Am 3. November wählen die Tettauer ihr Gemeindeoberhaupt. Sie haben die Wahl zwischen Lydia Müller und Peter Ebertsch. Welche Ziele die beiden für die Rennsteiggemeinde haben, verrieten sie im Redaktionsgespräch.
Am Sonntag, 3. November, wählen die Tettauer ihren Bürgermeister oder ihre Bürgermeisterin. Die vorgezogene Wahl wurde notwendig, weil der bisherige Bürgermeister Hans Kaufmann (SPD) aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten ist.
Vergangene Woche haben wir die beiden Kandidaten Peter Ebertsch (Kandidat der freien Liste "Bündnis für Tettau", CSU-Mitglied) und Lydia Müller (SPD) vorgestellt. Dabei ging es mehr um das Persönliche, beide Kandidaten haben wir bei etwas begleitet, das sie in ihrer Freizeit gerne machen. Diese Woche haben wir sie zu einem Redaktionsgespräch mit Redaktionsleiterin Corinna Igler eingeladen, in dem es um die thematischen Ziele der beiden ging. Und die lauteten: Wirtschaft, Nahversorgung, Infrastruktur und Wohnraum.
Tettau ist von Industrie geprägt.
Ist in der Gemeinde eine Ausweisung von zusätzlichen Industriegebieten nötig oder reicht es, wenn brachliegende Flächen genutzt werden?Lydia Müller: Wer die Industrie und Gewerbetreibende unterstützen möchte, der muss Gewerbeflächen ausweisen, zumal danach gefragt wird. Bestehende Gewerbegebiete anzubieten, funktioniert nicht. Außerdem: Ein Neubau ist günstiger als ein Abriss eines leer stehenden Gebäudes mit anschließendem Neubau. Schon jetzt hat ein Unternehmer in Sonneberg seinen Betrieb errichtet, da er in Tettau nicht die Fläche bekommen hat, die seinen Vorstellungen entsprach.
Peter Ebertsch: Es sollten alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um die bestehenden Ressourcen zu nutzen. Unter Altbürgermeister Alfred Schaden wurde in der Vergangenheit zwischen Kleintettau und Alexanderhütte ein Industriegebiet ausgewiesen.
Hier sind noch Ressourcen vorhanden. Eine Neuausweisung und Erschließung ist mit immensen Kosten verbunden. Bei einem möglichen Baugebiet in der Nähe des Sportplatzes muss man auch die Lage mit berücksichtigen. Es müssten beispielsweise Versorgungsleitungen auf dem Berg angebracht werden. Das ist eine teure Angelegenheit, zudem ist im Winter oftmals mit Schneeverwehungen zu rechnen. Es sollte geprüft werden, ob die Schaffung von Gewerbeflächen durch Abriss von Gebäuden den Investoren nicht vorerst genüge trägt.
Lydia Müller: Im Jahr 2014 fallen Förderungen nach 24 Jahren Grenzöffnung weg. Diese Chance müssen wir nutzen.
Ist es denn vorstellbar, dass sich die Gemeinde - falls ein Interessent vorhanden ist - an den Abrisskosten von leer stehenden Gebäuden beteiligt?Lydia Müller: Ich glaube, dass
kein Interessent kommt, der ein Gebäude erst abreißt und dann investiert, selbst wenn sich die Gemeinde beteiligt. Es ist einfach günstiger, neu zu bauen. Eine Kommune ist wie ein Betrieb, es muss erst investiert werden, bevor was zurückkommt.
Peter Ebertsch: Ich kann mir durchaus vorstellen, Unternehmen, die eine Investition in Erwägung ziehen, beim Abriss zu unterstützen. Zuvor sollte aber eine Kostenanalyse erstellt und in Erfahrung gebracht werden, wie viele Arbeitsplätze mit der Investition verbunden sind. Es muss eruiert werden, ob sich der Aufwand lohnt. In Anbetracht der Haushaltslage sollten Überlegungen bezüglich Vorleistungen dahingehend stattfinden "Was ist, wenn jemand eine Lagerhalle baut und dann keine Gewerbesteuer fließt?" Für mich ist wichtig, den Fokus auf die bestehenden Betriebe zu legen, die der Marktgemeinde in der Vergangenheit die Standorttreue gehalten haben.
