Für Kinder, die nicht leben durften

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Sie sind mittlerweile Freundinnen geworden, die vier Mütter aus der Selbsthilfegruppe "Sternenkinder": (von links) Melanie Will, Michaela Wittmann von der Schwangerenberatung der Diakonie in Kronach, Anita Tischer, Margit Altmann und Esther Will. Foto: Veronika Schadeck
Sie sind mittlerweile Freundinnen geworden, die vier Mütter aus der Selbsthilfegruppe "Sternenkinder": (von links) Melanie Will, Michaela Wittmann von der Schwangerenberatung der Diakonie in Kronach, Anita Tischer, Margit Altmann und Esther Will. Foto: Veronika Schadeck

Die Mitglieder der Selbsthilfegruppe "Sternenkinder" haben eines gemeinsam: Sie haben frühzeitig ein Kind verloren.

Ein Gefühl von Traurigkeit überkommt einen beim Anblick des mit Blumen und kleinen Engeln geschmückten Grabs. Am Eingang des "Sternenkinder"-Areals steht: "Jedes Leben ist in der Tat ein Geschenk, egal wie kurz und zerbrechlich..."

Wenn Babys im Mutterleib oder kurz nach der Geburt sterben, fühlen sich viele betroffene Eltern alleine gelassen. Kaum jemand redet über die sogenannten "Sternenkinder".

In Kronach existiert seit fast zehn Jahren die "Sternenkinder"-Gruppe. Es sind Mütter aus den Landkreisen Kronach und Lichtenfels, die sich monatlich treffen und auch das Grab beziehungsweise die Gedenkstätte der Sternenkinder auf dem Kronacher Friedhof pflegen.

Zerbrochen waren die Herzen der Mütter der "Sternenkinder"-Gruppe, als ihre Kinder nicht weiter leben durften.
Sie hatten sich auf ihre Kinder gefreut, Vorbereitungen für den Nachwuchs getroffen, haben Kindsbewegungen gespürt.... Dann sind sie mit dem Unfassbaren konfrontiert werden.


Eine Gemeinsamkeit

Es ist Montagabend. Margit Altmann, Anita Tischer, Esther Leicht und Melanie Will treffen sich an der Sternenkinder-Gedenkstätte auf dem Kronacher Friedhof. Vier Frauen mit unterschiedlichen Geschichten. Doch eines haben sie gemeinsam: Alle vier haben ein beziehungsweise mehrere Kinder verloren.

Erinnerungen werden bei dem Gespräch wach. Vertreten ist auch Michaela Wittmann, zuständig für die Schwangerenberatung vom Diakonischen Werk Coburg, Außenstelle Kronach. Sie betreute damals Margit Altmann während ihrer Schwangerschaft. Die Marktrodacherin hatte bereits zwei Kinder, eines davon war behindert. Am Anfang ihrer dritten Schwangerschaft hat sie Rat bei der Schwangerenberatung, bei Michaela Wittmann gesucht. So entstand eine Verbindung, die bis zum heutigen Tag Bestand hat. Der anfängliche Schock über ihre dritte Schwangerschaft wandelte sich in Freude. Umso größer war dann die Trauer, als sie ihr Kind in der 30. Woche verlor. Teilweise hatte sie nach dem Verlust des Kindes den Eindruck, ihr Umfeld meide sie. Wahrscheinlich seien die Mitmenschen in solchen Situationen unsicher, ob sie das Thema zur Sprache bringen könnten, sucht sie nach einer Erklärung.

Zwischen den vier Frauen ist mittlerweile eine Freundschaft entstanden. Obwohl Monate und Jahre ins Land gezogen sind, sind ihre verstorbenen Kinder bei jedem Treffen das Gespräch. Jede erzählt aber auch ihre Eindrücke oder wie sie nach Jahren mit ihrer Trauer umgehen.
"Die Trauer endet nie, sie wandelt sich", so Esther Leicht. "Es sind Tage dabei, da ist fast alles Normalität. Dann kommen auch nach Jahren immer noch Phasen, wie beispielsweise an Festtagen, an denen man von Trauer überwältigt wird."

