Stühle, Tische, und Kurioses: Jetzt kann man sich Erinnerungen an die Kitzinger Bürgerbräu sichern.
Es ist schön und sinnvoll. Aber auch ein bisschen schrecklich. Mit dem Abenteuerspielplatz seiner Kindheit beseitigt Jens Fiebig gleichzeitig ein Stück Kitzinger Kulturgeschichte. Es muss sein, klar, und das Areal der Kitzinger Bürgerbräu wird ein wunderschönes, kleines Innenstadt-Wohngebiet werden. Aber bevor es so weit ist, muss der gelernte Brauer Fiebig aufräumen. Alles muss raus. Der Schreibtisch seiner Oma genauso wie all die Holz-Klapp-Stühle, die früher Festzelte bestückt haben, all die Tafeln, Gläser, Krüge, Kisten. Fiebig muss sich trennen.
Unzählige Container haben er und seine Helfer schon gefüllt und zum Schrottplatz gefahren. „Man kann nicht alles aufheben, es geht einfach nicht“, sagt der 47-Jährige, während er sich mit dem Handrücken über die Stirn wischt. „Aber das ist im Moment genau mein Dilemma: Was kann ich aufheben, was muss weg?“
Seit Tagen ist er dabei, auf vier Geschossebenen 7000 Quadratmeter Stellfläche zu räumen. Zwischendurch führt er Gespräche mit Nachbarn, Anliegern, Vertretern der Stadt, seinem Kooperationspartner Erik Koller, der den Bürgerbräu-Umbau mitträgt, oder auch mit Interessenten für eine der 38 Eigentumswohnungen, die oberhalb des historischen Renaissance-Innenhofs entstehen. Zur Ruhe kommt Jens Fiebig so schnell nicht.
Heute und morgen erst recht nicht. Denn während des „Kitzinger Frühlings“ an diesem Sonntag lädt Fiebig all diejenigen ein, die sich gerne die eine oder andere Erinnerung an die Kitzinger Brauerei sichern wollen. Ein Transportfass für Hopfendolden vielleicht. Oder einen alten Koffer. Gläser, Krüge, Tafeln, Werbeschilder, alte Werkbänke, alte Türen, die frühere Festzeltbeleuchtung, eine betagte Presse oder kniehohe Einmachtöpfe mit Holzdeckel wie anno dazumal.
Auch ein paar Kuriositäten können gegen eine Spende den Besitzer wechseln. Ein Pechkessel zum Beispiel. Den hat man früher gebraucht, um Holzfässer zu „pichen“, also mit Brauerpech auszukleiden. „Auf dem Dachboden haben wir so einiges Überraschendes gefunden. Unter anderem die frühere Leuchtreklame vom Gambrinus, den die Bürgerbräu mit Bier beliefert hat.“ Oder hölzerne Bier-Transportkisten, die mit ihren Eisenbeschlägen aussehen wie Schatzkisten.
17 Jahre nach der Stilllegung der Brauerei muss sich Jens Fiebig heute auch von Stücken trennen, die ihm ein Stück weit ans Herz gewachsen sind, aber für die er einfach keinen Platz mehr hat. Der Kirschholz-Schreibtisch seiner Oma Käthe Rockstroh zum Beispiel. Und der ihres Mannes Friedrich Heinrich Rockstroh. „Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie sie an den Tischen saßen und fein säuberlich ihre Korrespondenz erledigt haben...“
Ein paar Dinge von damals hat sich Jens Fiebig natürlich gesichert. Omas Ohrensessel zum Beispiel. Und auch den alten Aufzug-Hebel. „Damit haben wir als Kinder so allerhand Scheiß gemacht.“ Vor allem samstags, wenn keine Schule war. Für Jens Fiebig und seine drei Geschwister war das Brauerei-Gelände mit seinen verwinkelten Bauten ein echter Abenteuer-Spielplatz. „Besonders gern sind wir in der Mälzerei rumgehüpft. Den Geruch des Korns werde ich nie vergessen.“