Jeder kennt die Mainfränkischen Werkstätten im Floßhafen Kitzingen. Doch vom Wohnheim in der Siedlung haben viele noch nichts gehört. Dabei feiert es schon 30-Jähriges.
"Bling!" Mit einem metallischen Warnton öffnet sich die Aufzugstür. Im Flur dahinter duftet es nach Kaffee und Gebäck. Aus dem Wohnzimmer im dritten Stock dringen Gesprächsfetzen heraus. Offenbar geht es um den soeben überstandenen Arbeitstag. "Nur rein!", ruft eine Frau mit kurzen, dunklen Haaren und roter Brille; mit heftigem Winken verdeutlicht die ihre Botschaft. Und schwupps, sitzt man mittendrin. Mitten unter den Bewohnern der Lebenshilfe-Wohnstätte in der Tannenbergstraße, die gerade ihren Nachmittagskaffee schlürfen.
"Besuch? Schön!", meint die Frau, die sich als Brigitte Schmitt vorstellt. Sie gehört zu den "Werkstattgängern", die tagsüber arbeiten und gerade von der Arbeit zurückgekehrt sind. Zu ihnen haben sich heute auch zwei Männer aus dem Erdgeschoss gesellt - zwei Rentner. Herbert Blendow und Horst Hauck. Beide machen einen aufgeweckten Eindruck. Blendow erzählt gleich, er habe 35 Jahre lang in den Mainfränkischen Werkstätten geschafft und sei froh, dass es auch für die Senioren ein buntes Tagesprogramm gibt: "Wir basteln, malen, singen, erkunden die Gegend...", zählt er fröhlich auf.
Zwei wichtige Ereignisse Sozialpädagoge Stefan Zenkel nickt: "Jeder Tag bekommt eine gute Struktur." Für Menschen mit geistiger Behinderung sei das nicht weniger wichtig als für alle anderen.
Derzeit ist häufig Üben angesagt - fürs große Sommerfest am 6. Juli. Die Bewohner laden alle Interessierten ein, mit ihnen zwei wichtige Ereignisse zu feiern: 30 Jahre Wohnstätte Tannenbergstraße und 20 Jahre Seniorenwohngruppe Tannenbergstraße.
Dazu soll auch ein Theaterstück aufgeführt werden, bei dem Blendow den Vorleser gibt. Horst Hauck spielt ebenfalls mit. Was genau, verrät er aber noch nicht: "Kann ja jeder kommen und zuschauen!"
Auf viele Gäste hofft auch Josef Sauer. Der 84-jährige gebürtige Dimbacher ist der älteste Bewohner; er sammelt mit Leidenschaft bunte Spazierstock-Schildchen. Sauer erzählt stolz, dass er einen seiner prächtigen Stöcke verliehen hat - an die Sommerfest-Schauspieler.
Die Vorfreude auf die große Party entschädigt die Bewohner ein bisschen für die abgesagte Urlaubsfahrt in die Berge - wegen des Hochwassers in Südbayern konnte die Freizeit bislang nicht stattfinden. "Aber sie wird natürlich nachgeholt", stellt Heilerziehungspflegerin Anita Ott-Olbrich unter dem Jubel der "Tannenbergler" fest. Die Wohnstättengruppen fahren jedes Jahr einmal in Urlaub, zudem gibt es Ausflüge aller Art.
Streitereien dauern nicht lange "Neulich waren wir auf einem Bauernhof. Da hab' ich alle Tiere gestreichelt", berichtet Herbert Blendow. Im 2005 generalsanierten Wohnheim selbst gibt es keine Vierbeiner, dafür einige Vögel als Haustüre. Brigitte Schmitt lacht: "Wir sind manchmal selber wie Hund' und Katz'!" Allerdings dauerten Streits meistens nicht lange.
"Wie in jeder Großfamilie kracht's auch bei uns mal", bestätigt Ott-Olbrich. Zenkel ergänzt: "Aber dafür, dass so viele Leute auf einem Haufen leben, herrscht meist ein sehr gutes Klima. Man lernt halt auch, sich zusammenzuraufen."
"Mir gefällt's hier sehr gut", meldet sich Renate Rauch zu Wort. Sie ist ein ruhiger Mensch und hatte bisher still dabeigesessen. Nun lacht sie Josef Leegner an - und der grinst schelmisch zurück: "Mir auch!"
Neben dem eigenen Schlafzimmer und den gemeinsam genutzten Ess- und Wohnräumen gibt es auch einen Anbau, den Pavillon, fürs Freizeitprogramm, sowie eine große, überdachte Terrasse zum Entspannen. Rund um die Uhr sind insgesamt 30 Betreuer einsatzbereit. "Das gibt Sicherheit, das ist wichtig", weiß Ott-Olbrich. "Die Menschen sollen sich in ihrer Einzigartigkeit geachtet, sicher und geborgen fühlen."
Der 84-jährige Josef Sauer nennt das auf gut Fränkisch so: "Da kammer scho lebb!"
Lebenshilfe Der Verein
Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Kitzin-gen e.V. ist Träger der Mainfränkischen Werkstätten; die Wohnstätten GmbH, zu denen die Tannenbergstraße 25 gehört, ist eine Tochtergesellschaft der "Mainfränkischen".
Sommerfest Am Samstag,
6. Juli, gibt es im Tannenberg-Wohnheim - hinter dem Kleistplatz - gleich zwei Ereignisse zu feiern: 30 Jahre Wohnstätte und 20 Jahre Seniorenwohngruppe. Von 15 bis 21 Uhr wird für alle Bürger ein buntes Programm geboten mit Tombola, Theater, Kutschfahrten, Bilderausstellung, Schminken und Cocktailbar. Am Nachmittag spielt Blasmusik, abends eine Band.
43 Wohnplätze gibt es in der Lebens-
hilfe-Wohnstätte Tannenbergstraße
(36 Einzel- und drei Doppelzimmer). 19 Bewohner sind bereits in Rente, die anderen gehen täglich zur Arbeit, etwa in den Mainfränkischen Werkstätten.