In Kitzingen ist die erste Solidarische Landwirtschaft in Unterfranken geplant.

Die Voraussetzungen sind da: Ein landwirtschaftliches Konzept, interessierte Menschen und freies Land. Die Kitzinger Solawi kann kommen.
„Solawi“ steht für Solidarische Landwirtschaft. Ein Ansatz, der bereits Mitte der 80er Jahre in Deutschland Fuß fasste. „Damals gründete sich die erste Initiative“, berichtete Stephan Rettner bei einem Informationsabend in der Alten Synagoge. Es dauerte allerdings, bis sich die Idee großflächig durchsetzen sollte. Etwa 20 Betriebe gab es vor sechs Jahren, heute sind es 170, die im entsprechenden Netzwerk „Solidarische Landwirtschaft – Sich die Ernte teilen“ gelistet sind. Unterfranken ist bislang ein weißer Fleck auf der Solawi-Landkarte. Das soll sich ändern.
Frische Lebensmittel der Region
Juliane Amend ist Ansprechpartnerin für das Projekt „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ am Landratsamt Kitzingen. In Erlangen, ihrer Heimatstadt, ist sie seit zwei Jahren Solawi-Mitglied. 150 so genannte Ernteteiler sind in dem Verbund zusammengeschlossen. Auf der Warteliste stehen 40 Namen.
44 Euro pro Monat zahlen die „Ernteteiler“ in Erlangen. Dafür bekommen sie – je nach Jahreszeit – frische Lebensmittel aus der Region. Im Winter weniger, im Sommer und Herbst mehr. Die Waren werden in ein Depot geliefert und dort einmal pro Woche an die Mitglieder der Solawi aufgeteilt.
Zwei Landwirte stellen und bearbeiten die Flächen. Einmal pro Woche werden die frischen Lebensmittel in einem angemieteten Depot an die „Ernteteiler“, also die Mitglieder der Solawi, ausgegeben. Vom Studenten bis zum Rentner sind alle Altersgruppen vertreten, die meisten helfen in verschiedenen Arbeitsgruppen mit. Bei der Depotausgabe oder in der Zukunftswerkstatt. Etwa zwei Stunden pro Woche beträgt der – freiwillige – zeitliche Aufwand.
„So eine Solawi macht viel Spaß“, sagt Amend und zählt die Vorteile auf: Direkter Kontakt zu den Landwirten, kein anonymes Einkaufen in Supermärkten, ein Bezug zu den Produkten und den anderen Mitgliedern in der Gemeinschaft. Und natürlich frisches Gemüse beziehungsweise Obst direkt aus dem Umfeld. Manche Solawis haben zusätzlich einen Brot-Service, andere bieten Eier an, manche auch Fleisch – je nach den Möglichkeiten und Wünschen vor Ort.
In den meisten Solawis liegen die Kosten ein Stückchen höher. „Es kommt immer darauf an, was letztendlich im Warenkorb landen soll“, erklärt Stephan Rettner. „Und wie viel Zeit und Arbeit jeder Ernteteiler mit einbringen will.“
Entsprechend viele verschiedene Modelle der Solidarischen Landwirtschaft gibt es in Deutschland – je nach den Bedürfnissen der Ernteteiler und Landwirte vor Ort. In Kitzingen hat sich der Etwashäuser Biogärtner Erich Gahr intensiv mit „Solawi“ befasst. In zwei Jahren will er in Rente gehen, einen Nachfolger gibt es nicht. Bis dahin will er eine „Solawi“ in Kitzingen zum Laufen gebracht haben.
Mangold, Fenchel, Aubergingen, Spinat und vieles mehr baut Erich Gahr auf seinen rund 3,5 Hektar großen Flächen an. Die Waren verkauft er in einem etwa 50 Kilometer großen Umkreis rund um Kitzingen. Bei den Fahrten kauft er bei etwa 20 Kollegen die Waren ein, die er nicht selbst herstellen kann: Zwiebeln, Kartoffeln, gelbe Rüben oder Kraut – und verkauft sie auf seinem Hof. Von „Solawi“ hat Erich Gahr vor zwei Jahren gehört, ein Seminar in Nürnberg besucht. Jetzt sucht er Mitstreiter in Kitzingen und Umgebung.
Nächstes Treffen: 23. April
„Eigentlich ist meine Fläche für eine Solawi zu groß“, sagt er. Zumal sie nicht zusammenhängend ist, sondern an verschiedenen Ecken in und um Kitzingen liegt. Erich Gahr kann sich deshalb eine andere Form der Zusammenarbeit vorstellen. Aus den drei Bereichen Anbau, Großhandel und Einzelhandel besteht sein Betrieb in Etwashausen. Den Einzelhandel will seine Tochter eventuell übernehmen und ausbauen. Den Großhandel und den Anbau würde er gerne in eine Solawi integrieren.
Seine Motivation? „Wir müssen endlich aus der Maschinerie der industriell erzeugten Nahrungsmittel raus“, sagt er. „Wir müssen wieder die Oberhand über unsere Nahrungskette gewinnen.“ Gleichgesinnte lädt er ein, bei der ersten Kitzinger Solawi mitzutun. Einen Zeitplan hat er klar vor Augen: Der offizielle Startschuss soll im nächsten Jahr fallen. Heuer sollen möglichst viele Menschen informiert und eingebunden werden. In Holzkirchhausen hatte er schon eine Informationsveranstaltung abgehalten, seine Einzelhandelskunden hat er per Brief informiert und bei der Infoveranstaltung in der Alten Synagoge meldeten sich spontan sieben Interessierte. Eine Zahl, mit der Erich Gahr zufrieden ist. „Da kann man gut planen und organisieren“, meint er. „Ein Grundgerüst aushandeln, das dann über die nächsten Jahre mit Leben gefüllt wird.“
So unterschiedlich wie die Erzeugnisse kann auch die Organisationsform sein, informierte Stephan Rettner auf Nachfrage. Solawis gibt es als Verein, als e.G., als GbR oder als GmbH. Welche Form und welche Erzeugnisse es in Kitzingen geben wird, ist Zukunftsmusik.
Am 23. April, um 19 Uhr, treffen sich alle Interessierten erneut in der Alten Synagoge. Dann soll an der Vision einer „Soldiarischen Landwirtschaft“ in Kitzingen weiter gearbeitet werden. „Informationsmaterial und Hilfestellungen von Seiten der Vereinigung gibt es genug“, versicherte der Leiter der Vhs Kitzingen, Richard Arndt-Landbeck, auf Nachfrage.
Die Gründung einer „Kitzinger Solawi“ im Jahr 2019 hält Stephan Rettner für durchaus vorstellbar. Vorher sollten die Voraussetzungen, Wünsche und Rahmenbedingungen genau besprochen werden. „Kommunikation ist das A und O“, weiß Juliane Amend aus Erfahrung. An der Kommunikation soll es in Kitzingen nicht scheitern. Erich Gahr steht Anfragen offen gegenüber.
Weitere Informationen gibt es auf der Homepage: www.solidarische-landwirtschaft.org