Protest-Besuch vor der Tür

3 Min
Die Bewohner des Hauses St. Elisabeth in Kitzingen trafen sich am Mittwoch im Außenbereich mit ihren Besuchern ...
Foto: Daniela Röllinger
Auch das Wilhelm-Hoegner-Haus in der Kitzinger Siedlung empfing am Mittwoch (7. September) aus Protest Besucher nur draußen ...
Foto: Tabea Goppelt

Ist Infektionsschutz nur noch eine Aufgabe der Pflege? Für die Pflegeeinrichtungen scheint es so. „Während Corona in der Mitte der Gesellschaft keine Rolle mehr zu spielen scheint, ist die Pandemie in der Pflege noch lange nicht vorbei“, sagt Bianca Hahn, Leiterin des Caritas Hauses St. Elisabeth in Kitzingen. Bürokratie und fehlende Refinanzierung belasten die Einrichtungen. Sowohl das Caritas-Haus in der Innenstadt als auch das Wilhelm-Hoegner-Haus der AWO in der Siedlung haben sich deshalb an einem Aktionstag beteiligt, mit dem Pflegeeinrichtungen auf ihre Lage aufmerksam machten: Die Besucher wurden am Mittwoch draußen empfangen.

Ist Infektionsschutz nur noch eine Aufgabe der Pflege? Für die Pflegeeinrichtungen scheint es so. „Während Corona in der Mitte der Gesellschaft keine Rolle mehr zu spielen scheint, ist die Pandemie in der Pflege noch lange nicht vorbei“, sagt Bianca Hahn, Leiterin des Caritas Hauses St. Elisabeth in Kitzingen. Bürokratie und fehlende Refinanzierung belasten die Einrichtungen. Sowohl das Caritas-Haus in der Innenstadt als auch das Wilhelm-Hoegner-Haus der AWO in der Siedlung haben sich deshalb an einem Aktionstag beteiligt, mit dem Pflegeeinrichtungen auf ihre Lage aufmerksam machten: Die Besucher wurden am Mittwoch draußen empfangen.

Die Lage in der Pflege ist schon seit langem prekär und hat sich durch die Pandemie noch einmal verschärft. Einlasskontrollen, Zertifikatskontrollen, Dokumentationen, Tests: Der Aufwand, den Corona für die Pflegeeinrichtungen mit sich bringt, ist riesig. Und er hinterlässt Spuren. Bianca Hahn, Leiterin des Hauses St. Elisabeth, sieht das tagtäglich: „Unsere Mitarbeitenden arbeiten seit zweieinhalb Jahren über ihr Limit hinaus.“ Eine Besserung ist nicht in Sicht. „Die Vorgaben durch das ab Oktober geltende geänderte Infektionsschutzgesetz erzeugen einmal mehr Bürokratie und belasten unsere Beschäftigten.“

Dazu kommt die finanzielle Unsicherheit: Bis Juni konnten Pflegeeinrichtungen die Aufwendungen, die durch die Umsetzung der Coronamaßnahmen entstanden sind, sowie coronabedingte Mindereinnahmen über den Pflegerettungsschirm geltend machen. Doch der ist ausgelaufen. Wer zahlt nun die Kosten?

Wer mit Mitarbeitern, Bewohnern und Angehörigen in St. Elisabeth spricht, spürt den Ernst der Lage in der Pflege. „Wir sind gerade so an der Grenze, dass wir noch eine menschenwürdige und bedürfnisorientierte Pflege leisten können“, sagt Karsten Reschke, Pflegedienstleiter in St. Elisabeth, über die Situation in den allermeisten Einrichtungen. „Aber lange geht das nicht mehr. Und was ist dann erst in zehn Jahren? Wenn die Babyboomer kommen?“

Um die geburtenstarken Jahrgänge versorgen zu können, wenn sie ins Alter kommen, braucht es Fachkräfte. Doch die fehlen schon jetzt. 60 Mitarbeitende hat das Haus St. Elisabeth derzeit. „Wir bräuchten mindestens drei Vollzeitkräfte mehr.“ Weil diese Fachkräfte aber nicht zu bekommen sind, leben derzeit deutlich weniger Menschen im Haus als früher.

