Fabian Nemitz lebt seit fast fünf Jahren in Kiew. Einen groß angelegten militärischen Angriff erwarten nach seinen Worten die Wenigsten. Der Konflikt mit Russland hat aber schon für einnen wirtschaftlichen Schaden gesorgt.
Mainfranken/Kiew Die ganze Welt schaut auf die Ukraine. Wie wird sich der Konflikt zwischen der NATO und Russland weiter entwickeln? Kommt es zu militärischen Einsätzen? Droht womöglich sogar ein Krieg? Fabian Nemitz arbeitet seit fast fünf Jahren für „Germany Trade & Invest“, eine Außenwirtschaftsagentur der Bundesrepublik Deutschland, in Kiew. Der 43-Jährige aus Castell wirkt im Video-Gespräch erstaunlich entspannt.
Frage: Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage in der Ukraine?Nemitz: Die Lage ist ruhig, nicht nur hier in der Hauptstadt, sondern offensichtlich auch in den Grenzregionen. Das Leben hier geht ganz normal weiter, von Panik keine Spur. Es gibt auch keine Hamsterkäufe oder Ähnliches.
Wird der Konflikt aus europäischer und US-amerikanischer Sicht aufgebauscht?Nemitz: Das kann ich nicht beurteilen. Die Ukraine befindet sich letztendlich seit acht Jahren in einem Krieg mit Russland, da hat sich so etwas wie ein Gewöhnungseffekt eingestellt. Die Stimmung schwankt zwischen einer latenten Beunruhigung und einer großen Gelassenheit. Einen groß angelegten militärischen Angriff erwarten momentan die Wenigsten.
Sie fühlen sich ebenfalls sicher?Nemitz: Natürlich mache ich mir Gedanken, ich lebe hier mit meiner Frau und unseren beiden Kindern. Die will ich natürlich nicht in Gefahr bringen. Die Deutsche Botschaft hat bereits signalisiert, dass wir schnell aus dem Land gebracht werden, sollte die Lage doch eskalieren. Aber das klingt jetzt dramatischer als es ist.
Worin besteht Ihre Aufgabe in Kiew?Nemitz: Ich sammle Daten und berichte darüber, wie sich die Wirtschaft hier vor Ort entwickelt. Diese Analysen dienen Unternehmen aus Deutschland als Basis für das Exportgeschäft und für mögliche Investitionen.
Wer ist die Zielgruppe?Nemitz: Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen. Wir arbeiten eng mit der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer (AHK Ukraine) zusammen und betreuen Delegationen, die sich hier vor Ort näher informieren wollen.
Welche Branchen interessieren sich besonders für die Ukraine?Nemitz: Das ist ganz breit gefächert. Die Ukraine ist ein wichtiger Lieferant von Agrargütern, Erzen und Metallen. Bei den deutschen Importen aus der Ukraine spielen Autoteile, vor allem Kabelbäume, und IT-Dienstleistungen eine wichtige Rolle. Deutschland ist das zweitwichtigste Lieferland der Ukraine. In die Ukraine exportieren wir vor allem Maschinen, chemische Erzeugnisse und Autos. Der große Nachhol- und Modernisierungsbedarf bietet viele Chancen.