Nach Anschlag: Weihnachtsmärkte ade?

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Auf dem Marktplatz in Kitzingen diskutieren Uwe Schäfer, Uschi Brown, Nicole Bernd und Alfred Pauli (v.li.) über den Anschlag.
Foto: Robert Wagner
Möglicher Anschlag mit Lastwagen auf Weihnachtsmarkt
Große Anteilnahme nach dem Anschlag in Berlin. Vor der Gedächtniskirche legen Bürger Blumen nieder und zünden Kerzen an.
Möglicher Anschlag mit Lastwagen auf Weihnachtsmarkt
Foto: Michael Kappeler/dpa

Und jetzt? Wie sind die Reaktionen nach dem Anschlag von Berlin? So beurteilen die Polizei, die Kommunen und die Veranstalter die Lage in unserer Region.

Und jetzt? Wie geht es weiter nach dem Anschlag von Berlin? Alles wie gehabt? Oder müssen sich Veranstalter, Kommunen und Sicherheitskräfte auch hierzulande auf eine neue Gefahrenlage einstellen und entsprechende Vorkehrungen treffen?

Das Polizeipräsidium Unterfranken versichert in einer Pressemitteilung, dass die Sicherheitslage in Unterfranken schon vor der Tat in Berlin fortlaufend analysiert wurde. Konkrete Hinweise auf geplante Anschläge lägen derzeit nicht vor. „Wir haben allerdings auch größtes Verständnis dafür, dass die Menschen sich Sorgen machen und können dies sehr gut nachvollziehen“, heißt es in der Pressemitteilung.

Auf dem Marktplatz in Kitzingen wird am frühen Dienstagnachmittag über diese Sorgen diskutiert. Nur eine Bude hat geöffnet. Dort schenkt Uschi Brown Glühwein aus, verkauft Bratwürste. „Ich war schockiert, als ich gestern von dem Anschlag gehört habe“, erzählt sie. „Natürlich macht man sich dann seine Gedanken.“

So geht es auch Alfred Pauli und Uwe Schäfer, die gerade vor der Bude einen Glühwein trinken. Sie diskutieren über den richtigen Umgang mit den Geschehnissen von Berlin. „Man sollte die Augen offen halten, ja“, sagt Pauli. „Aber Angst haben? Das wäre jetzt falsch.“ Das sei ja gerade das Ziel der Terroristen. „Passieren kann immer etwas, ich will mir mein Leben nicht von denen bestimmen lassen.“ Auch Uschi Brown hat keine Angst. Vor allem nicht in Kitzingen: „Wir sind doch zu klein, als dass hier etwas passiert“, meint sie.

„Wenn es geht, meide ich Großveranstaltungen“, meint Uwe Schäfer. Es sei ja nur eine Frage der Zeit gewesen, bis etwas passiert. „Ich war früher oft auf Konzerten, aber mittlerweile schwingt da ein ungutes Gefühl mit, eine Unsicherheit.“

Eine ganz andere Sichtweise auf die Anschläge hat derweil Nicole Bernd, der die Glühwein- und Bratwurstbude am Marktplatz gehört. Sie habe erst am Dienstagvormittag überhaupt von dem Anschlag gehört. „Ich versuche so wenig wie möglich davon mitzubekommen.“ Sie will sich keine Angst machen lassen. „Ich würde auch nach Istanbul oder Israel fliegen“, sagt sie.

Viele Besucher am Kitzingen Marktplatz machen sich jedoch Sorgen, genau so wie die Organisatoren von Großveranstaltungen in Franken. In Nürnberg, Würzburg und Schweinfurt laufen die Weihnachtsmärkte noch bis zum 24. Dezember. Daran wird sich auch nach dem Anschlag von Berlin nichts ändern. Die Innenminister der Länder hatten sich schon am gestrigen Morgen darauf verständigt, dass weder ein Weihnachtsmarkt noch eine andere Großveranstaltung abgesagt werden soll. „Das wäre falsch“, betonte Bundesinnenminister Thomas de Maiziere. Der jeweiligen Lage angepasst werde es aber weitere Sicherheitsvorkehrungen geben.

In München hat die Polizei bereits am Dienstagvormittag angekündigt, ihre Sicherheitsvorkehrungen für die Weihnachtsmärkte zu erhöhen. Das Personal auf den Märkten sei verstärkt worden, teilte ein Polizeisprecher mit. In Nürnberg sollen die Kontrollmaßnahmen auf dem Christkindlesmarkt „punktuell verdichtet“ werden, wie die Stadt mitteilt. Bereits zu Beginn des Marktes habe die Polizei ihre Präsenz deutlich erhöht und Verkehrssperren mit Polizeifahrzeugen eingerichtet. Der Nürnberger Christkindlesmarkt hat große symbolische Bedeutung: „Ich hatte ja gedacht, wenn wirklich etwas passiert, dann dort“, sagt Alfred Pauli.