Sie sprechen die bestehenden Unternehmen an. Was kann diesen angeboten werden? Etwa Gewerbesteuersenkungen?Peter Ebertsch: Im Vorfeld sollte man nichts ausschließen. Die Gemeinde Steinbach am Wald hat bewiesen, dass dies funktionieren kann.
Lydia Müller: Steinbach hat Wiegand-Glas. Das Unternehmen hat viele Jahre lang Gewerbesteuer an die Gemeinde entrichtet. Dort haben auch vor Beschluss Gespräche zwischen Kommune und Industrie stattgefunden. Grundsätzlich: Wenn man Gewerbesteuer senkt, dann kommen auch Investoren. Wo aber sollen sich diese in Tettau niederlassen? Wir müssen auf die Höhen, wie am Sportplatz ausweichen.
Für Industriebetriebe ist ja auch die Anbindung wichtig.
Was muss bezüglich der Infrastruktur in Tettau passieren?Lydia Müller: Wir brauchen eine adäquate Verkehrsanbindung von Schauberg nach Judenbach. Es ist wichtig - und das können Frauen -, da hartnäckig zu bleiben und Kontakte zu pflegen.
Peter Ebertsch: Nicht nur Frauen können hartnäckig sein. Beharrlichkeit war eine große Stärke von Alfred Schaden. Die Zusammenarbeit mit Thüringen müsste insgesamt vertieft werden, nicht nur bei den Straßen, auch bei Stromtrassen ist dies vorstellbar. Die Beseitigung des desolaten Zustands der Straße Schauberg-Jagdshof ist notwendig, denn innerhalb von 20 Minuten könnten die Tettauer die Autobahn in Rödental erreichen. Zudem ist der Aspekt der Verkehrssicherheit zu beachten. Es kann nicht sein, dass künftig der Schwerlastverkehr weiterhin über den Wildberg den Tettauer Winkel anfährt.
Das ist gefährlich. Wenn da ein Unglück passiert, ist es zu spät. Zudem sollten Verbotsschilder auf Thüringer Seite bei dieser Trasse verstärkt angebracht werden.
Lydia Müller: Auch eine bessere Verbindung über den Höhenweg von Wildberg nach Spechtsbrunn müsse trotz des Grünen Bandes angestrebt werden.
Peter Ebertsch: Problematisch ist auch die Strecke nach Ilmenau. Von Spechtsbrunn aus Richtung Ilmenau ist der Lkw-Begegnungsverkehr lebensbedrohlich. Die Strecke ist kurvig, schmal und bergig. Es kann nicht sein, dass in München der fünfte Tunnel gebaut wird und wir das Nachsehen haben. Das "Heimatministerium" ist in der Pflicht zu handeln.
Lydia Müller: Ich sehe da keine Probleme, wir müssen nur die passenden Konzepte vorlegen.
Wie wollen Sie Tettau attraktiv machen, neue Einwohner hinzugewinnen? Lydia Müller: Wir sind attraktiv. Wir haben eigentlich alles, was wir brauchen. Ärzte, Zahnärzte, Einkaufsmöglichkeiten, Anwalt. Ein Problem ist der nicht vorhandene Wohnraum für junge Leute. Tettau hat 900 Einpendler und da muss es doch möglich sein, den einen oder anderen hier zu behalten. Ich habe da Vorstellungen, wenn diese in Gang kommen, wird sich eine Eigendynamik entwickeln. Gebraucht werden kleinere Wohnungen, egal ob diese durch Sanierungen oder Neubau entstehen.
Peter Ebertsch: Ich könnte mir diesbezüglich die Schaffung einer Interessenskartei vorstellen. Eigentümer von leer stehenden Häusern sollten animiert werden, ihre vom Verfall bedrohten Gebäude zu sanieren, in kleinere Wohnungen aufzuteilen und zu vermieten.
Wenn mehr junge Leute kommen würden, hätte das eventuell eine Steigerung der Immobilienpreise auch zur Folge. Von einem kommunalen Wohnungsbau halte ich nichts.
Können Sie sich vorstellen, dass die Gemeinde - ähnlich wie in Mitwitz mit dem Projekt "Ort schafft Mitte" - Gebäude kauft, saniert und dafür Förderungen erhält?Lydia Müller: Wenn dies möglich wäre, sollten Fördermittel ausgeschöpft werden.
