Vom Reiterglück im Steigerwald

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Das Glück der Erde… liegt für Constanze Stern auf jeden Fall auf Duncans Rücken. Fotos: Diana Fuchs
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Duncan hat – zumindest, was seinen Bart angeht – eine gewisse Ähnlichkeit mit Horst Lichter („Bares für Rares“).
Diana Fuchs
Constanze Stern und Duncan genießen ihren Ausritt in der Abendsonne.
Diana Fuchs
Duncan hat – zumindest, was seinen Bart angeht – eine gewisse Ähnlichkeit mit Horst Lichter („Bares für Rares“).
Foto: DIANA FUCHS
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Vor der Kulisse des Friedrichsberges reiten Constanze und ihr Duncan in der Abendsonne über eine Wiese.
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Foto: DIANA FUCHS

Hoch zu Ross die Natur erleben, das ist für Constanze Stern das allerbeste Mittel gegen Stress.

Übermütig schüttelt er die wilde Mähne. Dann schnaubt er, dass sein gezwirbelter Schnurrbart, der an Horst Lichter erinnert, nur so wackelt. „Dir gefällt es heute besonders gut, gell?“, flüstert Constanze Stern ihrem Duncan ins Ohr. Sie hat sich im Sattel vorgebeugt und streichelt über den langen, glänzenden Hals ihres Pferdes. Die beiden sind im Wald unterwegs. Die Abendsonne taucht die Baumkronen in ein goldgelbes Licht, Vögel zwitschern, der weiche Boden dämpft die Hufschläge. Das frische Frühlingsgrün an den Bäumen lässt noch genügend Sonnenstrahlen bis hinunter auf den Waldboden fallen, so dass es auch dort in allen Grüntönen leuchtet.

Nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt sorgt die Riesenbaustelle A3-Ausbau für Dauerlärm und Dreck. Doch davon ist hier im Untersambacher Wald bei Wiesentheid nicht das Geringste zu merken. Die sanfte Geräuschkulisse hier ist ein Mix aus Vogelstimmen, dem Wind, der durch Zweige weht, und dem Plätschern des Sambachs, der sich durch den Wald schlängelt. Der Steigerwald ist nicht nur ein Paradies für Wanderer, sondern auch für Reiter.

Schön friedlich

„Hier ist es so schön friedlich!“ Constanze Stern atmet tief ein. Lächelnd zupft sie ein paar junge Buchenblätter ab und hält sie ihrem Duncan vor den stattlichen Bart, der so typisch ist für seine Rasse. „Die zarten Blätter mag er fast so gern wie Äpfel und Karotten.“

Constanze und Duncan sind seit 19 Jahren unzertrennlich. „Ich hatte meine Eltern jahrelang angebettelt. Als ich 15 war, bekam ich endlich mein Pferd.“ Duncan war damals gerade zwei Jahre alt, ein muskulöses Arbeitspferd der Rasse Irish Tinker. „Ich war überglücklich, als er zu mir kam. Aber einfach war es nicht immer. Er ist ein Dickkopf – allerdings ein ganz lieber!“ Das fränkische Mädchen und der gefleckte Ire wuchsen quasi an- und miteinander.

Heute bieten die beiden ein Bild der Harmonie, wenn sie gemeinsam durch den Wald reiten. Die 34-Jährige und ihr Wallach mit den charakteristischen Fellpuscheln an den Fesseln, Behang genannt, verstehen einander ohne große Worte. Wenn Constanze mit der Zunge schnalzt, geht Duncan ein paar Schritte rückwärts, macht sie mit den Lippen ein Knutschgeräusch, galoppiert der Wallach los, und sagt sie „easy!“, schaltet er einen Gang zurück.

Die Schokoladenseite des Steigerwaldes

Das mit dem Galoppieren bietet sich an, als der Waldpfad in eine Schotterstraße mündet, die von großen Wiesen gesäumt wird. Die Abendsonne lässt die Rapsfelder ringsum leuchten, ebenso wie den Funkturm auf dem rund 470 Meter hohen Friedrichsberg an der westlichen Steilseite – „der Schokoladenseite“ – des Steigerwaldes. Constanze beugt sich zu Duncans Kopf vor und raunt ihm etwas in die gespitzten Ohren. Und schon geht es los. Pferd und Reiterin stürmen über die Wiese, Mähne und Haare wehen im Wind.

