"Die Hürde darf nicht zu hoch sein"

5 Min
Steinwiesen, Kronacher Str. 22-24: Direkt an der Durchgangsstraße gelegen ist dieses Objekt. Es beherbergte einst eine Metzgerei und hat im Obergeschoss Wohnungen. Aktuell befindet sich unten die Bäckereifiliale Willi Müller. Foto: Susanne Deuerling
Steinwiesen, Kronacher Str. 22-24: Direkt an der Durchgangsstraße gelegen ist dieses Objekt. Es beherbergte einst eine Metzgerei und hat im Obergeschoss Wohnungen. Aktuell befindet sich unten die Bäckereifiliale Willi Müller.  Foto: Susanne Deuerling

In einer gemeinsamen Sitzung der Stadträte Wallenfels und des Marktgemeinderates Steinwiesen ging man dem Wohnungsleerstand auf den Grund.

Bürgermeister Gerhard Wunder (CSU, Steinwiesen) und Bürgermeister Jens Korn (CSU, Wallenfels) begrüßten im Pfarrsaal in Steinwiesen nicht nur ihre Gemeinde- und Stadträte sondern auch interessierte Bürger sowie Oberbaurätin Isabel Strehle von der Regierung von Oberfranken. Die Referenten Mario Tvrtkovic von der Hochschule Coburg und Nathalie Weber von der DSK Deutsche Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft hatten interessante Ausarbeitungen mitgebracht. Jens Korn brachte es auf den Punkt. Es gebe drei Punkte, die berücksichtigt werden müssen. Wie geht man gegen den Leerstand vor? Wie begegnet man dem Mangel an qualitativ hohen Mietwohnraum? Wie verhindert man den Wegzug junger Leute? "Diese Fragen bewegen sich in einem Teufelskreis, der an einer Stelle durchbrochen werden muss, um etwas ändern zu können."
Das Büro DSK hatte im Herbst 2015 damit begonnen, ein generationenübergreifendes
Wohnungsmarktkonzept für Steinwiesen und Wallenfels zu erarbeiten. Nach der Bestandserhebung kristallisierten sich verschiedene Leitobjekte heraus, die Nathalie Weber vom Büro DSK vorstellte. Sie erläuterte, dass es in den Orten zwar genügend Leerstände gäbe, diese jedoch meist als qualitativ hoher Wohnraum nicht zur Verfügung stünden. In einer Expertenbefragung wurde dies deutlich. Ohne Sanierung haben die Objekte keine Vermarktungschance. Nathalie Weber stellte verschiedene Leitprojekte vor, die in Steinwiesen und Wallenfels Potential aufweisen. Bei einigen wurde bereits mit den Eigentümern Kontakt aufgenommen, um zu klären, wie weit sie bereit wären, hier eine Neuordnung mitzutragen.
Laut Erklärung von Nathalie Weber wurden die leerstehenden Immobilien analysiert und diese Objekte unter Berücksichtigung der Bedarfsermittlung aber auch der Potentiale und Restriktionen (Handlungsmöglichkeiten) der Immobilien ausgewählt.
Parallel zu den Erhebungen des Büros DSK wurden im laufenden Wintersemester 2015/16 im Rahmen einer Studienarbeit mit dem Titel "ORT - Anleitung Dorfbau" erste Ideen, Konzepte und Zukunftsvorstellungen für die Themen Wohnen, Tourismus und Stadtraum von den Architekturstudenten der Hochschule Coburg erarbeitet. Mario Tvrtkovic, der die Studienarbeit betreute, stellte im Rahmen der Sitzung die Ergebnisse in Bezug auf die Potenziale der bestehenden Bauten und Räume auf. Zum großen Teil stimmen diese mit den Erkenntnissen des Büros DSK überein, was die Objekte betrifft. Die Studenten gingen jedoch noch einen Schritt weiter und überlegten nicht nur die Nutzung von Häusern, sondern die Veränderung des Umfeldes, wie zum Beispiel eine Umlegung des Fahrradweges in Steinwiesen vom Hotel angefangen durch den Ort. Neben dem Weg Erlebnisfelder für Kinder, "Porzellan-Erlebnis" bei Firma Kober mit Einblick in die Produktion, Blumenfelder und vieles mehr.
Inwieweit dies zu verwirklichen wäre, kann erst nach ersten Gesprächen geklärt werden.
Die Studenten stellten sich auch "Ensembles" im Ortskern vor mit renovierten Ferienwohnungen, Scheunen als Veranstaltungsraum, Frankenwaldhaus, Spielplatz, Blumenfeld und vielem mehr. Ideen für das Zusammenleben verschiedener Generationen mit gemeinschaftlichen Treffpunkten entwickelten die Studenten im Bereich des ehemaligen Gasthofes Frankenlust und des Bierstübla in Steinwiesen. Wie und ob sich überhaupt hier etwas verwirklichen ließe, ist jedoch offen. Ein großes Potential sah Mario Tvrtkovic jedoch im "alten Rathaus" an der Rodach. Der Bereich mit Scheunen, direktem Zugang zum Fluss und die herrliche Lage bestechen mit vielen Details. Das Haus muss jedoch völlig entkernt und modernisiert werden. Doch hier anzusetzen, wäre es wirklich wert.
Für Wallenfels stand bei den Studenten der Stadtraum im Fokus. Die Wilde Rodach in Verbindung mit Freiflächen am Fluss, der Verbindung von der Rathausgasse zur Kellerstraße und eine neue Verwendungsmöglichkeit für das Objekt Rathausgasse 16 wären hier denkbar. Ebenfalls im Mittelpunkt der Überlegungen stand der Marktpatz, der wieder als Treffpunkt für die Bürger dienen soll. Der Abriss einiger Leerstände, die Schaffung neuer Grünflächen und die Umorganisierung umstehender Gebäude wie des Roten Ochsen oder der ehemaligen Schmidtbank sorgen für ein neues Stadtgefühl. Die Nutzung z.B. als Jugendherberge, Übernachtungsmöglichkeiten für Radwanderer, kleine Wohneinheiten in der Schmitdtbank und vieles mehr ist hier denkbar. Wallenfels als lebendigen Ort mit Ausbau der Flussnähe mit Biergarten, Open-Air Bühne und große Sitztreppen am Ufer mag zwar noch wie Utopie klingen, aber liegt doch im Bereich des Möglichen. Bürgermeister Wunder erläuterte, dass dies nur ein Grobkonzept sei. Im kommunalen Gremium würden diese Leitprojekte nun beleuchtet, um festzustellen, was soll und vor allem, was kann umgesetzt werden. "In jeder Kommune soll ein Projekt zusammen mit dem Eigentümer umgesetzt werden. Wir wollen unseren Bürgern zeigen, dass nicht nur geredet, sondern auch gehandelt wird", sagte Wunder. Dafür muss natürlich der Eigentümer mitziehen, aber es braucht auch Investoren. Stadtrat Bernd Stöcker (CSU) meinte, dass man sich schon lange mit diesen Projekten befasse, aber bei der Umsetzung auf die Fördergelder der Regierung angewiesen sei. Bürgermeister Jens Korn bestätigte dies, sagte aber, dass man nun endlich mit einem Projekt anfange, das auch finanziell überschaubar und zu schultern sei.


