Er redet Klartext und ist Talkshow-König: CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach hört nach der Bundestagswahl auf – und erhält am Rosenmontag den Kitzinger Schlappmaulorden.
Er redet Klartext, ist Talkshow-König, hat Angela Merkel bei der Griechenland-Rettung oder der Flüchtlingspolitik die Stirn geboten: Wolfgang Bosbach (64) hört nach der Bundestagswahl im Herbst auf – auch wegen seiner Krebserkrankung. Ein Gespräch über Politik und Humor mit dem CDU-Innenexperten, der vor 40 Jahren Karnevalsprinz und 22 Jahre Präsident der „Großen Gladbacher Karnevalsgesellschaft von 1927“ war.
Frage: Ziehen Sie sich auch deshalb aus dem Bundestag zurück, weil der politische Betrieb ziemlich humorlos geworden ist?
Wolfgang Bosbach: Nein. Obwohl ich leider feststellen muss: Der Umzug von Bonn nach Berlin hat auch dazu geführt, dass man etwas weiter von der rheinischen Fröhlichkeit entfernt ist. Wenn die Dreigestirne in Bonn ganz selbstverständlich den Plenarsaal besucht haben, war das ein Höhepunkt des parlamentarischen Betriebes. Wenn die Dreigestirne in Berlin versuchen würden, in den Plenarsaal des Reichstags zu kommen, würde die Bundestagsverwaltung die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.
Gibt es Kollegen von der Opposition, die in Sachen Humor mit Ihnen seelenverwandt sind?
Bosbach: Ich hatte mal einen karnevalistischen Auftritt zusammen mit Gregor Gysi, der in Aachen soeben den Orden „Wider den tierischen Ernst“ bekommen hat. Wir beide waren Angeklagte beim närrischen Gerichtshof in Recklinghausen. Da ich der Angeklagte des Vorjahres davor war, musste ich ihn im Jahr darauf verteidigen. Das war ein wirklich munterer, gemeinsamer karnevalistischer Auftritt: er als Angeklagter und ich als sein Strafverteidiger. Ergebnis: Trotz Bedenken des Gerichtes Freispruch!
Gibt es bei der Opposition Redner, denen Sie zwar inhaltlich nicht folgen, aber gerne zuhören?
Bosbach: Mit Joschka Fischer konnte ich mich politisch-inhaltlich gut streiten, habe ihm immer gerne zugehört, auch weil ihm Ironie nicht fremd war. Obwohl ich weiß, dass Ironie in der Politik ganz, ganz schwierig ist, weil man leicht missverstanden werden kann. Aber es gibt auch ein weit verbreitetes Missverständnis außerhalb des Rheinlandes, nämlich, dass Humor und Fleiß sich ausschließen. Wer humorvoll daherkommt, gerät schnell in den Verdacht, oberflächlich und zu ernster Arbeit nur begrenzt fähig zu sein. Viele kennen vielleicht nicht den Unterschied zwischen Humor und Albernheit.
Wer verträgt Humor gut – oder überhaupt nicht?
Bosbach: Umgekehrt: Wer Angela Merkel jemals aus der Nähe erlebt hat, weiß, dass sie ausgesprochen humorvoll, witzig und schlagfertig ist. Bei allen öffentlichen Auftritten versucht sie jedoch, diesen Eindruck zu vermeiden. In Bundestagsdebatten ist sie immer betont ernst, auch sehr seriös staatstragend. Vielleicht muss sie das als Kanzlerin auch sein.
Hat Ihre frühere Rolle als Präsident der „Großen Gladbacher“ insofern bei der Besetzung von Spitzenämtern geschadet, als ihre Gegner sie in die Ecke „nicht seriös genug“ stellen konnten?
Bosbach: Ich hoffe nicht, aber ich kann es auch nicht ausschließen. Bei uns im Rheinland sagt man: Respekt, der ist Präsident einer Karnevalsgesellschaft! Andernorts würde man sagen: Um Gottes willen, der ist ja Karnevalspräsident, wie kann der denn ernsthaft politisch arbeiten? Aber ich bin dennoch nicht bereit, mein karnevalistisches Engagement zu leugnen, nur um politisch weiter Karriere zu machen.
Minister oder Staatssekretär sind Sie zumindest nicht geworden. Auch, weil Sie zu oft klar ihre Meinung gesagt haben?
Bosbach: Vielleicht ist es tatsächlich so. Wahrscheinlich hat es den ein oder anderen gestört, dass ich offen gesagt habe, was ich für richtig halte und dass ich lieber den geraden Weg gehe, als Pirouetten zu drehen.