Während der Grünen Woche sieht es immer so aus, als seien Bauern und Verbraucher völlig gegensätzlicher Meinung. Im Landkreis Kitzingen verfolgen sie die gleichen Ziele.
                           
          
           
   
          Am Wochenende startete die Grüne Woche in Berlin. Die größte internationale Agrarmesse macht die Bauern im Land immer unruhig. Vor Beginn fürchten sie den Aufmarsch von Demonstranten, die gegen ihre Arbeitspraktiken protestieren. Der Vorwurf: Massenhafte Fleischproduktion, ermöglicht durch Massentierhaltung bei hohem Antibiotika-Einsatz.
Am vergangenen Samstag zogen unter dem Motto "Wir haben es satt" 25.000 Demonstranten aus ganz Deutschland durch das Regierungsviertel zum Bundeskanzleramt - auch Landkreisbürger waren darunter. Der Bund Naturschutz, Kreisverband Kitzingen, konnte einen Bus mit 50 Mitstreitern füllen. "Der Zug war sechs Kilometer lang, das ist schon enorm", sagt Klaus Petter aus Mainstockheim, einer der Teilnehmer. 
  
  TV-Bilder bleiben haften Die Proteste finden jedes Jahr statt. 
Heuer wollten die Funktionäre etwas dagegensetzen und sich als erste äußern, bevor dann wieder die Fernsehbilder von einem Menschenzug mit Spruchbändern und Protestaktionen gezeigt werden. "Diese Bilder setzen sich in den Köpfen fest. Das korrekte Arbeiten des Landwirts wird dadurch in Misskredit gebracht", sagte Rudolf Bender, der BBV-Geschäftsführer in Kitzingen. Auch im Landkreis Kitzingen fand eines dieser vom Bayerischen Bauernverband bayernweit anberaumten Stallgespräche statt. Rudolf Bender hatte ein Treffen bei Kreisobmann Alois Kraus in Biebelried terminiert. An dem Gespräch nahmen der Mainstockheimer Schweinemäster Ernst Dorsch und der Geiselwinder Milchviehhalter Hans Haubenreich teil und bezogen Stellung auf die Argumente der Demonstranten. 
Was Alois Kraus daran ärgert: "Diese Demonstranten haben keine Scheu, pauschale Verunglimpfungen gegen alle Bauern auszusprechen." Die Bauern aus dem Landkreis betonten, eine Massentierhaltung wie im Norden oder Osten der Republik gebe es im Landkreis Kitzingen nicht. Klaus Petter gibt zu, dass der Protest in Berlin wenig mit den bäuerlichen Strukturen in Unterfranken zu tun habe. Dennoch hofft er, dass der laut ausgerufene Wunsch nach einer ökologischeren Landwirtschaft die Addressaten erreichen möge.
Beim Stallgespräch bezog Kreisobmann Kraus stets seine Kollegen ein. Den Einsatz von Antibiotika beschränkten sie auf das unbedingt notwendige Maß, versicherte er. Wenn Tiere erkrankt sind, komme Antibiotika zum Einsatz. Amtstierarzt Dr. Uwe Knickel, Sachgebietsleiter am Landratsamt, bestätigte den Trend. Die Vorbeugung vor bakteriellen Infektionskrankheiten, habe stark abgenommen. 
Früher sind reihenweise alle Tiere gespritzt worden. Gegen Grippe wird nach wie vor geimpft - aber auch nur bei einem konkreten Anlass.
  
  Erwartungen ändern sich Die Erwartungen an die Landwirte ändern sich. Und damit wandelt sich auch die Herstellung von Grundnahrungsmitteln. Erkenntnisse aus der Tiermedizin beeinflussen die Haltung und fließen zum Beispiel in Grundriss und Einrichtung der Ställe ein. "Licht, Luft, Wasser, eine geregelte Temperatur und die Hygiene müssen passen, dann kann man die Tiere artgerecht aufziehen", sagte Hans Haubenreich im Hinblick auf die Rinderzucht. Es sei ihm und seinen Kindern ganz wichtig, dass es seinen Kühen gut geht. Tierschutz und die Beziehung zum Tier liegen ihm am Herzen.
Uwe Knickel und seine Mitarbeiter kontrollieren regelmäßig Ställe im Landkreis. 
Bis ein Stück Fleisch beim Verbraucher auf dem Teller oder Milch in der Müslischale landet, sind etliche Proben von den Tieren selbst und ihren Produkten genommen. Bei Bullen macht das Veterinäramt Urinkontrollen und sucht nach Rückständen verbotener Antibiotika. Künftig soll es auch eine Datenbank geben, die den Einsatz und Verbrauch sämtlicher Antibiotika in sämtlichen Ställen dokumentiert.
Kurz vor Beginn der Grünen Woche hat Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) zusammen mit dem Deutschen Tierschutzbund ein neues Umweltsiegel vorgestellt. Das Label kennzeichnet Fleisch aus tierschutzgerechterer Produktion in zwei Qualitätsstufen und basiert vor allem auf der Fläche, die den Tieren im Stall zur Verfügung steht. Die Bauern im Landkreis sehen das kritisch. Sie bekämen zwar - bei entsprechender Umstellung ihres Hofes - das Siegel veliehen, aber keinen Cent Geld mehr. 
Rudolf Bender denkt, das könnten gar nicht alle Betriebe im Landkreis umsetzen, sie müssten vielleicht sogar aufgeben. "Die Nutztierhaltung ist kein Streichelzoo", mit diesem Worten drückt Tierarzt Knickel das Dilemma aus.
Unter den Eindrücken der Bilder von 25.000 demonstrierenden Menschen könnte manch ein Hofnachfolger Bedenken bekommen, vermuten Kraus und seine Kollegen. Junge Bauern könnten die Lust auf die Landwirtschaft verlieren, wenn sie ständig beschimpft würden. "Wenn sie jeden Tag ans Bein gepinkelt kriegen, hören sie mit der Viehhaltung auf", drückt es BBV-Funktionär Bender drastisch aus.