EIne unterfränkische Polizistin steht im Verdacht, es gibt weitere Fälle - so schätzen die Behörden die Lage im Landkreis Kitzingen ein.
Es gab sie schon länger, die mahnenden Stimmen: Reichsbürger, Menschen die aufgrund obskurer Ideen die Existenz der Bundesrepublik leugnen, sind mehr als harmlose Spinner. Eine der Mahnerinnen war Irene Mihalic, Bundestagsabgeordnete der Grünen. Sie hatte schon vor über einem Jahr gefordert, sogenannte Reichsbürger vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen. Dem ARD-Politikmagazin Kontraste verriet sie Mitte Oktober, dass Hans-Georg Maaßen, seines Zeichen Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, das lange für überflüssig hielt: Reichsbürger müsse man nicht ernst nehmen.
Es musste erst etwas passieren, bis sich diese Einstellung änderte: Vor gut einem Monat erschoss ein Reichsbürger einen Polizisten in Georgensgmünd, verletzte drei weitere. Seitdem steht das Thema im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Vor einer Woche gab Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) bekannt, dass die Reichsbürger-Bewegungen nun tatsächlich bundesweit vom Verfassungsschutz überwacht werden. Am vergangenen Donnerstag folgte der bayerische Innenminister mit seiner Einschätzung, im Freistaat gebe es mehr als 1700 Reichsbürger – etwa 340 von ihnen würden Waffen besitzen.
Wie viele Reichsbürger es im Landkreis Kitzingen und im Regierungsbezirk Unterfranken gibt, dass lässt sich nur schwer abschätzen. „Aussagekräftige Zahlen über die Häufigkeit lassen sich derzeit nicht nennen, da es keine einheitliche Organisation mit Mitgliederlisten oder ähnliche Hinweise gibt“, erklärt Kathrin Thamm vom Polizeipräsidium Unterfranken. Man gehe Mitteilungen bezüglich Reichsbürgern nach – allerdings könne die Überprüfung im Einzelfall sehr aufwändig sein.
Eine solche Überprüfung läuft derzeit auch innerhalb der unterfränkischen Polizei: Bereits am 9. November wurde eine Streifenpolizistin vorläufig vom Dienst suspendiert. Bei ihrer zuständigen Einwohnermeldebehörde hatte die Frau auf Grundlage eines aus dem Jahr 1913 stammenden Gesetzes einen „Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit“ gestellt. Dieser Antrag und die dazugehörigen Angaben der Polizistin lägen den Verdacht nahe, die Frau würde der Reichsbürger-Bewegung nahe stehen. Die Behörde hatte sich daraufhin an die Polizei gewendet.
Diplomatenstatus vorgetäuscht
Darüber hinaus sind selbst ernannte Reichsbürger in Unterfranken in den letzten Jahren immer wieder polizeilich in Erscheinung getreten. „Sie fallen in der Regel durch Schreiben an Amtsträger verschiedener Ebenen und Behörden auf“, erzählt Thamm. Es hätte jedoch auch Straftaten gegeben. So musste beispielsweise gegen einen selbst ernannten Reichsbürger wegen Missbrauchs von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen ermittelt werden, weil er einen Diplomatenstatus vorgetäuscht und Fantasietitel verwendet hatte.
Zum Teil würde Gerichtsvorladungen nicht Folge geleistet, Verwarnungen mit Zahlungsaufforderungen oder Strafbefehle ignoriert. Auch Ladungen zum Haftantritt werden zum Teil ignoriert, sagt Thamm. Exemplarisch nennt sie einen Fall vom 20. Juni 2016, bei dem sich ein Mann aus dem Landkreis Bad Kissingen weigerte, ein Bußgeld über 35 Euro zu bezahlen. „Der Mann gab gegenüber den Polizisten deutlich zu erkennen, dass für ihn die Bundesrepublik Deutschland nicht existent ist und völker- und verfassungsrechtlich illegal sei“, erzählt Thamm. Ein Haftbefehl wurde ausgesprochen. Bei dessen Vollstreckung leistete der 45-Jährige Widerstand und verletzte einen Polizisten leicht.
Harald Hoffman, Leiter der Polizeiinspektion Kitzingen, sind solche direkten Konflikte mit Reichsbürgern bisher erspart geblieben. „Was wir jedoch immer mal wieder haben, sind Menschen, die uns wirre Briefe schreiben“, so Hoffmann. Mit obskuren Argumenten werden da Mahngelder und Verfahren zurückgewiesen. „Grundsätzlich ist es ja nicht verboten, daran zu glauben, dass es die BRD nicht gibt“, sagt Hoffmann. „Man darf ja auch daran glauben, dass uns grüne Männchen regieren.“ Problematisch werde es eben dann, wenn sich aus diesem Glauben konkrete Handlungen und Rechtsverstöße entwickeln.
Ob Hoffmann und seine Kollegen nach den Fällen von Georgensgmünd manchmal Angst vor solchen Leuten haben? „Nein“, antwortet der Leiter der Polizeiinspektion. Aber natürlich seien die Sinne jetzt noch einmal geschärfter und man achte noch bewusster auf bestimmte Warnzeichen.