Sind Kartoffeln Müll, nur weil sie zu groß sind?

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Diese bizarr geformten Kartoffeln wurden nach der Ernte auf einem Acker bei Segnitz liegen gelassen. Foto: privat
Diese bizarr geformten Kartoffeln  wurden nach der Ernte auf einem Acker bei Segnitz liegen gelassen.  Foto: privat
 

Dürfen nicht vermarktungsfähige landwirtschaftliche Produkte vernichtet werden? Und ist es erlaubt, übrige Kartoffeln vom Acker zu "retten" und aufzuklauben?

Vor Kurzem ging die Kartoffelernte im Landkreis Kitzingen zu Ende. Die Dämme sind eingeebnet. Zurückgelassen sind etliche Knollen, die später mit dem Grubber in den Boden eingearbeitet werden. So geht das Jahr für Jahr.

2011 sind im Landkreis Kitzingen auf zirka 120 Hektar Ackerfläche Kartoffeln angebaut worden. Seit sich in Schwarzenau der Kartoffel verarbeitende Betrieb Mainfrankenhof der Mainfränkischen Werkstätten angesiedelt hat, konzentriert sich der Anbau im Wesentlichen auf den Schwarzacher Raum. Dort gibt es einige Erzeuger. Die Familie Pauly in Düllstadt ist einer davon. Sie ist etwa eine Woche später dran, weil sie eine später reifende Sorte anbauen. Ansonsten handelt es sich im Landkreis laut Rudolf Bender, Geschäftsführer der Geschäftsstelle Kitzingen des Bayerischen Bauernverbandes, um Betriebe, die für den Eigenverbrauch anbauen oder um kleinere Direktvermarkter.

Ein solcher Direktvermarkter dürfte nach Einschätzung des Kitzinger Kreisobmanns Alois Kraus der Landwirt sein, auf dessen abgeerntetem Kartoffelacker kürzlich ein Disput stattgefunden hat.

Georg-Friedrich Weist aus Marktbreit sah bei einem Spaziergang, dass auf diesem Acker noch viele Kartoffeln lagen. "Sie waren zum Teil groß, mitunter bizarr geformt oder auch etwas klein geraten. Aber alles waren essbare Kartoffeln, also Nahrungsmittel", berichtet Weist. Er unterhielt sich mit einigen Segnitzern und erfuhr, dass diese Kartoffeln nicht der EU-Norm entsprächen und damit unverkäuflich seien.

Kartoffeln dürfen neben der passenden äußerlichen Beschaffenheit keine Wachstumsrisse haben oder grüne Stellen. Für fehlerhafte Ackerfrüchte gibt es vom Abnehmer Abzüge. Bei zu vielen Fehlerpunkten ist auch eine totale Annahmeverweigerung möglich. "Es ist ein hartes Unterfangen", sagt ein großer Erzeuger, der nicht genannt werden will.

Weist empört das. "Kann man so mit der Natur umgehen? Einfach Nahrungsmittel auf dem Acker verfaulen lassen?", fragt er entsetzt und traurig zugleich. "Die Bauern lassen die Kartoffeln ja nicht aus Spaß an der Freud' liegen", sagt Rudolf Bender. Letztendlich würde die Biomasse wieder in den Naturkreislauf zurückgeführt.

Alois Kraus erklärt, der Markt schreibe gewisse Qualitätsanforderungen vor, die die Erzeuger erfüllen müssten. "Wenn der Handel die Ware nicht abnimmt, weil die Verbraucher zum Beispiel unförmige Kartoffeln ablehnen, dann hat der Bauer keine Wahl", sagt Kraus.

Georg-Friedrich Weist ist das Problem bewusst.

Dennoch sagt er: "Mir blutet das Herz." Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse seien heutzutage nichts mehr wert. Kartoffeln oder etwa Steinobst würden nicht mehr geschätzt, sagt Weist, der in der Oikos-Akademie in Marktbreit Mitglied ist. Diese politische Vereinigung verbindet ökologische und ökonomische Fragen miteinander. Sie befasst sich auch mit dem ökologischen Landbau. Die heutige Landwirtschaft sieht Weist als sehr weit davon entfernt an. "Wir alle müssen umdenken. Es ist eine Sache der Erziehung, dass Nahrungsmittel wertgeschätzt werden."

Ein weiteres Problem neben den scharfen EU-Normen ist das große Angebot an vorgefertigten Nahrungsmitteln und Fertiggerichten. "Es macht sich doch keiner mehr die Mühe, Reibekuchen frisch aus Kartoffeln herzustellen oder Püree zu stampfen. Das gibt es doch alles aus der Packung", sagt Carola Pauly.
Und als Futtermittel für Tiere haben die braunen Knollen sowieso ausgedient. Das Dämpfen für die Schweine macht schon lange keiner mehr.

Übrigens: Die meisten Bauern sind nicht böse, wenn die übrig gebliebenen Kartoffeln aufgelesen werden. Allerdings sollte man vorher um Erlaubnis fragen.

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