Peter Ebertsch: Das seh' ich ganz genauso.
Lydia Müller: Mit dem Wohnungsbau hat sich die Kommune in den vergangenen Jahren nicht befasst. Sie muss aber einen Beitrag leisten, schließlich ist das auch ein Anteil an der Einkommenssteuer.
Peter Ebertsch: Wenn die Gemeinde 90 Prozent Zuschüsse für den Wohnungsbau bekommt, dann ist ganz klar, dass man sich darum kümmert und in München vorstellig wird. Wohnungen allein reichen aber nicht aus. Es müssen rund herum die Hausaufgaben gemacht werden. Hier in der Region werden High-Tech-Berufe angeboten. Die Frage ist doch, wenn der Mann einen Arbeitsplatz hier in Erwägung zieht, welchen Job seine Frau bekommt, welche Strecke die Kinder für die Erreichbarkeit einer weiter führenden Schule in Kauf nehmen müssen. Es hat sich in den vergangenen Jahren mit Fachoberschule, Tropenhaus und so weiter einiges bewegt. Man muss weiter arbeiten. Vielleicht kann man Räume an weiterführenden Schulen in Kronach für die Beamtenfachhochschule bereit stellen und so eine weiterführende Schule auch im Norden anbieten.
Möglicherweise findet so der ein oder andere Gefallen, seinen Lebensmittelpunkt in der Region zu etablieren.
Lydia Müller: Wir haben alle unsere Kinder nach Kronach geschickt. Positiv ist, dass diese Erfahrung sie hart fürs Leben macht. Mittlerweile gehen einige Kinder nach Neuhaus in Thüringen in die Schule. Der Bus fährt eine Stunde später als der nach Kronach und die Kinder werden direkt vor die Schule gefahren. Ich hab' das im Kreistag schon immer gesagt, dass wir da etwas tun müssen. Das Thema Schule ist für mich als Kreisrätin ein zweischneidiges Schwert, da sind die Interessen der Gemeinde und auf der anderen Seite die des Landkreises.
Was könnte für die Senioren getan werden?Lydia Müller: Wir sind attraktiv. Wir haben Ärzte, Stephanusdienst, BRK.
Es sollte allerdings auch möglich sein, Demenzkranke in Wohneinheiten bis zum Schluss in Tettau zu versorgen. Weiterhin kann man über mobile Einkaufsdienste für Schauberg und Langenau nachdenken.
Peter Ebertsch: Es könnte ein Lieferservice, was bei der Apotheke mittlerweile bestens funktioniert, eingeführt werden. Auch ein Bürgerbus wäre wünschenswert. Sicherlich, wir haben vieles, wie Orthopäde, Gärtner, Massagepraxis, aber wir dürfen keine Ruhe geben. Ein Augenarzt wär' auch nicht schlecht. Für wichtig halte ich auch den mobilen Sozialladen der Caritas, nicht zuletzt deshalb habe ich mich massiv für ein Ersatzfahrzeug eingesetzt. Allerdings sollten die Leute auch die Einrichtungen vor Ort nutzen.
Letzte Frage: Warum sollten ausgerechnet Sie Bürgermeister werden?Peter Ebertsch: Eigenlob stinkt.
In den verschiedenen Veranstaltungen kann sich jeder selbst ein Bild machen. Ein Bürgermeister ist nicht nur zum Repräsentieren da, sondern muss eine Gemeinde auch führen können. Ich traue mir das zu, denn durch meinen Beruf kann ich Führungserfahrungen und Durchsetzungsvermögen vorweisen und halte mich dadurch für kompetent.
Lydia Müller: Ich denke, aufgrund meiner zwölfjährigen kommunalpolitischen Erfahrungen kann ich das Amt der Bürgermeisterin ausführen. Ich habe gelernt, Politik bedeutet nicht verwalten, sondern gestalten. Und ich will was vorwärts bringen.
Hallooo Frau Müller!
Steinbach hat Wiegand-Glas, die viele Jahre ihre Gewerbesteur an die Gemeinde entrichten.
Wie ist das in Tettau?
Wo zahlen eigentlich die über 120 Gewerbetreibende und Unternehmen in Tettau,
angefangen bei "A" wie AK Kunststofftechnik bis "Z" wie Zwingmann IHRE Gewerbesteuer?