwohl beide - Spenderin und genesene Empfängerin - bald den Wunsch hatten, voneinander zu erfahren. Erst nach der üblichen Kontaktsperre von zwei Jahren gab es zunächst noch anonym über die beteiligten Kliniken eine erste Verbindung, die dann jedoch schnell konkret wurde.
Und als die Namen und erste Bilder ausgetauscht waren, kam bald der Wunsch nach dem persönlichen Kennenlernen auf. Anettes Ehemann Bernd, der sie auch bei der mehrtägigen Spendeprozedur begleitet hatte, war von einem Besuch im Nordosten der USA genauso begeistert. Tochter Katrin, die passenderweise Englisch studiert, komplettierte das Team.
Nach einer Besichtigungstour mit dem Leihwagen durchs Land stand der eigentliche Grund der Reise an: Die Familie der Empfängerin hatte die Daums zu sich ins Haus eingeladen, was sie natürlich gern annahmen. Anette klopfte das Herz schon kräftig, als sie nach kurzem Zögern ihre "Schwester" umarmte: "Meine größte Freude war, zu sehen, dass es Diane gut ging, sie wird hoffentlich gesund bleiben." Nach gemeinsamen Ausflügen und Treffen mit Kindern und Enkeln wurde das Verhältnis richtig herzlich, erzählt die Nordhalbenerin.
Zum Abschied bekamen die Gäste von allen Angehörigen der Familie Wisniewski Karten mit guten Wünschen und Dank in jeder Form. Und die Ankündigung, dass das Ehepaar nächstes Jahr Deutschland besuchen will, wobei die Frankenwaldgemeinde Nordhalben das Hauptziel sein soll. Diane Wisniewski hat ihre Geschichte ebenfalls in der Presse ihrer Heimatstadt veröffentlicht. Als Mutmacher für Leidensgenossen und als Aufruf für die Mitmenschen, sich typisieren zu lassen. Dieses Anliegen teilt sie mit José Carreras. Und Anette Daum.