Etwas außer Atem und mit leuchtenden Augen stoppt Constanze ihr Ross wenig später am Waldrand. Früher waren die beiden auch weit entfernt bei Orientierungsritten durch den Steigerwald unterwegs, heute sieht man sie vor allem rund um die Untersambacher Mühle, wo Duncan Teil einer kleinen Pferdeherde ist. Constanze besucht ihn täglich. Nach der Stallarbeit freut sie sich auf den gemeinsamen Ausritt. „Ich bin dann mal weg“, sagt sie und grinst.

„Ich brauch' kein Yoga...“

Ihr Handy schaltet sie einfach mal eine halbe Stunde aus und genießt auf Duncans Rücken – oder auch mal laufend neben dem Wallach – die Natur. „Das Vogelgezwitscher, die Farben, der erdige Geruch im Wald: Das ist Balsam für die Seele!“ Gerade, wenn sie einen stressigen Tag hatte oder eine innere Unruhe spürt, ist ihr die Zeit mit ihrem Wallach heilig. „Ich brauch' kein Yoga“, sagt sie, „ich hau' mich einfach aufs Pferd.“

Oft kreuzen Fasane, Eidechsen, Hasen oder Rehe ihren Weg. „Ich kenne die Wildwechsel und weiß, wo sich wer im Unterholz versteckt.“ Ganz in der Nähe, im Forsthaus des Weilers Rüdern, haben früher Constanzes Großeltern gelebt. „Mein Opa war Förster im Schönborn-Wald“, erzählt die 34-Jährige. „Wir Kinder haben es dort geliebt – wir haben den Riesenspielplatz Steigerwald generell geliebt. Für mich war schon immer klar: Ich will hier nicht für länger weg.“

Als es nach dem Abitur darum ging, einen Beruf zu ergreifen, interessierte sich Constanze für den damals neuen Ausbildungszweig „Kauffrau für Tourismus und Freizeit“. Ihre Lehre absolvierte sie beim Dachmarketing Kitzinger Land im Landratsamt Kitzingen, danach ging sie für fünf Jahre nach Nürnberg, wo sie für den Tourismusverband Franken in der Verkaufsförderung arbeitete. „Ich war viel in der Welt unterwegs. habe Japanern und Chinesen erzählt, wie schön es bei uns in Franken ist. Und dann wollte ich selbst endlich wieder heim!“

Der Stress fällt ab

Dass in dieser Zeit eine Fachkraft gesucht wurde, die das „Steigerwald-Zentrum – Nachhaltigkeit erleben“ in Handthal mit aufbauen wollte, sei „wie ein Sechser im Lotto“ gewesen. „Hier zu arbeiten, wo ich schon immer am liebsten war, ist einfach ein Traum!“

Mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter Johanna lebt die Fränkin in Wiesentheid. Von hier aus sind es nur wenige Kilometer nach Rüdern und zur Untersambacher Mühle. Zu den täglichen Besuchen bei Duncan kommt die kleine Johanna mittlerweile gerne mit. „Aber ich bin ganz ehrlich: Ich genieße es auch, mal ganz allein mit Duncan in die Natur abzuhauen.“ Hoch zu Ross sei das Outdoor-Erlebnis fast noch intensiver als zu Fuß oder auf dem Fahrrad. An sonnigen, lauen Abenden freut sich Constanze ganz besonders, wenn sie zusammen mit Duncan schmale Waldpfade erkunden und in den Sonnenuntergang reiten kann. „Da fällt jeglicher Stress von mir ab und ich weiß: Hier gehöre ich hin.“

Duncan schnaubt bei diesen Worten so gewaltig, dass sein „Horst-Lichter-Bart“ noch eine ganze Weile vibriert. Gemeinsam traben Ross und Reiterin Richtung Friedrichsberg von dannen. Die Assoziation „Cowgirl im Steigerwald“ drängt sich auf. Wenn jemals ein Heimatfilm über die Region gedreht wird, müsste diese Szene unbedingt der Abspann sein.

50 Jahre Naturpark

Tiefe Wälder, funkelnde Teiche, Sonnenhänge und duftende Wiesen: Seit genau einem halben Jahrhundert gibt es den Naturpark Steigerwald, in dessen Mitte ein großer Stein die „drei Franken“ Ober-, Mittel- und Unterfranken verbindet. Auf 129.000 Hektar warten verwunschene Orte, alte Ruinen, idyllische Auen und manche Gaumenfreude auf Entdecker. Die KITZINGER führt ihre Leser in einer kleinen Serie zu interessanten Plätzen und stellt Freizeitaktivitäten vor. Auch Ur- und Herzens-Steigerwälder kommen zu Wort. (*ldk*)