Carmelo Mirco Iuliano hat viele Jahre in den besten Küchen Deutschlands gearbeitet. Die erste Zeit bezeichnet er rückblickend als Horror.
Zwei Wörter beschreiben Carmelo Mirco Iuliano wohl am besten: Kochen und Ehrgeiz. Durch diese Kombination hat es der junge Kronacher in die besten Küchen Deutschlands geschafft. Nach mehreren Jahren in Sterne-Restaurants verschlägt es ihn nun aber zurück in die Heimat. Was er hier vor hat und warum ihm Spaghetti aglio olio lieber sind als Pünktchen auf dem Teller, verrät er im Gespräch mit inFranken.de.
Von den Sterne-Restaurants Deutschlands zurück in die Heimat nach Kronach. Wie kommt's?Carmelo Mirco Iuliano: Das sind eine Art Zukunftsgedanken. Mit dem Lokal "Mamma Piera" meines Vaters sind hier in Kronach Voraussetzungen da, um ins elterliche Unternehmen einzusteigen und dieses vielleicht sogar gemeinsam auszubauen.
Warum ziehen Sie Kronach den Sterneküchen dieser Welt vor?
Die Sterneküche ist mit einem immens hohen Druck und Arbeitsaufwand verbunden. Das macht eine Zeit lang Spaß, aber ob man das ein Leben lang haben will - gerade, wenn man vielleicht auch mal über Familie nachdenkt -, das muss jeder für sich wissen. Zu einer gewissen verrückten Einstellung sage ich ja, aber sie muss für mich trotzdem realistisch sein und zu einem passen. In Kronach ist alles offen, das Angebot in dem Bereich gehobene Küche ist nicht riesig, da könnte man etwas etablieren.
Was machen Sie hier jetzt genau?
Ich habe hier einen Cateringservice neu aufgebaut und mein Ziel ist es, diesen zu etablieren und in Zukunft auszubauen. Ich setze auf die gehobene Schiene, die feine Küche, aber nicht überheblich. Und ich helfe natürlich im bestehenden Betrieb meines Vaters mit.
Ist ein Stern Ihr Ziel?
Das kommt darauf an, welche Restaurant-Struktur sich hier mal ergibt. Ein Sternelokal allein trägt sich in Kronach wahrscheinlich nicht. Wenn man aber beispielsweise zwei Restaurants, das bestehende und ein kleines Gourmetrestaurant unter ein Dach bekäme, dann würde ich nicht ausschließen, einen haben zu wollen.
Warum haben Sie überhaupt den Berufsweg Koch eingeschlagen?
Schon mein Opa hatte ein Lokal und ich bin in einer Familie aufgewachsen, die viel Wert auf Essen und Kulinarik legt. Ich glaube, es gab nur ganz wenige Momente in meiner Kindheit, in denen ich Feuerwehrmann oder Polizist werden wollte, es gab eigentlich schon damals nichts anderes als Koch für mich.
Und wann hatten Sie zum ersten Mal einen Kochlöffel in der Hand?
Entweder daheim bei meiner Mutter neben dem Herd oder im Lokal bei unserem damaligen Koch. Ich habe als Kind hier im Restaurant schon angefangen, kuriose Kreationen zu machen. Die hab' ich dann auf Zettel geschrieben, in die Tür geklebt und als Neuigkeit angepriesen. Und es gibt sogar noch heute einen Gast, der nach einer dieser Kreationen verlangt.
Und wie sind Sie dann in die Sterneküchen Deutschlands gekommen?
Ich habe Praktika gemacht - schon während der Schule. Dass es für die Ausbildung ein guter Laden sein sollte, liegt in meiner Natur, das wollte ich unbedingt. Und dann hab' ich Sven Messerschmidt (
Anm. d. Red. ein Michelin-Stern) vom Hotel Burg Schwarzenstein im Rheingau im Fernsehen gesehen. Ich hab' mich beworben und durfte im Gourmetrestaurant Probe arbeiten, weil die Burgküche, das eigentliche Ausbildungsrestaurant, Urlaub hatte. Normalerweise sind im Gourmetrestaurant keine Auszubildenden. Ich kam dann in die Ausbildungsküche und hatte aber immer den Ehrgeiz, in der Gourmetküche zu arbeiten. Das wollte ich unbedingt, also bin ich immer wieder hingelaufen, hab' an zwei freien Tagen in der Burgküche freiwillig im Gourmetrestaurant gearbeitet. Nach sieben Monaten durfte ich letztendlich in die Gourmetküche - und dann wollte es Sven Messerschmidt aber wissen. Er hat mir alles beigebracht, mich an die Hand genommen, mir unglaublich viel gezeigt. Wenn die anderen heim sind, haben wir zu zweit noch eine ganze Kuh zerlegt.
