Pluspunkte für die Natur

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Im Rahmen des Life+-Projektes wurden bei Iphofen im FFH-Gebiet drei Wege angelegt, die das Kulturerbe Mittelwald erlebbar machen. Das Foto zeigt den Hutewaldweg Hellmitzheim ...
Foto: Projektmanagement Life+
Trockenheit und Schädlinge machen dem Wald zu schaffen. Die geltenden FFH-Richtlinien machen es nicht immer einfach, hier gegenzusteuern. Das Foto entstand im Sommer 2019 im Iphöfer Stadtwald.
Foto: Eike Lenz
In der Nähe des Mittelwaldpavillons hat die Stadt Iphofen im Zuge des Life+-Projektes eine Hirschkäferwiege angelegt. Die große Karte erklärt die Hintergründe.
Foto: Daniela Röllinger

Vor 20 Jahren redeten sich Stadt- und Gemeinderäte wegen Natura 2000 die Köpfe heiß. Flora und Fauna haben seitdem profitiert, aber es gibt auch offene Fragen.

Die Gelbbauchunke, die spanische Flagge, das große Mausohr. Sie und viele weitere Tierarten und ihre Lebensräume zu schützen, war und ist Ziel von Natura 2000. Als das europaweite Schutzgebietsnetz vor 20 Jahren festgelegt wurde, sorgte es allerdings zunächst einmal für hitzige Diskussionen in den Stadt- und Gemeinderäten.

Gemeinden, Waldbesitzer und vor allem Landwirte befürchteten Einbußen, als ab März 2000 über die Unterschutzstellung verschiedener Gebiete diskutiert wurde. Dabei hätte man da schon längst wissen müssen, dass sich was tun wird in Sachen Natur- und Artenschutz. „Natura 2000“ basiert auf der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie von 1992 und der Vogelschutzrichtlinie, die sogar schon auf das Jahr 1979 zurückgeht. Lange Zeit blieb Deutschland nahezu untätig. Die EU erhob Klage, Strafgelder drohten, sollten nicht ausreichend Flächen ausgewiesen werden. Als dann Anfang 2000 Flächen festgelegt wurden, fühlten sich Gemeinden, Waldbesitzer und Landwirte überfahren. Beispielsweise im Iphöfer Stadtrat gab es lautstarke Diskussionen. Von Willkür war die Rede, von der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, von einer Enteignung der Bauern. Dann aber besannen sich die Gemeinden auf ihre Vorbildfunktion, zeigten sich kompromissbereit. „Wir haben beschlossen, dass wir uns nicht gegen die Ausweisung der Waldflächen und der Wiesen wehren, aber die landwirtschaftlich genutzten Flächen sollten herausgenommen werden“, erinnert sich der Iphöfer Stadtförster Rainer Fell.

Zwei Jahrzehnte später zeigt ein Blick auf die Region, dass die Natur durchaus von der Ausweisung profitierte. 744 Natura-2000-Gebiete gibt es derzeit in Bayern, ausgewiesen im Jahr 2000 beziehungsweise bei einer Nachmeldung 2004. Im Landkreis Kitzingen sind es 16 Gebiete: zehn FFH-Gebiete und sechs Vogelschutz-Gebiete. Es handelt sich um wertvolle Teile der Kulturlandschaft mit einem hohen Reichtum an Biotopen, in denen seltene und gefährdete Arten zu finden sind, sowohl Tiere als auch Pflanzen. Die Mausohrkolonien im Steigerwaldvorland sind FFH-Gebiet, die Mainaue zwischen Grafenrheinfeld und Kitzingen, Sandgebiete bei Schwarzach, Klein- und Großlangheim, der Flugplatz Kitzingen und andere mehr. Das größte Gebiet ist der „Vordere Steigerwald mit Schwanberg“ – 8351 Hektar groß. Zu den Vogelschutzgebieten im Landkreis gehören unter anderem der Steigerwald und sein Vorland und das Maintal zwischen Schweinfurt und Dettelbach.