Wie in Nürnberg sollen auch in Würzburg, Schweinfurt und Bamberg die Weihnachtsmärkte nicht abgebrochen werden. „Nein, der Würzburger Weihnachtsmarkt wird wegen des Anschlags in Berlin nicht geschlossen.“ Eine klare Ansage des Pressesprechers der Stadt, Christian Weiß. Er verwies darauf, dass die Stadt in enger Abstimmung mit den Sicherheitsbehörden ein Konzept erstellt habe, an dem man auch nach dem Berliner Ereignis nicht rütteln werde. Schon deshalb nicht, weil die Zugangswege zum Würzburger Weihnachtsmarkt so beschaffen seien, dass Anschläge mit größeren Fahrzeugen wie Lkw gar nicht möglich seien. Einzige aktuelle Maßnahme: Die Präsenz der Polizei auf dem Weihnachtsmarkt wird nochmals erhöht.

Auch der Bamberger Weihnachtsmarkt wird trotz des mutmaßlichen Terroranschlags in Berlin in den nächsten Tagen wie geplant geöffnet sein. Pressesprecherin Ulrike Siebenhaar sagte auf Anfrage, dass man sich seitens der Stadt bereits am Dienstagmorgen mit der Polizei kurzgeschlossen habe. Ergebnis: „Die Zahl der Streifen wird deutlich erhöht und es gibt mehr zivile Beamte.“ Auch wenn es keine umfassende Sicherheit geben könne, gebe es aktuell für alle bayerischen Weihnachtsmärkte keine konkrete Bedrohung. „Wir können nur hoffen, dass die Bürger sich nicht verunsichern lassen“, sagt Siebenhaar.

Im Landkreis Kitzingen sind die großen Weihnachtsmärkte bereits gelaufen. Die nächste Großveranstaltung wird vom 1. bis 6. Januar in Volkach stattfinden. Tausende Gäste werden wieder zum Volkacher Winterzauber erwartet. Organisator Marco Maiberger steht regelmäßig in Kontakt mit dem Ordnungsamt und der Polizei. „Wir haben unser Sicherheitskonzept in den letzten Jahren sukzessive den Entwicklungen angepasst“, sagt er. Das Sicherheitspersonal sei aufgestockt worden, es gab bauliche Veränderungen, um die Besucherströme besser lenken zu können. Kurz vor und auch während des Weinfestes sei an jedem Tag neu analysiert worden, ob die Maßnahmen ausreichen oder ergänzt werden müssen. „So tragisch das Geschehen in Berlin ist: Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es nirgendwo eine absolute Sicherheit geben kann“, sagt er.

Dass der internationale Terrorismus in Unterfranken angekommen ist, betonte Regierungspräsident Dr. Paul Beinhofer erst kürzlich in seiner Weihnachtsrede. Nach dem Axt-Attentat von Heidingsfeld seien Behörden, Kommunen und Polizei erst recht sensibilisiert. Als Konsequenz wurden die Sicherheitsvorkehrungen in der Aufnahmeeinrichtung in Schweinfurt erhöht sowie alle Mitarbeiter in den Gemeinschaftsunterkünften von der Polizei geschult. „Das Ziel lautet, möglichst frühzeitig Gefahren zu erkennen“, erklärt der Pressesprecher der Regierung, Johannes Hardenacke. In diesem Sinne fand Anfang Dezember auch eine Fortbildung für Lehrer statt. Sie sollen etwaige radikalisierte Schüler rechtzeitig erkennen und der Polizei melden. Hardenacke: Wir haben eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen.“

Genau so wie die Polizei. Sie will an Örtlichkeiten und Veranstaltungen mit großen Menschenansammlungen die Überwachungs- und Streifentätigkeit „lageorientiert anpassen“ – und zwar sowohl uniformiert als auch zivil. Besonders wichtig sei es, dass die Bürgerinnen und Bürger keine Scheu haben, sich jederzeit und sofort über den Notruf 110 an die Polizei zu wenden. Besonders wichtig seien dabei Mitteilungen über verdächtige Personen oder Fahrzeuge sowie verdächtige Gegenstände.

Und doch: Bei vielen Menschen bleiben Ängste. „Weiß ich denn, was in den Köpfen von den Leuten vorgeht?“, fragt Uwe Schäfer.