Bürgerbräu: Schatzkiste, öffne dich

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Zum Pichen - also um die Bier(Holz-)-Fässer mit Brauerpech auszukleiden - wurde diese Maschine verwendet. Auch sie sucht einen Interessenten. FOTO Diana Fuchs
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Ältere Kitzinger werden sich noch erinnern: Diese Lampen hingen einst in Festzelten. FOTO Diana Fuchs
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Alte Emaille-Schilder aus Gasthäusern und von Brauereien lassen Sammlerherzen höher schlagen.
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Noch einmal Platz nehmen auf den alten Festzelt-Stühlen: Jens Fiebig muss die Bürgerbräu Kitzingen leer räumen - und das Inventar an den Mann oder die Frau bringen. FOTO Diana Fuchs
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Fundstück: Dieses Schild hing einst am Kitzinger Gambrinus, den die Bürgerbräu mit Bier belieferte. Jetzt sucht das Schild einen neuen Besitzer. FOTO Diana Fuchs
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Wie Schatzkisten sehen die alten, hölzernen Flaschen-Transportboxen aus. Jens Fiebig hat darin unter anderem original Bügelverschluss-Flaschen der Bürgerbräu gefunden ...
FotoS: Diana Fuchs
Auch dieser alte Koffer sucht einen neuen Besitzer.
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Alte Gambrinus-Leuchtreklame gefällig? Oder Opas Werkbank? Oder Krüge, Blöcke, Stühle? MEHR BILDER: WWW.INFRANKEN.DE
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Die Bürgerbräu Kitzingen wird leer geräumt. Alles muss raus, auch alte Einmach-Tontöpfe mit Holzdeckel, eine alte Presse und Korntransportfässer.
Foto: Diana Fuchs
Stühle aller Art gibt es in der Bürgerbräu Kitzingen gegen einen Obolus.
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Stühle, Tische, und Kurioses: Jetzt kann man sich Erinnerungen an die Kitzinger Bürgerbräu sichern.

Es ist schön und sinnvoll. Aber auch ein bisschen schrecklich. Mit dem Abenteuerspielplatz seiner Kindheit beseitigt Jens Fiebig gleichzeitig ein Stück Kitzinger Kulturgeschichte. Es muss sein, klar, und das Areal der Kitzinger Bürgerbräu wird ein wunderschönes, kleines Innenstadt-Wohngebiet werden. Aber bevor es so weit ist, muss der gelernte Brauer Fiebig aufräumen. Alles muss raus. Der Schreibtisch seiner Oma genauso wie all die Holz-Klapp-Stühle, die früher Festzelte bestückt haben, all die Tafeln, Gläser, Krüge, Kisten. Fiebig muss sich trennen.

Unzählige Container haben er und seine Helfer schon gefüllt und zum Schrottplatz gefahren. „Man kann nicht alles aufheben, es geht einfach nicht“, sagt der 47-Jährige, während er sich mit dem Handrücken über die Stirn wischt. „Aber das ist im Moment genau mein Dilemma: Was kann ich aufheben, was muss weg?“

Seit Tagen ist er dabei, auf vier Geschossebenen 7000 Quadratmeter Stellfläche zu räumen. Zwischendurch führt er Gespräche mit Nachbarn, Anliegern, Vertretern der Stadt, seinem Kooperationspartner Erik Koller, der den Bürgerbräu-Umbau mitträgt, oder auch mit Interessenten für eine der 38 Eigentumswohnungen, die oberhalb des historischen Renaissance-Innenhofs entstehen. Zur Ruhe kommt Jens Fiebig so schnell nicht.

Heute und morgen erst recht nicht. Denn während des „Kitzinger Frühlings“ an diesem Sonntag lädt Fiebig all diejenigen ein, die sich gerne die eine oder andere Erinnerung an die Kitzinger Brauerei sichern wollen. Ein Transportfass für Hopfendolden vielleicht. Oder einen alten Koffer. Gläser, Krüge, Tafeln, Werbeschilder, alte Werkbänke, alte Türen, die frühere Festzeltbeleuchtung, eine betagte Presse oder kniehohe Einmachtöpfe mit Holzdeckel wie anno dazumal.