Ein Paradies für Schmetterlinge

Profitiert haben von Natura 2000 aber auch die Menschen – unter anderem wurden neue Naherholungs-Angebote geschaffen, die zum Wandern einladen und zugleich viele Informationen über die Natur bieten. Im Rahmen eines Life+-Programms entstanden bei Iphofen drei Naturerlebniswege – dafür konnten nur Projekte gemeldet werden, die in den Natura-Gebieten liegen. Wer sich auf dem Mittelwaldweg und im Mittelwaldpavillon in Iphofen über die verschiedenen Baumarten und die Art der Bewirtschaftung informiert, wer im Naturwaldreservat Wolfssee bei Dornheim den Urwald von morgen entdeckt oder wer auf dem Hutewaldweg bei Hellmitzheim das dort weidende Vieh und die Hirsche beobachtet, tut dies also auf Basis von Natura 2000. Dass die Tiere dort das Gras niedertrampeln und sich Pfützen und kleine Gewässer bilden, freut die Gelbbauchunke: Hier findet die Art einen idealen Lebensraum.

Auch andere Tiere und Pflanzen profitieren von Life+: Nach Süden ausgerichtete Waldränder wurden aufgelichtet, um den Lebensraum für Schmetterlinge zu verbessern. Die beiden Trockenjahre 2018 und 2019 seien sehr gute Schmetterlingsjahre gewesen, berichtet Stadtförster Fell. Zudem wurden im Zuge von Life+ Hirschkäferbruthaufen angelegt, Tümpel optimiert, Stillgewässer umgestaltet. Auch der Geschichtsweinberg in Iphofen gehört zum Life+-Projekt „Wälder und Waldwiesentäler am Steigewaldrand bei Iphofen“, das von der Stadt Iphofen, dem Markt Markt Einersheim und dem bayerischen Umweltministerium gemeinsam verwirklicht wurde. Am Hang des Schwanbergs wird anhand von alter Rebsorten und alter Bearbeitung verdeutlicht, wie im Mittelalter, um 1800 und um 1960 Weinbau betrieben wurde. Die Natursteinmauer bietet seltenen Reptilien Lebensraum, es gibt alte Rebsorten sowie eine Streuobstwiese mit Obstsorten, die längst in Vergessenheit geraten waren. Rainer Fell bezeichnet den historischen Weinberg als „Highlight“, sowohl was den Artenschutz angeht, als auch den Tourismus. Das Budget für das Life+-Projekt in Iphofen belief sich auf 1,6 Millionen Euro. Neben der EU und der Stadt Iphofen steuerte auch der Bayerische Naturschutzfonds Mittel bei. Nach Ablauf des Projektes 2014 wurden die Maßnahmen fortgeführt, teils von der Stadt, teils vom Landschaftspflegeverband, die Hutung hat ein Landwirt übernommen, der Geschichtsweinberg wird von neun Iphöfer Winzern bewirtschaftet.

Waldumbau ist schwierig

Damit beschäftigt Life+ die Iphöfer weiter, genauso wie die FFH-Flächen, beim Wald zum Beispiel. Die Ausweisung war mit einem Verschlechterungsverbot verbunden. Was auf der einen Seite hilfreich war, macht es allerdings nicht gerade leicht, auf den Klimawandel zu reagieren. Trockenheit und Hitze sowie dadurch verstärkt auftretende Schädlinge setzen den Wäldern seit einigen Jahren zu. Die bewährten Baumarten geraten zunehmend unter Druck. Eichenprozessionsspinner und Schwammspinner, das Eschetriebsterben, die Rußrindenkrankheit beim Ahorn – kaum eine Baumart, die nicht leidet. Um den Bestand zu erhalten, müssen die Schädlinge bekämpft werden – doch das rufe die Naturschützer auf den Plan, so Rainer Fell. Ein Baumartenwechsel aber sei in den FFH-Gebieten nur sehr eng begrenzt möglich, erklärt der Stadtförster. Die Douglasie ist ein Baum, der im Zuge des Klimawandels oft genannt wird. Die einfach in größerer Zahl zu pflanzen ist aber nicht möglich. Ein Dilemma, wie der Stadtförster verdeutlicht. „Wir dürfen nur sehr wenig Nadelholz einbringen, sind aber wegen des Klimawandels eventuell gezwungen, mit Nadelbäumen zu arbeiten.“