Hoch zu Ross die Natur erleben, das ist für Constanze Stern das allerbeste Mittel gegen Stress.
Übermütig schüttelt er die wilde Mähne. Dann schnaubt er, dass sein gezwirbelter Schnurrbart, der an Horst Lichter erinnert, nur so wackelt. „Dir gefällt es heute besonders gut, gell?“, flüstert Constanze Stern ihrem Duncan ins Ohr. Sie hat sich im Sattel vorgebeugt und streichelt über den langen, glänzenden Hals ihres Pferdes. Die beiden sind im Wald unterwegs. Die Abendsonne taucht die Baumkronen in ein goldgelbes Licht, Vögel zwitschern, der weiche Boden dämpft die Hufschläge. Das frische Frühlingsgrün an den Bäumen lässt noch genügend Sonnenstrahlen bis hinunter auf den Waldboden fallen, so dass es auch dort in allen Grüntönen leuchtet.
Nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt sorgt die Riesenbaustelle A3-Ausbau für Dauerlärm und Dreck. Doch davon ist hier im Untersambacher Wald bei Wiesentheid nicht das Geringste zu merken. Die sanfte Geräuschkulisse hier ist ein Mix aus Vogelstimmen, dem Wind, der durch Zweige weht, und dem Plätschern des Sambachs, der sich durch den Wald schlängelt. Der Steigerwald ist nicht nur ein Paradies für Wanderer, sondern auch für Reiter.
Schön friedlich
„Hier ist es so schön friedlich!“ Constanze Stern atmet tief ein. Lächelnd zupft sie ein paar junge Buchenblätter ab und hält sie ihrem Duncan vor den stattlichen Bart, der so typisch ist für seine Rasse. „Die zarten Blätter mag er fast so gern wie Äpfel und Karotten.“
Constanze und Duncan sind seit 19 Jahren unzertrennlich. „Ich hatte meine Eltern jahrelang angebettelt. Als ich 15 war, bekam ich endlich mein Pferd.“ Duncan war damals gerade zwei Jahre alt, ein muskulöses Arbeitspferd der Rasse Irish Tinker. „Ich war überglücklich, als er zu mir kam. Aber einfach war es nicht immer. Er ist ein Dickkopf – allerdings ein ganz lieber!“ Das fränkische Mädchen und der gefleckte Ire wuchsen quasi an- und miteinander.
Heute bieten die beiden ein Bild der Harmonie, wenn sie gemeinsam durch den Wald reiten. Die 34-Jährige und ihr Wallach mit den charakteristischen Fellpuscheln an den Fesseln, Behang genannt, verstehen einander ohne große Worte. Wenn Constanze mit der Zunge schnalzt, geht Duncan ein paar Schritte rückwärts, macht sie mit den Lippen ein Knutschgeräusch, galoppiert der Wallach los, und sagt sie „easy!“, schaltet er einen Gang zurück.
Die Schokoladenseite des Steigerwaldes
Das mit dem Galoppieren bietet sich an, als der Waldpfad in eine Schotterstraße mündet, die von großen Wiesen gesäumt wird. Die Abendsonne lässt die Rapsfelder ringsum leuchten, ebenso wie den Funkturm auf dem rund 470 Meter hohen Friedrichsberg an der westlichen Steilseite – „der Schokoladenseite“ – des Steigerwaldes. Constanze beugt sich zu Duncans Kopf vor und raunt ihm etwas in die gespitzten Ohren. Und schon geht es los. Pferd und Reiterin stürmen über die Wiese, Mähne und Haare wehen im Wind.
Etwas außer Atem und mit leuchtenden Augen stoppt Constanze ihr Ross wenig später am Waldrand. Früher waren die beiden auch weit entfernt bei Orientierungsritten durch den Steigerwald unterwegs, heute sieht man sie vor allem rund um die Untersambacher Mühle, wo Duncan Teil einer kleinen Pferdeherde ist. Constanze besucht ihn täglich. Nach der Stallarbeit freut sie sich auf den gemeinsamen Ausritt. „Ich bin dann mal weg“, sagt sie und grinst.