Frauen slamen für Frauen

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Siegerin Enora le Corre (links) zusammen mit Barbara Gerlach und Maron Fuchs (rechts). Foto: Maria Löffler
Siegerin Enora le Corre (links) zusammen mit Barbara Gerlach und Maron Fuchs (rechts). Foto: Maria Löffler

Statt zu diskutieren wurde geslamt: Ein Kooperationskreis hat anlässlich des Jubiläums "100 Jahre Frauenwahlrecht" zu einem Poetry Slam in den Jugend- und Kulturtreff "Struwwelpeter" eingeladen. Dabei ging es vor allem um eines: das Frauenbild.

KronachDer "Stadl" im Kronacher Café Kitsch glich dem Inneren einer Sardinenbüchse. Am Freitag Abend quetschten sich auch die jungen Leute Lisa und Marc in letzter Minute noch hinein. Das Publikum ist gemischt, die Stimmung gespannt wie ein Drahtseil. Kaum jemand hat eine Ahnung, was genau da auf ihn zukommt, dennoch waren auch erstaunlich viele Männer gekommen - zum Internationalen Frauentag, aber vor allem auch zum Poetry Slam mit Slam-Masterin Maron Fuchs.

"Hundert Jahre Frauenwahlrecht", um das in einen würdigen Rahmen zu setzen, hatte sich in Kronach ein überparteilicher und Institutionen übergreifender Kooperationskreis gebildet. Ein neues, frisches Konzept sollte den Staub aus allen Ecken fegen, doch einen solchen Erfolg hätten sich die Leiterin der Kronacher Volkshochschule, Annegret Kestler und Lisa Gratzke von der Gleichstellungsstelle gar nicht träumen lassen. "Wir wollten einfach mal etwas anderes probieren. Nicht noch die aber-tausendste Diskussion über die Rechte der Frauen in einem Raum, in dem wieder nur überwiegend Frauen sitzen und zuhören. Das macht einfach keinen Sinn."

Aufgegangen ist es auf jeden Fall, das Konzept. Slam-Masterin Maron Fuchs aus Bamberg erfasste sofort, "dass Kronach Bock auf Poetry hat". Sie fasste die Regeln dieses offenen Formats für alle nochmal zusammen: "Poetry Slam ist ein moderner Dichterwettstreit, bei dem alle selbstgeschriebenen Texte in einem Zeitlimit ohne Requisiten vorgetragen werden." Und bevor die sechs Poetry-Slammerinnen die Bühne mit ihrer Präsenz und ihren unter die Haut gehenden Texten dominierten, zeigte Maron Fuchs, wie man einen "kollektiven Orgasmus" auslöst - und das mit einer Odyssee. Bei ihr wird der Boy-Toy Odysseus zum "last man standing" und "high auf Lotusblüten" und seine Frau Penolope zur "Palace-Bitch von Ithaka".

Bier in der halben Männer-WG

Christina Zirkel, die eigentlich in einer Mädels-WG zu Hause ist, bekannte: "Eigentlich sind wir eine halbe Männer-WG. Wir schminken uns kaum, haben breite Schultern und mindestens drei Kästen Bier im Haus. Und Bier wäre auch der einzige Grund, dieses Haus zu verlassen." Dennoch schilderte sie einen Clubabend, an dem am Ende alle ihren Spaß hatten und nur Grabscher beutelos umherzogen.

Mütter, die zu Heldinnen werden

Ann Katharina Re setzte auf Emotionalität und die Tränen in den Augen der Zuhörer gaben ihr recht. Sie machte nicht nur betroffen, sondern auch nachdenklich, weckte den Wunsch, etwas zu verändern. Die anschaulichen Schilderungen über Genitalverstümmelungen an kleinen Mädchen, ungewollten Sex im Kloster oder die respektlose und Menschen verachtende Behandlung von Ehefrauen verursachte Kopfkino. Sie forderte: "Steht auf, zieht die Unterhose aus der Arschfalte und kämpft."

Über eine Heldin im Alltag, die immer stark sein müsse und über die sich riesige Türme stapelten, slamte Theresa Conrady. "Sie lacht, sie funktioniert." Gemeint waren die Mütter, die still zu Heldinnen werden und die auch mal eine Schulter zum Anlehnen bräuchten.

"Es geht um das Recht der Frau auf medizinische Information." Anna Brandl fasste ebenfalls ein heißes Eisen an und machte in ihrem Slam Paragraf 219 des Strafgesetzbuches zum Thema. Er regelt die Beratung von Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage. Anna Brandl schilderte zwei Situationen, in denen Schwangerschaftsabbruch thematisiert wurde.

Gegen Männerwahlrecht

Stechende Argumente gegen das Männerwahlrecht nach 2019 fand Barbara Gerlach. Sie spielte auf die Tatsache an, dass in der Schweiz das Frauenwahlrecht erst 77 Jahre nach Einführung ausgeübt werden durfte. Sie suchte und fand die obskuren Begründungen: "Frauen gehören ins Haus. Politik ist zu schmutzig für eine Frau. Will sie ihre politische Meinung kund tun, kann sie das direkt über den Ehemann machen. Die Frau verliert ihre Weiblichkeit, wenn sie in die Politik geht." Genauso viele absurde Argumente fand sie aber auch gegen ein Männerwahlrecht nach 2019: "Männerkriminalität ist an jedem Ort der Welt höher, diesen Barbaren darf man doch keine wichtigen Entscheidungen überlassen. Sie interessieren sich mehr für Fußball. Schon der Körperbau zeigt, dass Männer für die praktische und Frauen für die intelligente Arbeit geeignet sind."

Gewonnen hatte den Wettstreit am Ende Enora le Corre, die in ihrem ersten Slam den Bruch einer Beziehung schilderte: "Ich suchte die Flut in der Ebbe des Ozeans."

Ihr finaler Vortrag machte Drogenmissbrauch in sechs Stufen zum Thema. Mit sparsamer Gestik, aber eindringlicher Stimme beschrieb sie die klassische Drogenkarriere. Wie sich Druck aufbaut, dann Schockstarre folgt und sich ein Eisblock im Magen bildet. "Aus dem schwarzen Meer aus Tinte holt ihn nur das, was sein Dealer im spät abends andreht."