"Lokales Interesse stärken"

Tvrtkovic machte noch einmal deutlich, dass es vor allem darum geht, das lokale Interesse zu stärken und zu zeigen, dass es sich lohnt, hier zu investieren. Gerade auf Tourismusebene sei mit der Natur und Landschaft so ein großes Potential vorhanden, man muss es nur sehen. Für Richard Rauh (SPD) waren die Vorträge eigentlich "alter Wein in neuen Schläuchen", alles schon seit langem bekannt. "Aber die Aufbereitung heute war nicht schlecht gemacht, vielleicht bewegt sich nun etwas", so Rauh.
Isabel Strehle war beeindruckt vom Prozess der letzten dreieinhalb Jahre seit Einführung des Stadtumbaumanagements 2012. Sie sah eine Langzeitperspektive bei den Rückkehrern in die Region, die nach dem Berufsleben in die Heimat zurück wollen. Aber wichtiger sei es, den jungen Menschen erst gar keinen Anlass zu geben wegzugehen. In jeder Kommune wird es zwei Projekte geben, die umzusetzen sind: "Die Hürde darf nicht zu hoch sein."


Leitprojekte



Steinwiesen
Die Leitprojekte in Steinwiesen und eine mögliche Nutzung:
Brückengasse 2 komplette Neuordnung
Gerberhaus, EG: Öffentliche Nutzung/Café, Neuordnung Freiflächen, OG: Wohnen
Ehemaliger Schlecker Seniorenwohnen, Mehrgenerationen
Kronacher Str. 22-24 Wohn- und Geschäftshaus
Grüner Baum Ferienwohnungen, Pension
Nordhalbener Str. 56 Seniorenwohnen, Mehrgenerationen
Nordhalbener Str. 66 Wohnen
Altes Rathaus Wohnen an der Rodach, Ensemble mit Scheunen usw.

Wallenfels
Jakob-Degen-Str. 3 Familienwohnen
Marktplatz Roter Ochse Ferienwohnungen, Pension
Marktplatz 4 Café im Erdgeschoss, Wohnen im Obergeschoss
Marktplatz 7 ehem. Post Grundstücksneuordnung, evtl. Gesamtkonzept mit ehem. Schmidtbank
Ehem. Schmidtbank Senioren, Mehrgenerationen, Einzelhandel im EG
Mühlgraben 17 Ferienwohnungen
Rathausgasse 16 Familienwohnungen oder soziale Einrichtung (Entwicklung ehemaliger Kindergarten abwarten)




Kommentar


Taten folgen lassen
Eigentlich könnte man meinen, es gab nichts Neues zu hören. Die Leerstand sproblematik ist geblieben, die qualitativ hochwertigen Mietwohnungen fehlen und getan hat sich in den letzten Jahren nichts.
Aber ist dem wirklich so?
Hinter den Kulissen bewegt sich doch einiges, da werden Gespräche mit den Eigentümern leer stehender Häuser geführt, Studien in Auftrag gegeben und Konzepte mit dem Stadtumbaumanagement und der Hochschule in Coburg erarbeitet. Aber reicht das alles, um die Bevölkerung zu motivieren? Die Bürger wollen endlich Taten sehen, sie wollen sichtbare Zeichen, dass sich wirklich etwas tut in ihrer Gemeinde. Nicht nur reden, sondern auch handeln. Es muss nicht ein Riesenprojekt sein, das Millionen Euro kostet. Nein, auch in kleinen Schritten kann die Gemeinde und die Stadt ihren Bürgern zeigen: Ja es tut sich was, wir wollen etwas bewegen.
Und deshalb ist es nun wichtig, schnellstens den vielen Worten und Studien Taten folgen zu lassen.
Zeigt, dass es euch ernst ist, zeigt, dass man in Steinwiesen und Wallenfels gut leben kann, zeigt den jungen Leuten, dass es sich lohnt, in der Heimat zu bleiben.
Bringt ein Projekt auf den Weg, damit andere folgen können und sich jeder Einwohner wieder voll mit seiner Heimat verbunden fühlt. Susanne Deuerling