Die Welt drehe sich weiter, aber ohne sie, so war der Eindruck von Melanie Will, als sie ihr Kind verlor. Anita Tischer räumt ein, dass man mit Blick auf Eltern mit Kindern teilweise auch Neidgedanken bekämpfen müsse. Und dann gibt es auch solche Gedanken: "Lieber Gott, ich will zu meinem Kind."

Die vier Frauen möchten ihre regelmäßigen Treffen in der Sternenkinder-Gruppe nicht missen. "Wir können zusammen um unsere Kinder trauern." Die offenen Gespräche tragen auch zum gegenseitigen Verständnis bei. Verliere man ein Kind, sei alles anders in der Familie, im Job, im Freundeskreis. Und jeder Betroffene gehe anders damit um.


Trauernde Väter willkommen

Auch trauernde Väter sind in der Sternengruppe willkommen, betont Margit Altmann. Aber, so weiß sie, "Männer trauern meist anders - sie wollen ihre Trauer mit sich selbst ausmachen". Viele stürzten sich auch in Arbeit. Und wenn man da nicht aufpasst, gehe auch die Partnerschaft in die Brüche.

Neben dem Treffen der Mitglieder sind auch der Besuch und die Pflege des Sternenkindergrabes fester Bestandteil in der Gruppe. Durch ihre Initiative kam in Zusammenarbeit mit Hebammen der Frankenwaldklinik sowie Vertretern der Stadt und der Kirche auch die Sternenkinder-Gedenkstätte zu Stande.

Für die Mütter ist die Pflege des Sternenkindergrabes eine schöne Aufgabe. Es sind zwar nicht ihre Kinder, die dort beerdigt sind, aber in solchen Momenten fühlen sich die Mitglieder der Selbsthilfegruppe mit ihren verstorbenen Kindern sehr verbunden.

Die Kinder, die hier bestattet werden, haben ein Gewicht unter 500 Gramm. Sie gelten deshalb noch nicht als Person und werden nicht regulär bestattet. Aber sie haben gelebt. Die Eltern haben jetzt die Möglichkeit, ihre Kinder in der Sternenkinder-Gedenkstätte begraben zu lassen. Es ist ein Anliegen der Mütter in der Sternenkindergruppe, die Gedenkstätte mit Blumen zu schmücken.


Abschied nehmen

Eine Beerdigung für Sternenkinder, so weiß Michaela Wittmann, kann für die betroffenen Eltern eine große Hilfe sein, um von ihrem Kind Abschied zu nehmen. Die Eltern haben zudem einen Ort, an dem sie an ihr Sternenkind im Stillen gedenken und Trost finden können.

Michaela Wittmann sowie die Mitglieder der Sternenkinder-Gruppe möchten alle Betroffenen zu einem Besuch in der Selbsthilfegruppe oder auch bei der Schwangerenberatung der Diakonie in Kronach einladen. Es sei alles unverbindlich, so Margit Altmann, jeder kann kommen und gehen, kann bleiben, so lange er möchte. "Wir wollen einfach nur helfen, weil die Selbsthilfegruppe auch uns geholfen hat."

Infos zur Selbsthilfegruppe
Treffen Die Selbsthilfegruppe "Sternenkinder" trifft sich einmal im Monat in der Kronacher Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen des Diakonischen Werkes Coburg in der Kriegsopfersiedlung 7. Mehr Infos gibt es bei Michaela Wittmann (09261/93299), Margit Altmann (09261/ 4432) oder Anita Tischer (09571/87952).

Bestattung Die nächste Fötenbestattung mit Gedenkfeier ist am Samstag, 18. Juni, um 11 Uhr in der Nikolauskapelle im Friedhof in Kronach.