Wer sich dieser Tage durch die Zeitung blättert, sieht viele Vereine leiden: an chronischem Nachwuchsmangel. Gibt es einen Ausweg aus dieser existenziellen Krise?
Bei Google, dieser digitalen Datenkrake, habe ich eingegeben: „Verein sucht Vorstand.“ Ich erhielt 631 000 Treffer, doch diese Zahl einzuordnen fällt mir schwer. Ist sie hoch oder niedrig angesichts der von vielen Klubs geführten Klage über zu wenig ehrenamtliches Personal? Wer sich durch die Zeitung der vergangenen Tage blättert, entdeckt gerade die Ergebnisse der jährlichen Mitgliederversammlungen. Von den Fotos lächeln die neugewählten Vorstände.
Ich maße mir nicht an, über das Durchschnittsalter der Amtsinhaber zu spekulieren, aber gefühlt sind es zum Großteil Mitglieder im besten Alter, also Menschen ab 50 aufwärts. Einer unserer freien Mitarbeiter, vor nicht allzu langer Zeit in den Ruhestand gegangen und gleich in mehreren Vereinen Mitglied, hat sich erst dieser Tage wieder auf einen Posten wählen lassen – nicht ohne sich die Gretchenfrage zu stellen: Wo steckt eigentlich die Jugend? Was treibt der Nachwuchs in den Vereinen, sofern es ihn überhaupt noch gibt?
Wer in viele Gesangvereine blickt, wer sich bei den Heimat- oder Gartenbauvereinen umsieht, muss Zweifel haben. Bei den Sportvereinen sieht es noch etwas besser aus. Es gibt zahlreiche Gründe dafür, dass die Bewerber auch im Land der Vereinsmeier längst nicht mehr Schlange stehen.
Die Mobilität und das Angebot für Jugendliche haben im gleichen Maß zugenommen, wie die Bereitschaft, sich längerfristig zu binden und sich gesellschaftlich zu engagieren, abgenommen hat. Von allen Problemen, die unsere Vereine hierzulande bedrücken, ist dies mit Abstand das größte. Denn auf dem Spiel steht mancherorts nicht weniger als die Existenz der Vereine, die bisweilen auf eine jahrzehntelange Tradition blicken und vor allem auf dem Land immer noch die Gemeinschaft am Leben halten.
Was, wenn es sie eines Tages nicht mehr geben wird als Keimzelle des sozialen Miteinanders? Stirbt dann die Gemeinschaft, oder sucht sie sich ein anderes Fluidum, über das sich der Geist dieser gemeinnützigen Gesellschaft verbreitet?
Ein Vereinsvorsitzender erzählte mir neulich bei einem privaten Treffen, wie Mitgliederwerbung im Idealfall aussieht. Wenn er im Verein etwas zu tun hat, sind seine beiden Kinder wie selbstverständlich dabei. Sie wirken nicht bloß bei Auftritten mit, sondern sind auch sonst in das Vereins- und damit in das Dorfleben integriert. So lernten sie schon früh, was es heißt, sich gesellschaftlich zu engagieren und, mehr noch, dass es vieler kleinerer Rädchen bedarf, die ineinander greifen müssen, um das große Rad am Laufen zu halten.
Ich halte das für einen guten Ansatz. Die Kinder spüren am eigenen Leib, was sich hinter einem anonymen Verein verbirgt, sie erkennen, wieviel Arbeit nötig ist, um übers Jahr zu kommen. Sie lernen, dass es auch im Zeitalter des Digitalen und der Roboter noch immer Menschen sind, die das Wesen dieser Vereine ausmachen. Menschen wie sie und andere, klein und groß, arm und reich – eben das, was prägend ist für Charme und Vielfalt unserer Vereine.
Zuweilen fragt man sich, ob den zig Millionen Mitgliedern hierzulande eigentlich bewusst ist, was sich in ihren Vereinen abspielt. Ob sie nicht manchmal mit ihrer Kritik übers Ziel hinausschießen und nicht viel lieber dankbar sein sollten, dass ihr Sprössling für lächerliche 20 Euro Jahresbeitrag zwei- oder dreimal die Woche von zumeist ehrenamtlichen Betreuern unter die Fittiche genommen wird.
Das Perfide ist, dass manche Klubs kaum anders können, als ihren Jungmitgliedern den Hintern zu pudern, weil sie angewiesen sind auf diese Klientel. Nachwuchs läuft ihnen nicht mehr zwangsläufig zu, und wenn Verein A nicht bereit ist, ihnen etwas zu bieten, wechseln sie eben zu Verein B. Noch ist der Konkurrenzkampf um die jüngsten Mitglieder nicht voll entbrannt, aber er wird schärfer werden, und nicht alle werden in dieser Schlacht bestehen. Vorboten einer untergehenden Vereinskultur?