Lässt sich das, womit Sie Geld verdienen, auch in einfachen Worten ausdrücken?
Özdil: Wir haben eine sogenannte ERP-Plattform entwickelt. Enterprise Ressource Planning (ERP) ist die strukturierte Bearbeitung von Geschäftsvorfällen mit Hilfe leistungsfähiger Software. Wenn Sie beispielsweise einen Onlineshop betreiben, dann können Sie vom ersten Moment, wenn Sie Kundendaten erhalten, bis zum Moment der Rechnungsstellung den gesamten Verkaufs- und Buchungsvorgang mit weclapp bearbeiten. Über eine Schnittstelle können Sie dann digital alle Unternehmensbuchungen an den Steuerberater übergeben. Dabei ist es egal, wo Ihre Mitarbeiter gerade sind, denn weclapp erreichen Sie überall, wo Sie Internetzugang haben. Sie sparen Zeit, Mühe und Papier. Wer bei uns Kunde wird, der kauft nicht sein ERP, sondern er mietet es. Inklusive der regelmäßigen Updates und Erweiterungen, die wir ständig weiterentwickeln.
Welche Firmen gehören zu Ihren Kunden?
Özdil: Insgesamt arbeiten über 3000 Firmen in 35 Ländern mit der weclapp-Lösung. Unsere Kunden haben in der Regel fünf bis 250 Mitarbeiter. Ein Teilbereich des ADAC arbeitet mit weclapp, aber auch Schöpfer Druck- und Werbetechnik in Reutlingen. Der Pharmavertrieb Cardimed BV mit Sitz in den Niederlanden kann europaweit mit weclapp an allen Standorten in sieben Sprachen arbeiten.
Was ist so spannend an der Entwicklung von Software? Und welche Herausforderungen kommen auf Sie zu?
Özdil: Das Aufregende an Software wie unserer ist, dass man damit Lösungen schafft. weclapp ist die Lösung für die Herausforderung der Digitalisierung, der sich jedes Unternehmen stellen muss. Aber damit ist es nicht genug: Die Anforderungen bauen aufeinander auf. Wollen Sie künftig effizient arbeiten, Kosten sparen, Margen vergrößern, müssen Sie als Unternehmer den technologischen Fortschritt nutzen. Wir sind gerade dabei, für unsere Kunden maschinelles Lernen nutzbar zu machen, ihnen einen digitalen Kollegen an die Hand zu geben, der auch samstagnachts eine Bestellung annimmt, prüft und bestätigt. Als kleines Unternehmen profitieren Sie enorm von neuester Technologie verpackt in ihrer täglich genutzten Software.
Sie wollen expandieren. Wie viele Mitarbeiter soll weclapp in drei Jahren haben?
Özdil: Ja, wir wollen und werden wachsen. In den nächsten Jahren könnten allein in Kitzingen durchaus 100 Arbeitsplätze entstehen. Der geplante Börsengang der weclapp in diesem oder im nächsten Jahr wird das Personalwachstum zusätzlich ankurbeln.
Wofür steht der Firmenname?
Özdil: We-clapp heißt so viel wie klatschen, abklatschen. Das ist genau das, was das Arbeiten mit weclapp ausmacht, nämlich vor allem Teamwork. Wir haben die Software für Teams entwickelt, weil wir überzeugt sind, dass ein Team, das mit Know-how, Leidenschaft und der richtigen Software zusammenspielt, unaufhaltsam und erfolgreich ist.
Das Gerücht macht die Runde, dass Sie der Stadt den Bahnhof abkaufen wollen. Was ist da dran?
Özdil: Wir wachsen gerade stark, auch am Standort Kitzingen. Inwieweit wir dann Flächen anmieten, wird derzeit überlegt. Wie in allen Unternehmen, in denen es möglich ist, sind derzeit die meisten Mitarbeiter im Homeoffice, so auch in Kitzingen. Bei den aktuellen Entwicklungen schauen wir bei der Raumplanung natürlich genau, was sinnvoll ist.
Kitzingen hat mit den ehemaligen Konversionsflächen große Flächen für Gewerbeansiedlungen geschaffen. Warum ist Ihre Firma nicht dort ansässig geworden?
Özdil: Für uns war und ist die Bahnhofsnähe ein entscheidendes Kriterium, um Fachkräfte nach Kitzingen zu bekommen. Viele neue Mitarbeiter, die wir rekrutieren, kommen aus dem Umland von Kitzingen oder aus dem Raum Würzburg. Die Bahnhofsnähe ist aus Gesichtspunkten der Erreichbarkeit ideal für uns. Sofern es bei unserem starken Wachstum noch möglich ist, wollen wir auch weiter in unmittelbarer Bahnhofsnähe wachsen. Aber auch andere Standorte sind in den kommenden Jahren durchaus eine Option.
Kurzbiographie
Ertan Özdil ist CEO, Gründer und Gesellschafter der weclapp SE. Er programmiert seit seinem neunten Lebensjahr. Seine ersten Erfahrungen in der Software-Entwicklung sammelte er Anfang der 1990er im Alter von vierzehn Jahren bei der Entwicklung eines Warenwirtschaftssystems. Ein Jahrzehnt später entwickelte er eine Open Source Lösung für das Customer Relationship Management – eines der ersten Open- Source-CRM-Systeme überhaupt. Das gewonnene Know-how führte 2008 zu der frühen und richtungsweisenden Idee von weclapp: einer cloudbasierten ERP-Software für alle Unternehmensbereiche. Der dreifache Vater wohnt und lebt mit seiner Familie in Kitzingen.
Zukunftspläne der Stadt
Pressesprecherin Claudia Biebl benennt auf Anfrage dieser Redaktion die nächsten Schritte bezüglich des Bahnhofs. Zunächst sollen Wartehalle und Toiletten ertüchtigt werden, damit „die Fahrgäste wieder ordentlich in Kitzingen ankommen“. Als nächstes geht es um die Gestaltung des Vorplatzes und des Bereichs an der Friedenstraße, wo ein Busbahnhof entstehen. Wie das Bahnhofsgebäude weiter genutzt wird, sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht klar.