Serie: Heute kocht. Fleischküchli, Kree oder Gemüs' - Gerda Stadelmann kocht, wie sie es von ihrer Oma gelernt hat. Dazu braucht sie weder Rezeptbuch noch Waage.
Gerda Stadelmann gibt Mehl in den Topf. Wieviel? „Dass es halt passt“, sagt sie statt einer genauen Gramm-Angabe. Ein Rezeptbuch sucht man in ihrer Küche vergeblich, auch eine Stoppuhr nutzt sie nicht. Würzmischungen oder Zusatzstoffe kommen ihr nicht in den Topf, Fertiggerichte nicht auf den Tisch. Die 75-Jährige kocht so, wie sie es als Mädchen von ihrer Großmutter gelernt hat. Mit heimischen Zutaten und viel Gefühl.
Fleischküchli, Erdäpfel und Karottengemüs' gibt's an diesem Dienstag bei der Familie Stadelmann in Enheim. Zuvor eine Leberklößles-Suppe. Die Brühe dafür kocht gerade auf dem Herd vor sich hin. Lauch, Sellerie, Tomaten, Karotten, ein Lorbeerblatt und einiges mehr hat Gerda Stadelmann um 9 Uhr in den Topf gegeben, Wasser natürlich – und Rinderknochen. „Die hol' ich beim Schlachthof“, erzählt sie, während sie die anderen Gerichte routiniert zubereitet. Jeder Handgriff sitzt. Um 12 Uhr wird das Essen fertig sein. Kochen kostet halt Zeit, da geht es nicht schnell-schnell. Doch genau diese Zeit haben viele Leute heute nicht mehr – oder sie nehmen sie sich nicht. Stattdessen greifen sie zu Fertiggerichten und Pülverchen samt Geschmacksverstärkern.
Für Gerda Stadelmann ist das nichts. „Selbst gemacht schmeckt es doch besser“, sagt sie und nimmt eine Gewürzmühle zur Hand. Ihre ganz eigene Mischung ist da drin, zusammengestellt aus verschiedensten Komponenten wie Salz, Kardamom, Piment und vielem anderen mehr. Sie würzt damit Hackfleisch, gemischt aus Reh und Schwein. „Jeweils ein Pfund“. Es ist das einzige Mal während der Zubereitung des Essens, dass sie sich eine Mengenangabe entlocken lässt. Auf die Frage nach den weiteren Zutaten für die Fleischküchli kommt dann wieder der Satz: „Was man halt so rein tut.“ Kipfli sind auf jeden Fall dabei. Sie weicht die trockenen, harten Brötchen von den Vortagen in Wasser ein, drückt sie aus und gibt sie zur Fleischmasse. Nicht aus Sparsamkeit. „Damit werden die Küchli lockerer.“ Noch kurz Senf dazu, das bindet, und dann Kräuter. Aus dem eigenen Garten natürlich. So wie fast alle andern Zutaten auch.
Kartoffeln und Karotten baut sie mit der Familie an, Salat, Gurken, Bohnen und vieles mehr. Gelagert wird es im Keller oder in einem alten, mit Sand gefülltem Topf. „Das hält wunderbar frisch.“ Sie macht ihr Sauerkraut selbst und legt die Gewürzgurken ein. Mit den eigenen Produkten kommt die Familie fast übers ganze Jahr. Die Äpfel sind gerade erst zur Neige gegangen, in Form von Apfelsaft kommen sie allerdings noch auf den Tisch. Viele andere Obstsorten hat sie eingemacht oder eingefroren. „Es soll ja nichts verkommen“, sagt sie. Was auch für die Dinge gilt, die beim Kochen abfallen. Die Knochen aus der Suppe bekommt der Hund, über die Karottenschalen freuen sich die Hasen.
„Hollerküchli hätten wir auch kochen können“, überlegt sie, oder Rindfleisch mit Kree. „Es gibt so viele gute Gerichte, so viele gute Sachen, die wir essen können“, sagt die 75-Jährige. Dass manche Leute übers Essen schimpfen, kann sie nicht verstehen. Und auch nicht, warum man bei uns unbedingt Nahrungsmittel essen muss, die von weit her kommen. „Wir haben doch alles.“
Währenddessen knetet die Enheimerin die Fleisch-Mischung und die anderen Zutaten mit den Händen kräftig durch. Abschmecken, „bissle Muskat noch“, dann formt sie große Küchle und wendet sie in Semmelmehl – natürlich ist auch das selbst gemacht. Den Muskat reibt sie frisch, genauso wie den Pfeffer. „Das schmeckt viel besser, als wenn die Gewürze schon gemahlen sind“, so ihre Erfahrung.
Zurück zum Kree. 500 Portionen hat sie mal gekocht, für das Fest des Bauernladens. Nur kurz hat sie bei der Zubereitung gedacht, dass sie danach keinen Meerrettich mehr sehen könne. „Aber ich mag ihn immer noch“, gesteht sie lachend. Auch mit ihrem Käseblootz hat sie den Laden damals mehrmals die Woche beliefert. Kein Wunder, dass ihre Küchenmaschine überdimensional groß ist, und auch im Herd ist besonders viel Platz. „Den geb' ich nimmer her“, sagt sie über das schon ältere Stück. „Für Brot ist er ideal.“