"Heiliges Grab" ist Ausdruck des Glaubens

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Fleißige Helfer bauten in der Pfarrkirche St. Laurentius in Neufang ein "Heiliges Grab" auf. Fotos: Heike Schülein
Fleißige Helfer bauten in der Pfarrkirche St. Laurentius in Neufang ein "Heiliges Grab" auf. Fotos: Heike Schülein
Roland Reißig und Daniel Kaim (von links) tragen den "Leichnam" Christi, der im "Heiligen Grab" aufgebahrt wird.
Roland Reißig und Daniel Kaim (von links) tragen den "Leichnam" Christi, der im "Heiligen Grab" aufgebahrt wird.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

In der Pfarrei Neufang ist über die Kartage ein "Heiliges Grab" aufgebaut. Dieser Brauch wird von den Bewohner mit hohem Aufwand aufrecht erhalten.

Es ist ein gewaltiger sakraler Aufbau - mit wunderbar gemalten Motiven, voller künstlerischer Qualität und mit einer gewaltigen Dimension: Mehr als zehn Freiwillige sind seit rund zwei Stunden damit beschäftigt, in der Pfarrkirche St. Laurentius Neufang die architektonische Nachempfindung und Nachbildung des Grabes Christi in der Grabeskirche von Jerusalem aufzubauen.

Der Aufbau, der in der Tiefe durch acht durchbrochene Holzwände gestaffelt ist, nimmt den Chorraum völlig ein. Das außergewöhnliche und aufwändig gearbeitete Werk war 1929 von Hans Föhrweiser aus Neufang entworfen und 1930 in Bamberg von der Werkstätte Mayer mit Architekturmalerei ausgestaltet worden, nachdem das ursprüngliche "Heilige Grab" dem Kirchenbrand von 1918 zum Opfer gefallen war.
Der Aufbau wurde so geschaffen und angeordnet, dass er einen großartigen räumlichen Eindruck voller reich "geschmückter" Säulen und Triumphbögen hinterlässt.

Die weitgehend beschrifteten und sortierten Einzelteile werden das Jahr über oberhalb der alten Sakristei gelagert. Nun warten sie - abgestellt im Gotteshaus - auf ihren "Einsatz". Die Männer bauen das Untergestell auf. Die Arbeit geht ihnen schnell von der Hand. Man merkt, dass sie Erfahrung darin haben und wissen, welches Bauteil wohin gehört. "Viele von ihnen sind Jahr für Jahr dabei. Es kommt halt darauf an, wie es zeitlich oder beruflich hinhaut. Aber diejenigen, die Zeit haben, kommen gerne", ist sich Kirchenpfleger Thomas Reißig sicher.

Das routinierte Arbeiten täusche etwas darüber hinweg, dass der Aufbau alljährlich eine Herausforderung darstelle. Das Zusammensetzen der einzelnen Holzteile sei zeitintensiv und erfordere Kraft. Zudem werde das "Heilige Grab" durch das alljährliche Auf- und Abbauen stark beansprucht und nütze sich ab. Man habe deshalb schon in den Pfarrgremien darüber gesprochen, das "Heilige Grab" nur noch alle zwei Jahre aufzubauen. Die Mehrheit sprach sich aber dafür aus, den Brauch jährlich beizubehalten.

Das "Heilige Grab" war vor allem in der Barockzeit weit verbreitet. Von Gründonnerstag bis Ostermontag wurde in der Kirche eine solche bildliche Darstellung der Ostergeschehnisse aufgebaut, so wie die Krippe die Weihnachtsgeschichte anschaulich darstellt.