Dort waren Sie zweieinhalb Jahre. Und dann?
Dann kam der Ehrgeiz erneut. Ein Kollege ist in die Schwarzwaldstube von Harald Wohlfahrt (
Anm. d. Red. drei Michelin-Sterne) und hat nach zwei Monaten aufgegeben. Auch unser Restaurantleiter war mal dort. Ich hab' immer nur gehört, dass es dort so brutal hart ist und mir dann gedacht: "Super, da geh' ich hin". Mit einem Empfehlungsschreiben des Restaurantleiters habe ich mich dort beworben und wurde eingeladen. Ich dachte, das Gespräch findet vielleicht mit der Personalleiterin statt, doch dann ging die Tür auf und Harald Wohlfahrt kam selbst. Da hatte ich schon ein flaues Gefühl im Magen, immerhin ist er die Koryphäe unter den Köchen. Es war ganz entspannt, er hat mir alles gezeigt und zum Schluss gesagt: "Das Probearbeiten sparen wir uns. Wann wollen Sie anfangen?"
Wie ist das, in so einer exzellenten Küche zu arbeiten?
Die erste Zeit war absoluter Horror. Das waren sehr lange Tage - um die 18 Stunden. Ich konnte nicht mehr stehen, war müde, aber konnte nicht schlafen. Ich war nur noch am Flattern. Und dann muss man sich freischwimmen, wie Harald Wohlfahrt immer sagt.
Macht das denn überhaupt Spaß?Ja, weil man überzeugt ist, an seine Grenzen gegangen zu sein und Leistung gebracht zu haben.
Wo liegt der Unterschied zwischen dem Kochen in der Küche daheim und dem in der Sterneküche?
Das ist nicht vergleichbar. Wenn ich privat koche, sehe ich das als Entspannung. Klar will ich, dass es schmeckt, aber ich habe keinen Druck. Und in der Sterneküche herrscht teilweise überzogener Perfektionswahn.
Hat das dann überhaupt noch was mit Kochen zu tun oder mehr mit Kunst?
In der Schwarzwaldstube im Hotel Traube Tonbach auf jeden Fall, da lernt man noch das Handwerk. Aber es gibt unter den Gourmetköchen natürlich auch die, die einen Teller mit fünf Pünktchen drauf als Gericht bezeichnen.
Was war Ihr größter Fauxpas in der Küche?
Was der größte war, kann ich gar nicht sagen. Es passieren immer wieder mal Sachen wie, dass etwas anbrennt oder überkocht. Das ist ganz normal - egal, ob daheim oder in der Gourmetküchen. Aber in Erinnerung wird mir immer meine Abschlussprüfung bleiben. Beim Dessert hab' ich Zucker mit Salz verwechselt. Ich hab' aber trotzdem mit 1,0 abgeschlossen, weil ich den Prüfern erklärt habe, dass das Sinn und Zweck dieses Desserts gewesen sei.
Was ist Ihr Lieblingsgericht?
Ich mag eigentlich alles, was so einfach wie möglich gekocht ist. Ich geh' schon ein paar Mal im Jahr in Sterne-Restaurants zum Essen. Das macht Spaß und verschafft Eindrücke von Kollegen, aber am liebsten esse ich beispielsweise Spaghetti aglio olio oder Salat mit Hähnchen.
Was reizt Sie am Kochen als Beruf?Dass man immer wieder Leute überraschen kann.
Was ist Ihr Traum?
Ich war Anfang des Jahres in London und bin durch Zufall in einem Restaurant gelandet, das ich seitdem nicht mehr aus meinem Kopf kriege: ein kleines Lokal im Fabrikstyle, in dem Spitzenfleisch serviert wurde, aber alles sehr locker. Das hat mich schon sehr beeindruckt und das wäre etwas, was ich mir vorstellen könnte, ähnlich umzusetzen. Mal schauen, was kommt.
Die Fragen stellte
Corinna Igler