Die Pandemie habe die Lage verschärft, sagt Bianca Hahn. „Das zerrt an den Nerven von Bewohnern, Familien und Pflegepersonal.“ Natalia Zurkan kann das nur bestätigen. Seit sechs Jahren arbeitet sie in St. Elisabeth, hat davor eine dreijährige Ausbildung absolviert. Die Pflegefachkraft leitet eine Wohngruppe, ist zugleich auch Angehörige, ihr Vater lebt in der Einrichtung. „Die Bewohner merken schon, dass wir weniger Zeit für sie haben.“ Denn die Zeit, die von Bürokratie und Dokumentation aufgefressen wird, fehlt für die Bewohner. „Das nervt“, sagt Zurkan. „Die Bewohner brauchen uns. Aber die Politik schaut nur auf die Papiere, nicht auf die Menschen.“ Es brauche weniger Bürokratie und mehr Mitarbeiter. Aber um die zu bekommen, brauche es eine bessere Bezahlung.

Ursula Seufert-Göß sitzt am Mittwoch mit ihrer Mutter, die seit sechs Jahren in St. Elisabeth lebt, draußen vor der Tür. „Man merkt schon, dass das Personal mehr unter Druck steht. Das war am Anfang nicht so.“ An der Pflege mangle es nicht, betont sie, aber manche Angebote könnten seit Corona einfach nicht mehr durchgeführt werden. Trotzdem fühle sich ihre Mutter Helene Seufert dort sehr wohl. „Sind wir froh, dass wir hier sind“, sagt die Seniorin, die schon zwei Corona-Erkrankungen überlebt hat.

„Man kriegt schon zu hören, dass die Schwestern es eiliger haben als früher“, sagt auch Karin Schlötter, deren Mutter und Schwiegermutter in St. Elisabeth wohnen. „Aber es geht halt nicht anders, sie müssen ja rumkommen“. Schlötter wünscht sich, dass die Coronavorschriften nicht nur außerhalb der Pflegeeinrichtungen lockerer gesehen werden, sondern auch in den Heimen.

Wie groß die Belastung durch Bürokratie und Dokumentation für die Pflegekräfte ist, weiß auch Paul Greubel genau. Aus beruflicher Sicht – er war bis zum Frühjahr Caritas-Geschäftsführer – und aus familiärer, denn seine Mutter wohnt im Heim. Er fordert, dass Politiker nicht nur zu Einweihungsfeiern in die Heime kommen, sondern dort auch einmal mitarbeiten und so miterleben, wie die Situation wirklich ist.

Aktionstag auch bei der AWO

„Infektionsschutz ist nicht nur Aufgabe der Pflege“, sagt auch Helena Zimmermann, Pflegedienstleitung im Wilhelm-Hoegner-Haus der AWO in Kitzingen. Eine dauerhafte und sichere Kostenübernahme für die Schutzmaßnahmen wäre Zimmermann zufolge ein Anfang, dann sollte natürlich auch der Personalschlüssel erhöht werden. Weil derzeit alle Stellen im Haus besetzt sind, hätten sie zuletzt einen Azubi nach der Ausbildung gehen lassen müssen, obwohl genug Arbeit da wäre.

„Für uns ist die Pandemie noch nicht vorbei“, sagt Zimmermann und zählt auf: Die Beschäftigten testen sich zweimal die Woche zuhause. Die Bewohner werden einmal pro Woche durch eine Apotheke aus Kitzingen getestet und ein zweites Mal durch Beschäftigte des Wilhelm-Hoegner-Hauses. Die Tests bekommen Beschäftigte momentan noch kostenlos, die Kosten für Bewohner-Testungen würden nur zum Teil übernommen. Nun fürchtet Zimmermann, dass die Schutzmaßnahmen bleiben, aber die Kostenübernahme gestrichen werde.

Besuche für die Patienten wollen die Beschäftigten des AWO-Hauses weiterhin ermöglichen. „Das ist Fluch und Segen der Pflege. Wir machen einfach alles mit“, sagt Zimmermann. Helmut Kesselring beispielsweise besucht seine an Demenz erkrankte Frau täglich. „Sie lassen mich jeden Tag rein und da freue ich mich immer wieder“, sagt er. Mit seiner Frau ist er mittlerweile 60 Jahre verheiratet, vor einem Jahr zog sie ins Wilhelm-Hoegner-Haus. Der 83-Jährige lässt sich für seine Besuche täglich im Krankenhaus testen, um im Altenheim das negative Testergebnis vorlegen zu können. „Ich bewundere sämtliche Pfleger und Pflegerinnen und Angestellte, wie die das alle so schaffen“, sagt Kesselring.