Das Weihnachtsoratorium von Kirchen- und Kammerchor St. Johannes bot einen außergewöhnlichen Konzertabend. Warum die Aufführung unter den Adventskonzerten herausragt.
Völlig zu Unrecht ist Christoph Graupner, ein Zeitgenosse Bachs, in Vergessenheit geraten. Davon konnte man sich in der voll besetzten Pfarrkirche St. Johannes am Sonntag überzeugen lassen. Immerhin hinterließ Graupner (1683 – 1760) mehr als 1400 Kantaten. Die Texte, verfasst von Johann Konrad Lichtenberg, einer literarischen, politischen und theologischen Persönlichkeit, appellieren an den gläubigen Christen: „Du sich'res Volk, lass deinen Spott, der Tag ist nah, der deine Bosheit endet.“ Er hebt den moralischen Zeigefinger, wie Regionalkantor Christian Stegmann im Begleitheft schreibt.
Fünf Kantaten im Mittelpunkt
Fünf Kantaten aus Graupners umfangreichem Werk hatte Stegmann für dieses Konzert zu einem Weihnachtsoratorium zusammengestellt. Es begann mit dem Pianissimo des anschwellenden Waldhorns, der Traversflöten, die von den Streichern bis hin zu den Oboen übernommen wurden, und einem beeindruckenden Klangvolumen der etwa 60 Sänger von Kirchenchor und Kammerchor St. Johannes. Nach dem mahnenden Rezitativ der Sopranstimme von Anna Nesyba, „Erwacht, ihr schläfrigen Gemüter!“, folgten Bass (Jakob Mack) und Tenor (Oliver Kringel) im Wechsel mit dem mal sachte, mal stimmgewaltig ertönenden Chor und dem einfühlsam zurückhaltenden Orchester „La Ciaccona“ aus München.
Mehrmals mussten die etwa 20 Musiker ihre historischen Instrumente nachstimmen, um ein wahres Jauchzen mit Pauken und Trompeten oder einen sich steigernden ungewöhnlichen Rhythmus in der Kantate zum Neujahrstag erklingen zu lassen.
Leichtigkeit und Singfreude der Solisten
Mit einer wohltuend natürlichen Ausstrahlung sang Anna Nesyba scheinbar mühelos alle Nuancen ihrer Stimmlage. Da hörte man innige, nur gehauchte Töne wie auch wunderbar helle und klare Höhen. Eine heitere Leichtigkeit und Singfreude war allen drei Solisten anzumerken. Ein überaus harmonisches Zusammenwirken mit Chor und Orchester, was im Duett „Komm, mein Freund, mein Heil, mein König“ sehr schön zum Ausdruck kam.
Einen Vergleich mit Johann Sebastian Bach muss Christoph Graupner wahrlich nicht scheuen. Zu Lebzeiten genoss er hohes Ansehen und galt als moderner als der zwei Jahre jüngere Bach (1685 – 1750). Das verwundert nicht, wenn man die überraschend melodiösen und eingängigen Chorsätze, Rezitative und Arien an diesem Abend hören durfte. Manches, wie der Choral „Wacht auf, ruft uns die Stimme“ oder auch „Kein Engel, keine Freuden“ meinte man zu kennen.
Segen für den Fürsten
Die Segensbitte der Kantate zum Neujahrstage 1741 könnte für unsere Gegenwart geschrieben sein: „Segne heute alle Stände, segne Kirch und Polizei. Ändre die betrübten Zeiten, stehe uns erbarmend bei.“ Aber auch seinen Dienstherrn, den Landgrafen Ernst-Ludwig zu Hessen-Darmstadt ließ Graupner in seine Segenswünsche einschließen: „Dass Darmstadts Fürstenthron zum frohen Trost der Landgenossen stets fort ein Baum des Rechts und (der) Gnade sei.“
Es war ein außergewöhnlicher Konzertabend, der unter der Leitung von Christian Stegmann als einer der Höhepunkte unter den vielen Adventskonzerten im Umkreis gelten darf. Lange anhaltender, begeisterter Applaus belohnte die Akteure nach der knapp zweistündigen Aufführung.