Der Trip seines Lebens und immer am Limit: Ralph Hartner ist auf dem Friendship Highway von Tibet nach Nepal gefahren - mit dem Fahrrad. Über eine Herausforderung im Sattel.
You're strong, take your time!“ Immer wieder spornt Songa, ein Nepali, den Deutschen an. 23 Kilometer geht es nur bergauf. Die Luft in fast 5000 Metern Höhe ist so dünn, dass Ralph Hartner zum Trinken anhalten muss. Was dem 59-jährigen Kitzinger in solchen Momenten am Limit hilft, ist der Gedanke an den einbeinigen Rikscha-Fahrer, dem er vor Tourbeginn begegnete. „Wenn jemand mit einer solchen Einschränkung sein Leben meistert, indem er Personen und ganze Stapel von Paketen befördert, dann kann ich mit zwei gesunden Beinen doch wohl jeden noch so hohen Berg hinauf radeln.“
Zehn Jahre vorher: Ralph Hartner liest in einer Zeitschrift von geführten Fahrradreisen auf dem Friendship Highway von Tibet nach Nepal. Sofort ist er fasziniert von der Route, verbindet sie doch seine zwei Leidenschaften miteinander: Sport und fremde Kulturen. „Je exotischer, desto besser.“ Der Gedanke lässt Hartner, Hauptamtsleiter im Kitzinger Rathaus, nicht mehr los. Das höchste Gebirge der Erde wird für ihn zum Sehnsuchtsort, obwohl er schon zweimal zum Trekking dort war. Im Winter 2018 bucht er schließlich den Trip bei einer Agentur in Kathmandu. Und beginnt, sich vorzubereiten.
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Vorbereitung im Fitnessstudio – und in den Weinbergen im Landkreis
Zwei oder drei Mal pro Woche geht er ins Fitnessstudio und ist „auf dem Spinning-Rad in Gedanken immer im Himalaya“. Zwei Mal pro Woche müht sich der Hauptamtsleiter noch vor Arbeitsbeginn den Schwanberg hinauf. Abends und an den Wochenenden radelt er durch die Weinberge und in den Steigerwald. Immer besser meistert er den „Kniebrecher“ in Castell, den anspruchsvollsten Anstieg, den der Landkreis Kitzingen zu bieten hat, und gelangt in immer größeren Gängen nach oben.
So kommen im Laufe der Monate fast 3000 Kilometer zusammen – und „die wenigsten führten am Main entlang“. Weil er nicht so viel Zeit gehabt habe, „musste das Training zu spüren sein“, meint Hartner. Irgendwann verzichtete er auf Alkohol und Süßigkeiten und nahm schon vor der Tour fünf Kilogramm ab.
Als es ernst wird, zahlt sich das aus. „Take a rest, eat and drink, you can do it!“ Wieder ist es Songa, der dem Kitzinger Mut macht. Drei Pausen und mehrere Energieriegel später hat sich Ralph Hartner auch die letzten fünf Kilometern der Tagesetappe hoch gestrampelt. Der Marathon, den er als junger Mann lief – ein Klacks im Vergleich zu den Strapazen im Himalaya. „Nach der Feuerprobe im Juli auf den 2450 Meter hohen Flüelapass in Davos habe ich mich gewappnet gefühlt“, meint Hartner rückblickend. Die 1000 Höhenmeter dort habe er recht locker genommen. Doch jetzt weiß er: Sie sind „kein Vergleich“.
„Aufgeben war zu keiner Zeit eine Option.“
Ralph Hartner über seine Fahrt im Himalaya„Ein Anstieg von 4200 auf 5200 Metern Höhe ist unglaublich viel schwerer.“ Sechs Mal überqueren Songa und er 5000er-Pässe. „Aufgeben war zu keiner Zeit eine Option.“ Songa hat eine Engelsgeduld und drängt nie. Er hat Stoffschuhe an den Füßen und trägt keine Funktionskleidung. In Kathmandu angekommen, wird ihm Hartner seine Klickschuhe fürs Fahrrad und mehrere Kleidungsstücke schenken.
Die drei Australier, zwei von ihnen Frauen, und der Japaner, die die anspruchsvolle Tour ebenfalls gebucht haben, radeln meistens einige Kilometer voraus. Alle vier sind Ironman-Athleten. Anfangs in kleinen Hotels, später in Camps trifft man sich mittags und abends wieder. „Meistens hatte die Crew, die die Tour begleitete, die Zelte schon aufgestellt, gekocht und wir mussten uns nur noch an den mit Tischtuch und heißer Suppe gedeckten Tisch setzen“, erzählt Hartner vom wohltuenden Anblick nach den Höhen und Tiefen des Tages. Es gibt Zelte zum Übernachten, aber auch ein Duschzelt mit einem 50-Liter-Bottich heißen Wassers samt Schöpfkelle, ein Toilettenzelt, ein Küchenzelt und ein Speisezelt.