Die kleine Dackel-Dame Sia ist dem Tod von der Schippe gesprungen - und wird jetzt gepflegt. Aber noch ist ihr Überleben nicht gesichert.
Man hatte sie weggeworfen. Wahrscheinlich während einer kurzen Rast. An einem Parkplatz wenige Kilometer vor der Autobahnraststätte Haidt ließ man sie liegen, halb tot. Doch das etwa fünf Wochen alte Dackelmädchen hatte einen Schutzengel: Reisende aus der Rhön legten auf dem Autobahnparkplatz eine Pause ein – und fanden das kleine Bündel Hund. So nahm eine Geschichte ihren Lauf, die sich immer wieder um die Frage dreht: Was ist ein Tierleben wert?
Es ist der 1. August 2021. Zwei Urlauber aus Bad Hersfeld vertreten sich auf dem Parkplatz an der A3 in der Nähe des Biebelrieder Kreuzes die Füße. Da nehmen sie eine Bewegung wahr, ein braunes Etwas im Gras. Es ist ein Hundebaby, es blutet am Bein, es geht ihm nicht gut. Ganz offensichtlich ist es dehydriert. Die Rhöner telefonieren. Am Ende bringen sie das Tierchen in die Tierklinik im nahen Würzburg-Reichenberg.
Kleiner Dackel-Welpe halb tot auf Parkplatz gefunden
Dort stellt sich heraus, dass das Dackelbaby neben dem verletzten Vorderlauf eine schwere Virusinfektion hat, Parvovirose, mit Fieber und Durchfall. Das Klinikteam ruft beim Tierschutzverein Kitzingen an, in dessen Bereich das Tier gefunden wurde, und klärt die Kostenübernahme für die Behandlung ab. Gut zehn Tage wird die Kleine intensiv medizinisch betreut. „Tagelang stand ihr Leben auf der Kippe. Für mich ist es ein kleines Wunder, dass sie es geschafft hat“, sagt Silke Walther vom Kitzinger Tierheim-Team. Die erfahrene Tierheilpraktikerin und ihre Tochter Joan nehmen das Dackelkind nach seiner Entlassung aus der Klinik in Pflege. Es braucht rund um die Uhr Betreuung, was im Tierheim nicht zu leisten ist.
Am 13. August zieht das Hundemädchen bei den Walthers in Segnitz ein. Vor allem die 18-jährige Joan gibt alles, um es aufzupäppeln. Sie trägt es nah am Körper mit sich herum, gibt ihm Wärme, Liebe – und Spezialfutter. Sie tauft das Tierkind auf den Namen Sia, denn Sia verkörpert in der ägyptischen Mythologie Verstand und Weisheit. „Das passt zu ihr“, sagt Joan und streichelt dabei Sias Kopf über den glänzenden braunen Augen. „Sie ist sehr gelehrig." Abiturientin Joan, die quasi in der Tierheilpraxis ihrer Mutter aufgewachsen ist und im Herbst ein Lehramtsstudium beginnt, freut sich sehr, dass Sia täglich aktiver wird. „Die ersten Tage war sie platt, hat ganz viel geschlafen und war ansonsten wackelig auf den Beinen. Sogar in den Garten musste ich sie tragen.“ Noch immer brauche die Kleine viel Schlaf, „aber mittlerweile läuft sie mir und meinem Hund Lord super nach“.
Lord habe sie gleich unter seine Fittiche genommen, als wäre er ihr Vater. Joan ist glücklich darüber, dass sich das Sorgenkind so gut entwickelt: „Sie hört auf ihren Namen, kann schon einige Grundkommandos und sogar ein paar Tricks. Und sie liebt es, wenn man mit ihr spielt.“ Wie auf Kommando hebt das Dackelmädchen den Kopf, den es auf Joans Bein abgelegt hatte, und beißt mit kleinen, weißen Zähnen in ein Spielzeug, das Joan ihr hinhält. Es gibt ein Gerangel, das beiden sichtlich Spaß macht.
Kleine Dackel-Dame krank
Da kommt Silke Walther ins Zimmer. Ihr Blick ist sehr ernst. Der Tierarzt hatte geraten, einen Kardiologen zu Rate zu ziehen. Mit Letzterem hat Silke gerade telefoniert. „Die Kleine hat Luft in der Lunge – an einer Stelle, wo Luft nicht hingehört“, berichtet Silke Walther ihrer Tochter. „Außerdem zeigt ihr Herz Verformungen, die nicht normal sind.“ Die beiden Frauen sehen einander an. Dann blicken sie auf Sia, die ganz fidel herumflitzt. Was bedeutet das jetzt? Schmerzen habe Sia zwar nicht, gibt Silke Walther die ärztliche Diagnose weiter. Aber man könne leider auch nicht einfach abwarten, was passiert. „Nur durch eine Computertomographie – CT – kann man genau abklären, was sie hat. Verzichtet man darauf, kann es sein, dass sie qualvoll erstickt.“ Also muss ein Spezialist aufgesucht werden, der eine CT durchführt. Billig ist das nicht.
Apropos Geld: Obwohl die Tierklinik in Reichenberg schon einen Freundschaftspreis gemacht hat, belaufen sich allein die Behandlungskosten der ersten zehn Tage inklusive Röntgen und Kontrastmittel auf rund 1500 Euro. Dazu kommen Medikamente und Spezialfutter. Dass nicht auch noch Kosten für die Pflege des Tieres anfallen, ist allein den Walthers zu verdanken, die ihren Dienst ehrenamtlich verrichten.