Auch ein paar Kuriositäten können gegen eine Spende den Besitzer wechseln. Ein Pechkessel zum Beispiel. Den hat man früher gebraucht, um Holzfässer zu „pichen“, also mit Brauerpech auszukleiden. „Auf dem Dachboden haben wir so einiges Überraschendes gefunden. Unter anderem die frühere Leuchtreklame vom Gambrinus, den die Bürgerbräu mit Bier beliefert hat.“ Oder hölzerne Bier-Transportkisten, die mit ihren Eisenbeschlägen aussehen wie Schatzkisten.

17 Jahre nach der Stilllegung der Brauerei muss sich Jens Fiebig heute auch von Stücken trennen, die ihm ein Stück weit ans Herz gewachsen sind, aber für die er einfach keinen Platz mehr hat. Der Kirschholz-Schreibtisch seiner Oma Käthe Rockstroh zum Beispiel. Und der ihres Mannes Friedrich Heinrich Rockstroh. „Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie sie an den Tischen saßen und fein säuberlich ihre Korrespondenz erledigt haben...“

Ein paar Dinge von damals hat sich Jens Fiebig natürlich gesichert. Omas Ohrensessel zum Beispiel. Und auch den alten Aufzug-Hebel. „Damit haben wir als Kinder so allerhand Scheiß gemacht.“ Vor allem samstags, wenn keine Schule war. Für Jens Fiebig und seine drei Geschwister war das Brauerei-Gelände mit seinen verwinkelten Bauten ein echter Abenteuer-Spielplatz. „Besonders gern sind wir in der Mälzerei rumgehüpft. Den Geruch des Korns werde ich nie vergessen.“

Außerdem taugte Vaters Brauerei auch dazu, das Taschengeld aufzubessern. „Leergut abstapeln, Vollgut aufstapeln, Abfüllhalle putzen – nach vier Wochen Ferienjob konnte ich mir meinen ersten Commodore 64 leisten. Was war ich stolz“, schaut Jens Fiebig grinsend zurück.

Heute hat der C64 Museums-Charakter. Und auch in der Bürgerbräu beginnt eine neue Ära.

Was lange währt... Neues Leben in der Bürgerbräu

Initialzündung: Mitten im Herzen Kitzingen liegen die historischen Gebäude der Brauerei „Bürgerbräu“, die 1807 gegründet wurde und 1998 die Produktion einstellte. Nach der Betriebsaufgabe gab es zahlreiche Ideen für eine sinnvolle Nutzung der leer stehenden oder als Lagerflächen genutzten Räume. Lange Zeit gab es kein realisierbares Ergebnis - bis im Sommer 2012 Prof. Mark Michaeli von der Technischen Universität München (Lehrstuhl für Nachhaltige Entwicklung) mit seinen Studenten nach Kitzingen kam. Das Team arbeitete sämtliche Potenziale und Möglichkeiten des Areals heraus.

Partnerschaft: Mit dieser Vorarbeit konnte der Familieneigentümer Jens Fiebig Anfang 2013 das Interesse von Erik Koller für das Bürgerbräu-Areal wecken. Koller ist Vorstand des erfahrenen Bauträgerunternehmens aaa Real Estate AG. Nach vielen Gesprächen mit Stadtplanung, Stadtheimatpflege und Denkmalschutzamt entwickelte sich ein Entwurf für eine Wohnnutzung.

38 Eigentumswohnungen: Als „Kitzinger Brauhöfe GmbH & Co. KG“ wollen Fiebig und die aaa Real Estate AG von den sieben bestehenden Häusern drei historisch wertvolle erhalten, drei neu aufbauen und eines ersatzlos abreißen - zugunsten eines weiteren Hofes, für mehr Licht und Wohnqualität. „Der Charme der ehemaligen Brauereigasse wird erhalten“, versichert Fiebig. Im Untergeschoss werden eine Tiefgarage und Fahrradabstellplätze integriert.

Relikte aus der Brauerei-Zeit: Während des „Kitzinger Frühlings“ am Sonntag, 17. April, wird Jens Fiebig von 13 bis 17 Uhr die Brauereigasse öffnen, damit Interessierte sich – gegen einen kleinen Spenden-Obolus nach freiem Ermessen – mit Bürgerbräu-Accessoires eindecken können.