Heilige Gräber standen viele Jahrhunderte lang im Zentrum des wichtigsten und glanzvollsten Festes im Kirchenjahr. Im Mittelalter ließen fromme Pilger Kopien der Grabeskirche an ihrem Heimatort errichten. Im Inneren der Bauten wurde entweder das Bild des verstorbenen Gottessohnes oder aber eine Reliquie - beispielsweise ein Kreuzessplitter - aufbewahrt und verehrt. Die Stifter sicherten damit ihr Seelenheil und den Einzug ihrer Seele ins Paradies - das "himmlische Jerusalem". Die Gräber und damit das Leiden und Sterben Christi wurden im Mittelalter plastisch dargestellt, weil weite Teile der einfachen Bevölkerung nicht lesen und schreiben konnten. In früheren Zeiten waren verschiedenste Varianten "Heiliger Gräber" in katholischen Gebieten weit verbreitet: Es gab nicht nur Gebäude, sondern auch monumentale Figurengruppen, Kleinplastiken, Grabtruhen, Ölgemälde und volkstümliche Hinterglasmalerein sowie Kulissengräber, Aufbauten aus Holz und Leinwand, die barocken Bühnenbildern entlehnt waren. Mancherorts nahm man die Christusfigur vom Kreuz ab und setzte sie am Karfreitag nach einer Prozession bei. Der Gemeinde wurde dadurch sprichwörtlich vor Augen gestellt, dass Jesu geschändeter Leib wie ohne jede Hoffnung im Grabe lag.

Heutzutage sind diese Zeugnisse ausgeprägter Volksfrömmigkeit in unserer Region nur noch selten zu sehen und weitgehend in Vergessenheit geraten. Auch in Neufang, wo das "Heilige Grab" eine lange Tradition hat, lag der Brauch einige Zeit brach. Nachdem das ursprüngliche "Heilige Grab" 1918 verbrannt ist, war der "neue" gewaltige Aufbau 1931 erstmalig aufgestellt worden. "Dann aber schlief der schöne alte Brauch irgendwann ein", erzählt der Kirchenpfleger. Ab etwa Mitte der 80er Jahre habe man sich darauf zurückbesonnen und den Aufbau seitdem Jahr für Jahr wieder errichtet. Im Zuge der kompletten Innenraum-Restaurierung der Pfarrkirche hatte man 1992 auch das "Heilige Grab" mit restauriert.

Mit Ausnahme der letzten beiden sind mittlerweile sämtliche Holzwände im Chorraum aufgebaut. Für den Abschluss steigt Christian Gräf mit einer Leiter auf den Aufbau in durchaus Respekt einflößender Höhe. Von dort aus koordiniert er die letzten Arbeiten. So müssen die letzten beiden Holzwände mit ihrem Aufsatz - eine bildliche Szene des mit Dornen gekrönten Jesu - mit einem Seil nach oben befördert werden. Das Seil wird durch eine Öffnung im Glockenturm von einigen Männern heruntergelassen und schließlich sorgsam von ihnen nach oben gezogen. Christian Gräf befestigt es ebenso wie die beiden die Szene rechts und links flankierenden Engel, die ihn von einigen Helfern in die Höhe gereicht werden. Fertig! Gräf klettert auf seiner Leiter herab. Im Aufbau befindet sich vorne auf dem Boden ein offenes Grab. Hier wird über die Kartage eine Christusfigur aufgebahrt. Die Grabstätte wird geschmückt mit weißen Blumen. Darüber wird ein Altar aufgebaut mit einem Kruzifix in der Mitte sowie Kerzenhaltern.

Zum "Heiligen Grab" gehören seit dem 12. Jahrhundert auch aufgesteckte bunte Glaskugeln, die als Sonnen- und Glückssymbol galten. Solche Lampenkugeln zieren auch den "Himmel" des "Heiligen Grabes" in Neufang. Ewald Bätz wird diese Glaskugeln noch anbringen, die mit Eierfarben gefärbtem Wasser gefüllt sind. Hinter jeder Glaskugel wird ein Teelicht aufgehängt, das bei den Gottesdiensten an den Kartagen entzündet wird. Schon jetzt kann man das sich ergebende, wunderbare Bild erahnen, wenn die beleuchteten Glaskugeln das "Heilige Grab" in ein sanftes Licht tauchen werden.