So sieht Frust im Knast aus

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Thomas Siegmund zeigt im Marktstefter Gefängnisturm auf die wohl jüngste Inschrift eines Kriegsgefangenen aus dem Jahr 1918 ...
Ein Gästebuch der etwas anderen Art: Auf einer extra angefertigten Stellwand können sich die Besucher der Sonderausstellung mit einem Graffiti verewigen. Foto: Nina Grötsch
 

Nach reichlich Arbeit hat Museumsleiter Thomas Siegmund die neue Sonderausstellung fertig. Sein Konzept: Gefangenengraffiti aus der Vergangenheit mit denen von Heute verknüpfen.

Es ist ein fieses Kratzen, das da ertönt, als der spitze Nagel am Rauputz entlang ritzt. Es bedarf einiger Sekunden Anstrengung, dann hat Thomas Siegmund seine Initialen in die Wand geritzt. Er betrachtet sein Werk. Ungefähr so haben das früher sicher auch die Gefangenen gemacht, die einen Stock höher gerade ihre Strafe absaßen.
Thomas Siegmund steht im ehemaligen Marktstefter Gefängnisturm. Er rahmt die letzten Bilder, trifft letzte Vorkehrungen für die Eröffnung der großen Sonderausstellung am kommenden Samstag. Sie trägt den Titel "Frust im Knast" und zeigt Graffiti von Gefangenen - früher und heute. Der Museumsleiter hat in den letzten Monaten keine Mühen gescheut. Für die neue Ausstellung hat er Verbindung zur Justizvollzugsanstalt Würzburg aufgenommen. In einer Kreativgruppe haben Gefangene eigens für die Marktstefter Ausstellung Graffiti entworfen - ausnahmsweise nicht auf Wänden, sondern auf Papier. Ergänzt werden die entstandenen Werke von Fotografien, die Originalgraffiti aus der JVA zeigen.

Insassen hinterließen ihre Spuren

Siegmund steigt die schmalen Holzstiegen im Turm nach oben. "Nicht ganz ungefährlich", wie er nebenbei bemerkt. Wer vorsichtig auf seinen Weg achtet, kommt aber gewiss oben an - und wird für seine Anstrengung gebührend entschädigt. Denn in den niedrigen und urigen Marktstefter Gefängniszellen warten - als perfektes Gegenstück zu den aktuellen Graffiti aus der JVA - original Ritzungen von früher. Ein Restaurator hat diese freigelegt. Der älteste Eintrag stammt von einem Kriegsgefangenen aus dem Jahr 1842.
Dass auch der Museumsleiter sich in den engen Räumlichkeiten noch an der Türe stößt, macht ihn sympathisch. "Man sollte wohl demütig in seine Zelle schreiten", hat er eine Erklärung. Drinnen sind die Wände über und über mit Graffiti bemalt. "Wie man sieht, war das Können der Insassen unterschiedlich", sagt Siegmund und zeigt auf einen detailgetreu gezeichneten Soldaten, der im Umfeld einige Male nachgeahmt wurde - mit deutlich mäßigerem Erfolg.
Weil die Insassen in Marktsteft meist nur Stunden- oder Tagesstrafen verbüßten, dienten die Kritzeleien dort wohl weniger dem Zeit-Totschlagen als der Kommunikation, tippt Siegmund. Trinksprüche wechseln sich ab mit zornigen Worten, aber auch reumütigen Zeilen.
Wie viele Stunden Siegmund in die Ausstellung gesteckt hat? Darüber will er gar nicht so wirklich nachdenken. Mit seiner Frau Patricia und einem Team aus knapp zehn Helfern hat er zwar auch Unterstützung, vieles bleibt aber doch an ihm hängen. "Ich will es eben auch richtig schön machen", erklärt der Museumsleiter, warum er so viel Herzblut ins Museum steckt. Mit einem Freund hat er sogar eine Art Slapstick-Film gedreht, der in der Ausstellung zu sehen ist und die Überführung eines Gefangenen in seine Zelle zeigt. Nicht zuletzt der beweist, dass Siegmund seine Arbeit mit Freude macht.

Allgemeines Das Museum für Stadt- und Familiengeschichte wurde im September 2004 im Marktstefter Rathaus eröffnet. Leiter ist Thomas Siegmund, der auch die jährlichen Sonderausstellungen organisiert - in diesem Jahr trägt diese den Titel "Frust im Knast" und zeigt Gefängnisgraffiti gestern und heute. Zur Ausstellung erscheint ein farbiges Begleitheft. Offizielle Eröffnung ist am Samstag, 30. April, um 18 Uhr.

Dauer Die Sonderausstellung läuft vom 30. April bis zum 30. Oktober. Sie befindet sich zum Großteil im historischen Gefängnisturm Marktsteft.

Öffnungszeiten samstags von 10 bis 11 Uhr und sonntags von 14 bis 16 Uhr sowie nach Vereinbarung.

Führungen sind möglich. Termine können unter Tel. 0 93 32/ 90 21 vereinbart werden.