Bedürfnis nach Sicherheit wächst auch in Kronach

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Reizgas-Sprays werden auch in Kronach vermehrt nachgefragt. Foto: Boris Roessler/dpa
Reizgas-Sprays werden auch in Kronach vermehrt nachgefragt. Foto: Boris Roessler/dpa

Auch im Landkreis Kronach steigt die Nachfrage nach Mitteln zur Selbstverteidigung und nach dem so genannten kleinen Waffenschein. Fachleute halten die Situation zurzeit aber noch für unproblematisch.

Die Verunsicherung in der Bevölkerung nimmt zu. Vor allem die Ereignisse der Silvesternacht in Köln stecken noch in den Köpfen. Schon über das ganze vergangene Jahr zeichnete sich ab, dass die Franken offenbar ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis verspüren. So hat sich im Kreis Kronach die Zahl der Ausstellung von "kleinen Waffenscheinen" 2015 fast vervierfacht.

Der Kronacher Büchsenmachermeister Matthias Kümmet nimmt zu dem Thema Stellung - das tut derzeit nicht jeder seiner Berufskollegen. Doch ihm geht es darum, das Thema sachlich und seriös zu besprechen. Schweigen ist seiner Ansicht nach eher kontraproduktiv.


Die Relationen berücksichtigen

Laut Kümmet ist die Nachfrage nach Reizgas & Co. sehr wohl vermehrt da. Das gelte für den ganzen Bereich Selbstverteidigung.
Allerdings warnt er davor, die prozentuale Steigerung bei den kleinen Waffenscheinen zur Panikmache zu verwenden. "Der kleine Waffenschein ist eine Nische und wird auch eine bleiben", versichert er. Eine Vervierfachung der ausgestellten Scheine klinge dramatisch, doch müsse man die Zahlen dahinter auch richtig interpretieren. Rund 30 kleine Waffenscheine mehr in einem Jahr seien im Hinblick auf die Einwohnerzahl des Landkreises verschwindend gering.

Die Kunden, die bei ihm nach den Abwehrmitteln fragen, sind laut Kümmet bunt gemischt: Männer, Frauen, Paare. Was der Büchsenmacher positiv findet, ist, dass sich die Leute vorher schon gut informieren. Das sei auch der Berichterstattung in den Medien geschuldet. "Die Leute sagen genau, was sie wollen."


245 kleine Waffenscheine im Umlauf

Schrillalarm, Schreckschusswaffe, Gas - nachgefragt werde eigentlich alles. Und im Geschäft werde das jeweilige Produkt im Detail erklärt. Bei einer falschen Anwendung könne der Schuss rechtlich nämlich ganz schnell nach hinten losgehen. Das mache man den Kunden bewusst. Denn wende man solche Gegenstände an, müsse man vor dem Richter auch die Notwehrsituation darlegen können, um nicht am Ende selbst Ärger am Hals zu haben.

"Im angefragten Zeitraum stellte die Waffenbehörde des Landratsamtes Kronach keine ("großen") Waffenscheine aus. Kleine Waffenscheine wurden 2014 acht und vergangenes Jahr 30 ausgestellt", teilte Sprecher Bernd Graf vom Kronacher Landratsamt unserer Zeitung auf Anfrage mit. Inzwischen besitzen 245 Menschen im Landkreis einen kleinen Waffenschein.


Keine Anfrage an Schützen

"Irrläufer", die fälschlicherweise meinen, über einen Schützenverein schnell sogar an scharfe Waffen zur Selbstverteidigung heranzukommen, gibt es bei uns offenbar nicht. Der Schützenmeister der SG Kronach, Frank Jungkunz, stellt jedenfalls fest, dass bisher noch niemand deswegen auf ihn oder die Schützengesellschaft zugekommen sei. "Ich sehe da überhaupt keinen Zusammenhang zwischen einem möglicherweise gestiegenen Sicherheitsbewusstsein und dem Sportschießen", betont er.

Bei einem großen Versandhändler für "Abenteuer" im Kreis Kulmbach herrscht dagegen Hochkonjunktur. Vor allem die Nachfrage nach Selbstschutzausstattung ist immens. Viele greifen dort zu CS-Gas und Pfefferspray, aber auch frei verkäufliche Waffen gehen buchstäblich im Minutentakt über die Ladentheke. "Ich fühle mich einfach nicht mehr sicher, deshalb kaufe ich mir eine Waffe. Auch wenn es nur eine Schreckschusswaffe ist", sagt ein Kunde.
"Wir sehen die Entwicklung aus Polizeisicht als äußerst schwierig", sagt Alexander Czech, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberfranken. "Auch mit solchen Waffen muss der Umgang geübt werden. Außerdem sind Missverständnisse vorprogrammiert. Man erkennt nicht auf den ersten Blick, dass es sich um Schreckschusswaffen handelt", sagt Czech. "Wenn sich jemand nicht sicher fühlt, ist es bestimmt nicht der richtige Weg, sich eine Waffe zuzulegen", stellt er klipp und klar fest. Er empfiehlt, lieber ein Handy einzustecken und im Notfall die Polizei zu rufen.


Vorsicht vor Selbstüberschätzung

Oder man erlernt die Selbstverteidigung ohne Waffen. Karatetrainer Harun-Veysel Elkol aus Tettau rät jeder Frau und jedem Kind, zumindest einmal in diese Möglichkeit hineinzuschnuppern. Der Umgang mit Gewalt sei nicht erst seit Köln ein Thema. Elkol denkt an häusliche Gewalt, Übergriffe bei Partys oder Mobbing in der Schule. In seinem gerade begonnenen Selbstverteidigungskurs will er den Teilnehmern daher nicht nur Techniken beibringen, sondern auch ein Auftreten, dass kritische Situationen entschärfen kann. Und er fordert dazu auf, Gefahrenherden möglichst aus dem Weg zu gehen.

Wer Selbstverteidigung unterrichtet, der sollte laut Elkol besonders auf zwei Dinge achten: "Man darf den Leuten weder vermitteln, dass es sich dabei um eine Spielerei handelt, noch dass sie danach jeden besiegen können." Denn sich selbst etwas vorzumachen, beschwöre kritische Situationen oft erst herauf.