Von begeisterten Gästen profitiert am Ende jeder Landkreisbürger.
Landkreis KT
Stramme Waden, suchender Blick, jugendliches Lächeln: Zwei Herren bogen am Mittwochmittag auf ihren Fahrrädern Richtung Kitzinger Marktplatz ab. Die voll beladenen Satteltaschen verrieten: Die beiden sind Touristen. "Woher? Wohin?" Diese neugierigen Fragen stoppten die Radfahrer - und schon leisteten Werner Kunze und Franz Wilmsen ganz spontan einen Beitrag zum heutigen Welttourismustag.
"Wir kommen aus Gelsenkirchen und sind auf dem Main-Radweg unterwegs", erzählte Werner Kunze bereitwillig. Franz Wilmsen und er seien gute Freunde und schon öfter auf ihren Drahteseln in Deutschland unterwegs gewesen. "Man erschließt sich die Landschaft ganz anders, wenn man Fahrrad fährt." Die Landschaft - und auch die Genüsse "drumrum".
Am frühen Morgen waren die beiden Rentner in Schweinfurt aufgebrochen und hatten in Volkach Rast gemacht.
"Der Volkacher Wein ist wirklich gut", meinte Wilmsen lachend. "Wir saßen beim Rathaus in der Sonne - herrlich war's!"
Herrlich - das ist das Stichwort für Regionalmanagerin Simone Göbel vom Dachmarketing des Landkreises. Sie freut sich, dass das neue Radkonzept mit seinen Themen-Touren und die "Gelbe Welle" für Kanu- und Kajakfahrer auf dem Main erfolgreich etabliert sind. Nun werde man sich verstärkt auf das Wanderwegekonzept konzentrieren.
Immer mehr Gäste
338 574 Urlauber sind 2012 in den Landkreis Kitzingen gekommen - nicht erfasst sind die Gäste in Ferienwohnungen und den vielen (Winzer-)Betrieben, die weniger als zehn Betten haben. Dennoch zeigt die Zahl eines: "Die Tendenz steigt, es kommen immer mehr Menschen zum Erholen und Genießen zu uns", berichtet Göbel.
Durchschnittlich bleibt jeder Gast 1,8 Tage hier.
Das ist ein Plus von zwei Prozent im Vergleich zu 2011. Doch Simone Göbel rät, sich von der erfreulichen Statistik nicht blenden zu lassen: "Es ist ganz wichtig, immer weiter an der Qualität und am Service zu arbeiten." Schulungen für Betriebe, speziell in Sachen Kundenfreundlichkeit und Service-Orientierung, seien auch in "guten Jahren" unabdingbar. "Dranbleiben", müsse die Devise lauten.
Nicht nur für Winzer und Gastwirte, sondern für viele Branchen - vom Apotheker bis hin zum Einzelhandel - sei der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. "Und ein großer Arbeitgeber", fügt Marco Maiberger (TI Volkach) hinzu.
Das sehen alle anderen Tourismus-Experten des Kreises genauso. Walter Vierrether, Leiter der Kitzinger Tourist-Info, bestätigt, dass es sich lohnt, gerade Radfahrern, Wanderern und Wohnmobilisten einen unkomplizierten Urlaub zu ermöglichen.
"Investitionen dafür zahlen sich aus." In den vergangenen Jahren haben speziell in Kitzingen zudem die Gartenschau und die Anlegestelle der Hotelschiffe für einen Boom gesorgt.
Doch Vierrether weiß auch: "Nur wegen einer Stadt oder einem Ort kommen die wenigsten Gäste." Deshalb seien Verbünde sehr wichtig, etwa die "Gastlichen Fünf" - ein organisatorischer Zusammenschluss von fünf Städten - , die "Dorfschätze" oder die Kommunale Allianz "Südliches Maindreieck". Vor allem aber werde h im Dachmarketing des Landratsamtes "sehr gute Arbeit für uns alle geleistet", lobt Vierrether. "Das Kirchturm-Denken ist verschwunden!"
"Der Hammer"
Da kann Barbara Dill nur nicken. "Der Gast hört ja nicht an Orts- oder Kreisgrenzen auf, Urlaub zu machen", sagt die Tourismusfachfrau aus Dettelbach.
Die Iphöfer Tourist-Info-Leiterin Claudia Bellanti betont: "Kooperation ist heute eine Selbstverständlichkeit." Themen wie das Radwegenetz könnte ein Ort allein gar nicht umsetzen. "Beim Dachmarketing laufen die Fäden zusammen." Maiberger ergänzt: "Darum wird man von anderen Regionen beneidet."
Barbara Dill bezeichnet zum Beispiel den vom Dachmarketing forcierten Main-Radweg als "den Hammer schlechthin". Die Übernachtungsbetriebe haben sich laut Dill inzwischen auf die vielen Radgäste eingestellt und vermieten mittlerweile problemlos auch nur für eine Nacht.
Kein Sommerloch mehr
Marco Maiberger, seit acht Jahren Tourismus-Chef in Volkach, findet, dass der Tourismus viel individueller geworden ist, "weg vom klassischen Bus-Tourismus hin zum Individualreisenden". Es gebe sehr viele Kleingruppen, die im Familien- und Freundeskreis auf Tour
gehen, gerade zwischen Mai und September. Claudia Bellanti hat Ähnliches beobachtet: "Ein Sommerloch haben wir in Iphofen kaum noch."
Sowohl Bellanti als auch Maiberger betonen, dass professionelle, individuelle Angebote in den letzten Jahren immer wichtiger geworden sind. Führungen mit Erlebnis-Charakter zum Beispiel - Maiberger spricht etwa von Radtouren mit Guide und Brotzeit oder Stadtführungen mit anschließender Weinprobe beim Winzer. Bellanti meint, Weinerlebnis-Führungen seien heute - nach einer breit angelegten Ausbildungsinitiative - schon selbstverständlich.
"Du musst Dir immer wieder neue Dinge einfallen lassen und darfst Dich auch der neuen Technik nicht verschließen", bringt Maiberger die Erfordernisse auf den Punkt. "Genau den Markt beobachten und mitbekommen, was die Gäste wünschen" (Barbara Dill) - dieses Ziel vereint alle Tourismus-Fachleute im Landkreis.
Was Werner Kunze und Franz Wilmsen in Kitzingen wollten, war schnell klar: "Gut fränkisch zu Mittag essen", ehe sie sich wieder in den Sattel schwangen. Und: "Ein paar mehr Biergärten mehr direkt neben der Strecke würde der Main-Radweg schon gut vertragen."
DIE ZAHLEN SPRECHEN FÜR SICH:
Mehr als ein Taschengeld: Über 113,40 Euro pro Tag gibt jeder Übernachtungsgast im Durchschnitt während seines Besuches im fränkischen Weinland aus, im Steigerwald sind es 122,60 Euro. Immerhin 48,70 lässt ein Tagesausflügler durchschnittlich hier.
Wirtschaftsfaktor: Der Bruttoumsatz im fränkischen Weinland betrug vergangenes Jahr 1 741 Millionen Euro. Das ist laut Simone Göbel (Dachmarketing) eine Steigerung um fast fünf Prozent im Vergleich zu 2008.
ldk