Die Nordhalbener Orgel dröhnt und faucht

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Beim jüngsten Nordhalben Orgelkonzert spielte Dekanatskantor Marius Popp (rechts) ein ungewöhnliches Programm von "festlich bis fetzig". Seine Frau Susanne Popp assistierte an den Noten. Foto: Norbert Neugebauer
Beim jüngsten Nordhalben Orgelkonzert spielte Dekanatskantor Marius Popp (rechts) ein ungewöhnliches Programm von "festlich bis fetzig". Seine Frau Susanne Popp assistierte an den Noten. Foto: Norbert Neugebauer

Dekanatskantor Marius Popp lotete die Nordhalbener Rieger-Orgel aus. Er hatte ein Programm zusammengestellt, das viele bekannte Stücke enthielt - jedoch in der Orgelinterpretation für die meisten Zuhörer sicher ein Novum.

"Festlich bis fetzig" versprach Dekanatskantor Marius Popp beim seinem diesjährigen Orgelkonzert in der Nordhalbener Bartholomäus-Kirche zu werden. Die Veranstaltung am Votumssonntag für den Landtag war ansprechend besucht. Anlass für Udo Simon vom gastgebenden Arbeitskreis für Kirchenmusik bei seiner Begrüßung den Gästen eine "gute Wahl" für die "Koalition Marius Popp und Rieger-Orgel" zu bescheinigen.

Der Kronacher hatte dafür ein Programm zusammengestellt, das viele bekannte Stücke enthielt - jedoch in der Orgelinterpretation für die meisten Zuhörer sicher ein Novum. Händels "Messias" zur Eröffnung war dann auch das gängigste Werk. Aber bereits mit dem speziell für die Kirchenorgel komponierten "Salve Regina" und dem anschließenden Zyklus "Pange Lingua" des zeitgenössischen Franzosen Haji Hakim forderte Popp die Besucher.
Die neutönerischen Kompositionen ohne durchgängige Melodik, aufgebaut aus vielen Versatzstücken, entsprachen so gar nicht den vertrauten Hörgewohnheiten klassischer Kirchenmusik. Die Riegerorgel fauchte, dröhnte, entfachte ein wahres Inferno im Kirchenraum, das so noch nie in Nordhalben zu hören war.

Die Orgel swingte

Ungewöhnlich auch die vom Organisten als Jazz-Improvisationen ausgeführten Choräle "Nun danket all und bringet Ehr" und "Solange es Menschen gibt auf Erden", die zu Gershwins "Rapsody in Blue" hinführten. Sicher reizvoll, die "Königin der Instrumente" auch mal swingen zu hören, allerdings fehlte "Majestät" hier doch eine gewisse Leichtigkeit. Mit "Pomp And Circumstance", Elgars populärstem Werk, war sie dann wieder im angestammten Metier, wobei die Transkription aus dem großen Orchestersatz prunkvoll gelang. Ebenso die Popp'schen Adaptionen der bekannten James Bond-Soundtracks aus "007", "From Russia With Love" und "Goldfinger", die aufgrund ihrer emotional-dramatischen Melodien auch der Kirchenorgel gut standen.

Leichtere Hörkost, die der Arrangeur mit leichter Hand und dem richtigen Feeling, aber nicht weniger kunstvoll, präsentierte. Wesentlich schwieriger in der Umsetzung und diffiziler im Höreindruck die drei bekannten Orchesterwerke von Brahms (Ungarische Tänze Nr. 5 und 6) und Ravel ("Bolero") mit ihrer ausgeprägten, folkloristisch motivierten Rhythmik. Gerade das letzte Stück, bei dem das komplexe Schlagwerk durch die Pedalarbeit ersetzt wurde, forderte die höchste Konzentration des Interpreten.

Nach diesem fulminanten Höhe- und Schlusspunkt der anderthalbstündigen Aufführung, die Marius Popp mit kurzer Einführung durchgehend gespielt hatte, wurde der Dekanatskantor zurecht mit stehenden Ovationen gefeiert. Er bot dem Nordhalbener Publikum und den zahlreichen auswärtigen Gästen ein ungewöhnliches Konzert mit sicherlich neuen Höreindrücken der Riegerorgel. Deren hervorragender Ruf lockt inzwischen auch internationale Könner, im kommenden Mai wird an ihr der Mailänder Paolo Springhetti gastieren. Vorher dürfen sich die Nordhalbener Kirchenmusikfreunde jedoch auf das multimediale Chorkonzert "Die Saat geht auf" mit einer Irischen Messe im Mittelpunkt am 27. Oktober freuen.