Am Montag ist Welt-Down-Syndrom-Tag. Zeit, an die Menschen zu erinnern, denen viel zu lange viel zu wenig zugetraut wurde.
Im Wohnzimmer von Familie Süßmann in Gehülz ist Action angesagt. "Tatütata", schreit der vierjährige Johannes und rennt um den Couchtisch. Sein kleiner Bruder Matthias setzt den Feuerwehrhelm auf und ist sofort dabei. "Feuerwehrmann Sam ist seit Weihnachten das Hauptthema der beiden", erklärt Mutter Heidi Süßmann. Es werden Katzen aus dem Schacht gerettet und Feuer gelöscht. Dass die beiden Brüder jetzt so miteinander spielen können, ist wunderschön zu sehen. Denn Johannes hatte keinen leichten Start ins Leben.
Erst nach der Geburt erkannt
Er kam als Frühchen zur Welt. Kurz nach der Geburt hatten die Ärzte den Verdacht, dass Johannes das Down-Syndrom hat und haben ihn getestet. Das Ergebnis: Johannes hat Trisomie 21, um genau zu sein die Translokations-Trisomie. Eine seltene Form des Gendefektes. Dabei hat sich das 21.
Chromosom an ein anderes angelagert. Es kann entweder vererbt oder neu aufgetreten sein.
"Als die Ärzte mir das gesagt haben, sind mir erst einmal die Beine weggerutscht", erzählt Heidi Süßmann. Doch im Nachhinein sei sie froh gewesen, dass der Gendefekt nicht schon während der Schwangerschaft entdeckt wurde. "Ich hätte wahrscheinlich viele Ängste in der Zeit entwickelt und hätte eine Entscheidung fällen müssen. So ist sie mir zum Glück abgenommen worden." Denn der Kleine war da und wollte versorgt werden.
Doch Heidi Süßmann und ihr Mann Reiner sind sich sicher: "Auch wenn wir es in der Schwangerschaft gewusst hätten, wir hätten uns für das Kind entschieden. Wie alle unsere Kinder, war er ein absolutes Wunschkind." Heute bezeichnen die Eltern ihren Sohn immer als "Sechser im Lotto". Er bereichere ihr Leben.
"Wir sind froh und dankbar, dass wir ihn haben, und er ist wirklich ein Geschenk Gottes. Daher auch sein Name", sagt Heidi Süßmann.
Wäre Johannes jedoch das erste Kind gewesen, hätten das Paar wahrscheinlich keine Kinder mehr bekommen. So sieht das Heidi Süßmann zumindest heute. "Aber das wäre definitiv nicht besser gewesen. Er schaut sich bei seinen drei Geschwistern so viel ab und lernt von ihnen." Mit zwei Jahren dann die Schockdiagnose Leukämie, die oft mit Trisomie 21 einhergeht. Ein gutes halbes Jahr musste der Kleine im Krankenhaus bleiben und vier Chemotherapien über sich ergehen lassen. "Er hat uns in dieser Zeit so viel Kraft gegeben. Er hat in seinem Bett getanzt und gesungen. Für ihn war das irgendwie in Ordnung so", sagt seine Mutter. Die Chemos haben gut angeschlagen. Eine Transplantation blieb dem Zweijährigen erspart.
Kindergarten als große Chance
Nach der Feuerwehr-Action sitzt Johannes mittlerweile glücklich und zufrieden auf Papas Schoß und hört einer Geschichte zu. Natürlich über einen Feuerwehrmann - was sonst. Der dreijährige Matthias sitzt daneben und schlürft seinen Kaba. Die beiden besuchen gemeinsam den integrativen Kindergarten in Dörfles. "Johannes ist viel selbstständiger geworden", sagt Heidi Süßmann. Und wenn etwas mal nicht klappt oder die anderen Kinder Johannes nicht verstehen, hilft sein kleiner Bruder.
Johannes ist durch den Gendefekt in seiner Entwicklung anderen Vierjährigen hinterher. Er lernte später zu krabbeln und fing erst später an zu laufen. Auch beim Sprechen hat er noch Probleme. Einmal in der Woche geht es für ihn zur Logopädin, damit seine Sprache verständlicher wird.
"Anfangs hat er alles gebärdet. Sobald er dann ein Wort gelernt hat, hat er die Gebärde weggelassen", erzählt seine Mutter. Verstehen tut Johannes so ziemlich alles. Vorausgesetzt er möchte. "Er hat einen ganz schönen Sturkopf", sagt Heidi Süßmann und muss lachen. "Wenn wir Johannes und Matthias etwas verbieten, hält sich Matthias meist daran. Johannes sieht das noch lange nicht ein", ergänzt Papa Reiner.
Neben den wöchentlichen Terminen bei der Logopädin, muss Johannes alle Vierteljahre zum Augen- und Ohrenarzt sowie zum Orthopäden. Das seien die Schwachstellen der Kinder mit Down-Syndrom, die einfach immer kontrolliert werden müssen. Für die Eltern ist das natürlich ein zusätzliches Zeitbudget, das eingeplant werden muss. Doch als Nachteil sehen die Süßmanns das nicht.
"Zu sehen, wie er sich von Termin zu Termin entwickelt, entschädigt sowieso für alles", meint Heidi Süßmann.
Doch wie reagiert das Umfeld auf Johannes? Ablehnung habe die Familie mit Johannes noch nie erfahren, dafür sei er wahrscheinlich auch noch zu süß und knuddelig, meint seine Mama. Doch unterschätzen dürfe man ihn nicht und müsse immer aufpassen, was er macht.
"Im Restaurant konnten wir einmal gar nicht so schnell schauen, schon stand er in der Küche beim Chefkoch. Auffallen tut man auf jeden Fall", sagt Heidi Süßmann und lacht. Doch das macht den Eltern nichts mehr aus. Man müsse abgehärtet sein. "Man lernt auch einfach für sein Kind zu kämpfen", meint die Mutter.